Fair oder Bio?

Bewusste Verbraucher greifen zu Bioprodukten, um die ökologische Landwirtschaft zu unterstützen und möglichst unbelastete Lebensmittel zu bekommen. Aber ist Bioware eigentlich fair gehandelt? Und gibt es für faire Produkte ökologische Kriterien?

Fairer Handel

Unzählige Bauern in den armen Ländern dieser Welt hängen von Großgrundbesitzern und dem Diktat des Weltmarktpreises für Kaffee, Kakao oder Bananen ab. Geht die Ernte verloren, wie im letzten Herbst durch die Hurrikans in Mittelamerika, stehen viele vor dem Nichts. Bei der Posi, einer Genossenschaft von mexikanischen Kaffeebauern, fegten die Stürme zum Beispiel 40 Prozent aller Parzellen fort. Die Bauern hatten Glück im Unglück, denn die Genossenschaft gehört der gepa an, der größten fairen Handelsorganisation Europas. Sie setzt sich seit über 30 Jahren dafür ein, dass mehr als 150 Genossenschaften und Vermarktungsorganisationen in Afrika, Asien und Lateinamerika für ihre Produkte gerechte Preise erhalten. Die Posi-Mitglieder kommen jetzt beispielsweise durch Vorfinanzierungen rasch zu Geld für den Wiederaufbau.

Was bedeutet Fairer Handel?

Ohne fairen Handel leben die Bauern in den Schwellen- und Entwicklungsländern vielfach unter erbärmlichen Bedingungen. Oftmals werden sie von den reichen Importnationen als Arbeitskräfte ausgenutzt, erhalten wenig Lohn und sind gezwungen, mit großen Mengen giftiger Pflanzenschutzmittel zuhantieren. Selbst Kinder müssen arbeiten. Faire Handelsorganisationen dagegen schließen langfristige Verträge mit den Bauern ab, garantieren angemessene Löhne und soziale Arbeitsbedingungen. Das sichert den Lebensunterhalt von mittlerweile über einer Millionen Bauernfamilien. Durch die Mehreinnahmen können zum Beispiel Trinkwasseranlagen errichtet und Schulen eröffnet werden. Vertrieben werden die Waren von fairen Handelsorganisationen wie BanaFair, dwp, gepa, Podi Mohair oder El Puente, die dafür das Fairtrade-Siegel beantragen können. In Deutschland kümmert sich der Verein TransFair um die Vergabe des internationalen Fairtrade-Logos vom Dachverband der Faitrade Labelling Organisation (FLO) und wirbt bei den Verbrauchern für fairen Einkauf. Das Sortiment fair gehandelter Waren wächst stetig und so findet man neben Kaffee und Tee längst auch Mangos, Ananas, Schokolade oder Honig. Doch noch stammen nicht alle fair gehandelten Produkte aus ökologischem Anbau. Das liegt daran, dass zu Beginn des fairen Handels in den 1970er Jahren vorrangiges Ziel war, die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Bauern zu verbessern. Ökologische Kriterien spielten damals kaum eine Rolle.

Bio - die andere Seite der Medaille

Die ökologische Landwirtschaft steht für artgerechte Tierhaltung und Verzicht auf synthetische Dünge- und Pflanzenschutzmittel sowie Gentechnik. In den Entwicklungsländern ist zertifizierter Biolandbau bisher eher selten. Denn wer seine Ware als Bio verkaufen will, muss strenge Kriterien erfüllen. Der traditionelle Anbau in den Entwicklungsländern ist oft umweltgerecht, weil die Bauern kein Geld für Pestizide haben. Außerdem liegen viele Anbauflächen so ungünstig, dass sie sich nur mit Handarbeit bestellen lassen. Doch von der umweltfreundlichen althergebrachten Landwirtschaft haben sich viele verabschiedet, denn ein geregeltes Einkommen ist nicht garantiert. Um zu überleben, arbeiten etliche Bauern für Großgrundbesitzer und müssen deren Bedingungen erfüllen, beispielsweise gentechnisch verändertes Saatgut einsetzen. Die in Monokulturen angebauten Exportschlager wie Kaffee oder Bananen sind besonders anfällig für Krankheiten und Schädlinge. Der daraus resultierende Großeinsatz von Pestiziden macht die abhängigen Arbeiter krank und schadet der Natur.

Da Bioanbau mit seinen Richtlinien zum Umweltschutz auch die Gesundheit der Menschen schützt, gibt es von der FLO mittlerweile ökologische Mindeststandards für den fairen Handel. Dazu gehört unter anderem ein beschränkter Einsatz von Pestiziden oder der Schutz des WassersDoch Bioanbau ist in den ersten Jahren häufig mit geringeren Erträgen verbunden. Dazu sind viele Genossenschaften wirtschaftlich nicht in der Lage. Das Geld für die Umstellung auf Bioanbau und die Zertifizierung muss erst durch den Verkauf von fairen Produkten verdient werden. Die Bauern müssen zudem motiviert sein, das nötige Fachwissen für den Bioanbau zu erlernen und entsprechende Standards einzuhalten. Dafür ist nicht zuletzt eine bessere Ausbildung erforderlich. Nur wer sich zum Beispiel mit natürlichem Pflanzenschutz oder den richtigen Fruchtfolgen auskennt, kann diese konsequent umsetzen. Um die Umstellung auf ökologische Landwirtschaft zu fördern, zahlen die fairen Handelsorganisationen den Bauern inzwischen auf den normalen Mehrpreis noch einen Bioaufschlag. Die Strategie zeigt Erfolg: Im letzten Jahr ist der Anteil an Biolebensmitteln bei TransFair-Ware auf 64 Prozent gestiegen. Bei gepa wird inzwischen der überwiegende Anteil der Lebensmittel in Bioqualität angeboten.

Billig-Bio ist selten Fairer Handel

Bio ist jedoch nicht gleich Bio. Im Gegensatz zu Waren der bekannten Anbauverbände wie Bioland und Demeter oder etablierter Naturkosthersteller wie Naturata ist Billig-Bio in Discountern wie Aldi nur deshalb so preiswert, weil entsprechende Mengen produziert werden. Und dies erfolgt leider nicht auf Basis fairer Handelsbeziehungen. Um die oft rigiden Forderungen der Großexporteure zu erfüllen, müssen die vertraglich gebundenen Bauern doch wieder Monokulturen mit entsprechenden Folgen für die Umwelt betreiben. Die Böden werden ausgelaugt und die natürliche Vielfalt verschwindet. Zwar helfen feste Abnahmen und der Verzicht auf Pestizide den Bauern, doch ihre Gewinne sind extrem gering - und die Rechte für das Bio-Zertifikat ihrer Bananen sind sie auch los. Die Multis bestimmen wohin verkauft wird und stecken den Großteil des Gewinns in die eigene Tasche. Trotzdem stehen sie dank ihrer Bioaktivitäten bei uns mit einem guten Image da.

Fairer Handel und BIO - Kombination tut allen gut

"Wer Menschenrechte verletzt, darf nicht mit dem Begriff Bio für seine Produkte werben", heißt es in den Leitlinien des weltweiten Bio-Dachverbandes IFOAM. Obwohl es dem ganzheitlichen Anspruch der ökologischen Landwirtschaft entspricht, gehören soziale Gerechtigkeit und fairer Handel bisher nicht zu den Vorschriften der EG-Öko-Verordnung. In der Vergangenheit gab es beispielsweise auch Kritik an einzelnen Biofirmen, die zwar ökologisch anbauten, aber die Arbeiter nicht gerecht entlohnten und keine sozialen Standards einhielten. Deshalb engagiert sich die IFOAM momentan darin, entsprechende Standards zu entwickeln, die weltweit sinnvoll und messbar sind.

So bewegen sich beide Richtungen aufeinander zu. Und oft ist die "Ehe" zwischen Bio und Fair schon vollzogen. Einige Naturkostfirmen wie Lebensbaum oder Rapunzel werben mit eigenem Label für faire Partnerschaften. Sie fördern eine langfristige und vertrauensvolle Kooperation mit den Erzeugern durch regelmäßige Besuche vor Ort. Dabei beraten die Biofirmen die Bauern in fachlichen Fragen, beispielsweise über die Vorteile einer Mischkultur, zeigen ihnen schonende und effiziente Verarbeitungsmethoden und klären sie über Qualitätssicherung und Vermarktung auf.Für eine weitreichende Verknüpfung von Bio und Fair gilt es nun, im weltweiten Handel die Richtlinien für fairen Handel und Bioanbau zu harmonisieren. Kooperieren und nicht konkurrieren, heißt das Motto für beide Seiten. Dann müssen sich engagierte Verbraucher nicht mehr länger zwischen TransFair- und Biosiegel entscheiden.

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Pabel, B.: UGB-Forum 1/06 S. 48-49