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Lebensmittelkonzerne: Von Verantwortung keine Spur

Viele große Konzerne wie Mars, Danone oder Nestlé werben mit ihrem ökologischen oder sozialen Engagement. Doch dieses existiert oftmals nur auf dem Papier. Wie wenig hinter den selbst gesteckten Zielen steht, hat die Entwicklungsorganisation Oxfam in ihrer Studie „Behind the brands“ offengelegt.

lebensmittelkonzerne

Während der letzten Jahren ist das soziale und ökologische Bewusstsein der Verbraucher immer größer geworden. Raubbau an der Natur, Kinderarbeit und Geschäfte auf dem Rücken der Armen dieser Welt werden nicht kritiklos hingenommen. Das wissen auch die großen Lebensmittel- und Getränkehersteller. Mit vollmundigen Versprechen und gut klingenden Kampagnen versuchen sie, ihr Image aufzupolieren. Doch wie ernst nehmen die Konzerne ihre eigenen Firmenziele?


Geschäfte auf dem Rücken der Armen

Die unabhängige Entwicklungsorganisation Oxfam hat sich genau diese Frage gestellt. In ihrer Studie „Behind the brands“, auf deutsch „hinter den Marken“, hat sie die zehn größten Lebensmittel- und Getränkekonzerne unter die Lupe genommen. Untersucht wurden Coca-Cola, Danone, Unilever, Kellogg´s, Mars, Mondelez International (ehemals Kraft Foods), Nestlé, PepsiCo, General Mills und Associated British Foods. Mit Hilfe einer Wertungsskala hat Oxfam überprüft, inwieweit sich die Firmen in folgenden Bereichen engagieren: Arbeitsrechte, Rechte von Kleinbauern, Rechte von Frauen, Klimawandel, Umgang mit Land und Wasser sowie Transparenz.

Auch wenn die Unternehmen Fortschritte bei der Formulierung von Firmenzielen gemacht haben, ist das Ergebnis ernüchternd. Die meisten Lebensmittelkonzerne sind noch weit davon entfernt, nachhaltig zu handeln. In Pakistan steht Nestlé beispielsweise als Verursacher für sinkende Grundwasserspiegel und steigende Wasserkosten in der Kritik. Das Unternehmen füllt dort Trinkwasser in Flaschen ab und erreicht damit einen Marktanteil von 50 Prozent. Unilever bezieht acht Prozent der in Madagaskar produzierten Vanille für seine Eiscreme-Produkte. Ein Drittel aller Kinder im Alter zwischen zwölf und 17 Jahren arbeitet nach Angaben der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) dort in der Vanilleproduktion. Kraft Foods hat Fleisch von Rindern eingekauft, für deren Weiden in Brasilien Amazonas-Regenwald abgeholzt wurde. Coca-Cola muss sich heute den Anschuldigungen von Kinderarbeit entlang ihrer Herstellungskette in den Philippinen stellen. Und dies ist nur eine Auswahl von endlos vielen Negativ-Beispielen.

Die untersuchten Konzerne erzielen zusammen einen Gewinn von 800 Millionen Euro täglich. Dennoch zahlen sie den Bauern keine fairen Preise und unternehmen nichts gegen sogenanntes Landgrabbing. Nach wie vor kaufen oder pachten Investoren im großen Stil Land für den Anbau von Palmöl, Soja und Zucker. Die Rechte und Bedürfnisse der lokalen Kleinbauern, die das Land bearbeiten und davon leben, werden dabei ignoriert.

Nachhaltigkeit nicht wichtig genug

Ob die Konzerne den Forderungen nach Nachhaltigkeit und sozialer Verantwortung nachkommen, ist generell schwer zu prüfen. Weder die Herkunft noch der Transport oder die Verarbeitung der Lebensmittel sind besonders transparent. Doch die Bewertungsliste von Oxfam zeigt klar: Alle großen Zehn haben es versäumt, ein gerechtes Nahrungsmittelsystem aufzubauen. So gibt es bei keinem Lebensmittel- oder Getränkekonzern Vorgaben, um die lokale Bevölkerung vor Landgrabbing oder Wasserknappheit zu schützen. Die Firmen unternehmen zu wenig gegen die massive Produktion von Treibhausgasen durch die Landwirtschaft. Dabei ist sie hauptverantwortlich für den Klimawandel. Die Folgen der Erderwärmung bekommen die Kleinbauern in klimatisch weniger begünstigten Gebieten als Erste zu spüren. Nur eine Minderheit der Nahrungsmittelhersteller tut etwas gegen die Ausbeutung von Kleinbauern und Landarbeitern.

Die Konzerne verfügen zwar über Programme zu sozialer Verantwortung und Nachhaltigkeit, doch diese beschränken sich auf einige wenige Gebiete. Beliebt sind Projekte zur Verringerung des Wasserverbrauchs und das Schulen von Bäuerinnen. Die ursächlichen Gründe von Hunger und Armut werden mit solchen Maßnahmen allerdings nicht bekämpft. Insgesamt fehlt es den Firmen an geeigneten Strategien, um die Tätigkeiten entlang ihrer Herstellungsketten zu prüfen. Anstatt etwas für das Wohlbefinden der Arbeiter zu tun, die ihre Produkte produzieren, profitieren die Konzerne lieber weiter von einem verantwortungslosen System.

Konzerne weisen Verantwortung von sich

Oxfam hat die gesammelten Ergebnisse der Studie den zehn Lebensmittel- und Getränkekonzernen vorgelegt und um eine Rückmeldung gebeten. Die meisten Konzerne wiesen die Schuld an den Missständen weit von sich. Für sie liegen die Probleme vor allem bei den Regierungen, den Händlern und den Verbrauchern. Ihrer Ansicht nach ist es die Aufgabe der Regierungen, die grundlegenden Bürger- und Menschenrechte zu sichern. Tatsächlich haben heute angesichts der Globalisierung und der großen Marktmacht der Konzerne viele Regierungen die Kontrolle über die Lebensmittelproduktion verloren, so dass enorme Gesetzeslücken entstanden sind. Dazu beigetragen hat aber auch die vehemente Lobbyarbeit vieler Firmen. Um bestehende Vorteile zu erhalten, werden beträchtliche Gelder gespendet.

Händler sind an fast jedem Schritt der Lebensmittelherstellung beteiligt: Sie stellen Saat und Dünger für die Landwirte bereit und kontrollieren die Rohstofflieferanten. Sie handeln mit Landbesitzern, Vieh- und Geflügelzüchtern sowie Lebensmittel- und Biokraftstoffherstellern. Sie sind auf die Ware angewiesen, die die Hersteller bereit halten. Daher können die Nahrungsmittelhersteller einen enormen Druck auf den Handel ausüben.

Einige Firmen redeten sich damit heraus, nur auf die Nachfrage der Verbraucher zu reagieren. Da Verbraucher immer preiswertere Lebensmittel wünschten, müssten sie die Produktionskosten so gering wie möglich halten, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Die Wünsche der Verbraucher werden aber durchaus auch von der Industrie gesteuert. Jahr für Jahr geben große Konzerne Millionen Dollar für Lobbyismus, Marketing und Pressearbeit aus, um die Meinung der Bevölkerung über Lebensmittel und ihre Herstellung zu formen. Anstelle von riesigen PR-Aktionen sollten die Firmen ihre Mittel lieber dafür verwenden, ein nachhaltiges Lebensmittelsystem zu fördern, fordert Oxfam. Hierzu gehören: Gerechte Löhne für die Arbeiter, faire Preise für die Kleinbauern und ein Ende der Ausbeutung von Land, Wasser und Arbeit. Mit der Studie „Behind the Brands“ will Oxfam die Firmen aus der Reserve locken und zu mehr Engagement anstacheln.

Quelle: Fischer J. UGB-Forum 5/13, S. 256-257
Foto: A. Trayler-Smith/Oxfam