Algen haben’s in sich

Weil sie eine gute Quelle für Vitamin B12 sein sollen, sind Algen gerade bei Veganern und Vegetariern beliebt. Zugleich werden sie wegen ihres hohen Gehalts an Jod und Omega-­3-Fettsäuren als nachhaltige Alternative zu Fisch angesehen. Doch sind Algen wirklich geeignet, die Nährstoffzufuhr zu bereichern?

Makroalgen zählen in ostasiatischen Ländern seit jeher zur traditionellen Küche. Seit Jahren tauchen sie auch bei uns auf dem Speiseplan auf. Als Superfood sind sie mittlerweile tiefgefroren oder sogar frisch erhältlich. Sie werden etwa als grüne Hülle um Sushi gewickelt, dienen als Zutat im Salat oder bereichern asiatische Suppen. Die meisten Makroalgen werden bei uns in getrockneter oder konzentrierter, hochverarbeiteter Form als Nahrungsergänzungsmittel oder Zusatz in funktionellen Lebensmitteln konsumiert. Einzellige Mikroalgen werden ausschließlich als Nahrungsergänzungen in Form von Pulvern und Tabletten oder zur Nährstoffanreicherung verwendet.

Darüber hinaus gewinnt die Ernährungsindustrie aus Makroalgen Zusatzstoffe wie Agar-Agar, Carrageen oder Alginate. Sie dienen als Emulgatoren, Verdickungs- oder Geliermittel. Das Interesse an den Wasser­pflanzen ist bei uns besonders aufgrund ihres Gehalts an Vitamin B12, Jod und Omega-3-­Fettsäuren in den letzten Jahren enorm gestiegen.

Algen bieten große Artenvielfalt

Algen wachsen sowohl in Salz- als auch in Süßgewässern. Sie kommen als einzellige (Mikroalgen) oder mehrzellige Organismen (Mikro- und Makroalgen) vor. Im Meer sind überwiegend Braun- und Rotalgen zu finden, im Süßwasser eher Grünalgen. Die unterschiedliche Pigmentierung dient vor allem der optimalen Lichtausnutzung für die Fotosynthese in unterschiedlichen Gewässertiefen. Bekannte, als Lebensmittel verwendete Braunalgen sind Wakame und Kombu (Seepalme) oder die Rotalge Nori (Purpurtang).

Bei den Nahrungsergänzungen finden besonders die Mikroalgen Chlorella und Spirulina Verwendung. Letztere ist biologisch gesehen eigentlich ein Bakterium. Weltweit gibt es geschätzt 200.000 oder mehr Algenarten, bekannt sind davon allerdings nur etwa 40.000 bis 60.000. Nur ein Bruchteil davon ist für den menschlichen Verzehr geeignet. Einige Arten können marine Biotoxine enthalten, also für den Menschen giftige Stoffe. Deshalb sollte für den Verzehr nur auf Produkte aus dem Lebensmittelhandel und nicht auf eigene Ernte zurückgegriffen werden.

Nährstoffe schwanken

Die Zusammensetzung von Mikro- und Makronährstoffen und somit die ernährungsphysiologische Qualität der Algen unterscheidet sich zum Teil erheblich zwischen den verschiedenen Arten. Zudem können auch innerhalb einer Art sehr große Schwankungen auftreten. Diese sind abhängig von der Saison, dem Erntezeitpunkt, Standort und dem Verarbeitungsprozess. Bei der Betrachtung von Nährstofftabellen sind diese Schwankungen unbedingt zu berücksichtigen.

Die Angaben zu Nährstoffen erfolgen bei Algen zumeist in Bezug auf 100 Gramm oder ein Kilogramm Trockenmasse und nicht auf das frische Produkt. Eine Portion zubereiteter, essbarer Makroalgen entspricht durchschnittlich etwa acht Gramm des jeweiligen Produkts in der Trockenmasse.
Makroalgen sind besonders ballaststoffreich. Trotz der geringen Verzehrmenge lässt sich mit einer Portion etwa 10 Prozent der von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung empfohlenen Tagesmenge von 30 Gramm (g) decken. Das ist etwa vergleichbar mit 100 g­ rohen Karotten oder Paprika.

Reich an Jod und Omega-3-Fettsäuren

Hersteller von Algenpräparaten weisen auf den hohen Gehalt wertvoller Inhaltsstoffe in dem Meeresgemüse hin. Tatsächlich sind die meisten Makroalgen aufgrund ihrer marinen Herkunft reich an Mineralstoffen, besonders an Calcium, Magnesium und Natrium. Eisen liegt ebenfalls in größeren Mengen vor. Teilweise überschreiten die Gehalte diejenigen von terrestrischen Lebensmitteln wie Fleisch erheblich. Eine Portion Nori enthält beispielsweise rund 5,4 Milligramm (mg) Eisen, eine Portion von 125 g Rinderfilet hingegen 2,3 mg. Die Bioverfügbarkeit von Eisen aus Algenprodukten ist allerdings geringer als die aus tierischen Lebensmitteln.

In den Blickpunkt ist vor allem der hohe Jodgehalt in Meeresalgen gerückt. Da die Jodversorgung hierzulande von Fachleuten als unzureichend angesehen wird, könnte der Verzehr von Algen zu einer besseren Versorgung mit diesem Spurenelement beitragen. Die tägliche Aufnahmeempfehlung für Erwachsene beträgt 200 Mikro­gramm (µg) Jod und sollte nach Empfehlung des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) 500 µg pro Tag nicht überschreiten.

Allerdings ist eine Überversorgung durch Algen und daraus gewonnenen Produkten nicht auszuschließen. Besonders bei Braunalgen können die Werte extrem hoch liegen. Bei einem vom Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) 2018 durchgeführten Monitoring wurde dieser Wert in gut drei Viertel aller Algenproben überschritten. Für getrocknete Algenprodukten beziffert die Verbraucherzentrale die Jodgehalte auf bis zu 11.000 µg/g. In einigen Braunalgen wie Kombu oder Kelp ist der Jodgehalt so hoch, dass es schon beim Verzehr einer Portion zu gesundheitsgefährdenden Überdosierungen kommen kann. Nicht selten fehlen entsprechende Warnhinweise auf den Produkten. Dr. Markus Keller, UGB-Experte für vegane und vegetarische Ernährung, empfiehlt zur Optimierung der Jodversorgung deshalb besser zu Nori-Flocken oder -Blättern mit deklariertem Jodgehalt zu greifen. Sie werden aus verschiedenen Gattungen von Rotalgen hergestellt und enthalten im Durchschnitt deutlich weniger Jod als Braunalgen. Grundsätzlich sollten nur solche Produkte verwendet werden, auf denen eindeutige Angaben zum Jodgehalt zu finden sind. Als Höchstmenge werden in Nahrungsergänzungsmitteln 100 µg Jod pro Tag empfohlen.

Algenöl als Ersatz für Fisch

Besonders Mikroalgen haben mit ca. 2 g pro 100 g einen hohen Gehalt an mehrfach ungesättigten Fettsäuren, vor allem Omega-3-Fettsäuren. Dazu zählen vornehmlich die ernährungsphysiologisch wertvollen Eicosapentaensäure (EPA) und Docosahexaensäure (DHA). Viele Produzenten nutzen deshalb Algenöl für die Herstellung von Pellets, Kapseln oder als Zusatz für DHA-angereicherte Pflanzenöle wie Lein-, Walnuss- oder Sojaöl. Vor allem Vegetarier und Veganer sollen davon profitieren. Aus gesundheitlicher Sicht sind Algenprodukte und Mikroalgenöle für Menschen, die keinen fettreichem Seefisch essen und nicht zu Fischöl-Kapseln greifen möchten, eine gute Alternative. Geschmacklich sind sie allerdings gewöhnungsbedürftig, da sie nach Fisch oder Meer schmecken können. Zudem sind Algenprodukte im Vergleich zu Fischölkapseln und Pflanzenölen in der Regel um ein Vielfaches kostspieliger.

Schwermetalle in Algen

Meeresalgen können nicht nur in besonderem Maße Mineralstoffe, sondern auch Schwermetalle aus dem Wasser anreichern. 2018 untersuchte das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) 165 Proben getrockneter Meeresalgen auf diverse chemische Elemente. Jede zehnte Probe wies einen Cadmiumgehalt über dem gesetzlichen Höchstwert von 3 Milligramm pro Kilogramm (mg/kg) auf. In etwa 10 Prozent der Proben mit den höchsten Bleigehalten lagen diese im Bereich von 1 bis 10 mg/kg. Bislang wurde kein maximal zulässiger Höchstgehalt für Blei in Meeresalgen festgelegt. Die untersuchten Algenproben weisen zudem hohe durchschnittliche Arsengehalte von etwa 25 mg/kg auf. Diese liegen jedoch nahezu ausschließlich in der organisch gebundenen Form vor. Ob das Arsen in dieser Form ein ähnliches Risiko darstellt wie anorganisches Arsen, ist bislang noch unklar.

Keine sichere B12-Quelle

Von besonderem Interesse für Vegetarier und Veganer ist aktuell das Thema Vitamin B12 aus pflanzlichen Quellen. Algen gelten als die einzigen pflanzlichen Lebensmittel, die Vitamin B12 in nennenswerten Mengen enthalten. Dabei sind die Gehalte teilweise höher als in tierischen Lebensmitteln. Allerdings muss dabei beachtet werden, ob es sich um die biologisch aktive und für den Menschen verwertbare Form handelt oder um inaktive B12-Analoga (Pseudo-B12).

Von den essbaren Makroalgen weisen Nori (Enteromorpha) und Seegras (Porphyra) hohe Gehalte an Vitamin B12 in seiner biologisch aktiven Form auf. Von den Mikroalgen, die als Nahrungsergänzungen angeboten werden, enthält Chlorella nennenswerte Mengen. Spirulina weist in Nährwerttabellen zwar sehr hohe B12-Werte auf, allerdings nur als inaktives Pseudovitamin. Hinzu kommt, dass aktives Vitamin B12 bei der Verarbeitung und Trocknung offenbar teilweise in inaktives umgewandelt wird. So enthalten frische Nori-Blätter rund 73 Prozent des B12 in aktiver Form, wogegen in getrockneten Blättern die inaktive Form mit 65 Prozent überwiegt. Allerdings stammen diese Angaben über die Verwertbarkeit der in Algen enthaltenen verwertbaren Form von Vitamin B12 aus Laborversuchen mit Verdauungsenzymen sowie Fütterungsversuchen mit Vitamin-B12-mangelversorgten Ratten.

Untersuchungen mit kleinen Versuchsgruppen über einen beschränkten Zeitraum geben Hinweise, dass bestimmte Algen möglicherweise zur Versorgung mit Vitamin B12 beitragen könnten. Jedoch fehlen bis heute großangelegte, kontrollierte Studien, die die Verfügbarkeit für den Menschen sicher nachweisen. Vegetarier und Veganer können deshalb den Verzehr von Algen oder Algenprodukten nicht als sichere Quelle für Vitamin B12 ansehen.

Risiken nicht unterschätzen

Algen bieten durch ihren Nährstoffreichtum vielfältige Möglichkeiten, den Speiseplan sinnvoll zu ergänzen. Für die Versorgung mit Omega-3-Fettsäuren stellen sie eine gute gesundheitliche und ökologisch sinnvolle Alternative zum Fischverzehr dar. Als Ergänzung für die Jodversorgung sind sie allerdings aufgrund möglicher Überdosierung wenig geeignet. Bei Vitamin B12 bleibt vorerst noch unklar, ob sie bei einer pflanzenbasierten Ernährungsweise eine ausreichende Versorgung sicherstellen können. Vegetariern und Veganern ist hier eher der Griff zu kontrollierten und in ihrer Dosierung klar deklarierten Präparaten zu empfehlen und eine regelmäßige Kontrolle des Vitamin-B12-Status beim Arzt (siehe UGBforum 4/20).

Von exzessivem Verzehr von Algen oder Algensupplementen ist generell abzuraten. Besser ist eine abwechslungsreiche Ernährung mit frischen, gering verarbeiteten Lebensmitteln. Dazu können auch Algen den Speiseplan hin und wieder bereichern. Empfehlenswert ist, bei der Auswahl Produkte aus Deutschland oder Europa zu bevorzugen. Sie werden unter kontrollierten Bedingungen gezüchtet und früher geerntet, um die Anreicherung von Schwermetallen zu vermeiden. Unzureichend deklarierte Produkte beispielsweise aus Asien sind eher mit Vorsicht zu genießen.

Literaturangaben

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Essen aus dem  Meer Den vollständigen Beitrag lesen Sie in:
UGBforum 4/2021
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