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Infektionen: Mit Lebensmitteln vorbeugen

Einigen Inhaltsstoffen unserer Nahrung werden Wirkungen gegen krankheitserregende Bakterien nachgesagt. Vor allem sekundäre Pflanzenstoffe sollen Erkältungen und anderen Infektionen vorbeugen. Können Kohl, Knoblauch oder Zwiebeln tatsächlich helfen?

Vielleicht kennen Sie aus Ihrer Kindheit noch die Hausmittel Ihrer Mutter. Bei Erkältungen bekamen die Kinder abends vor dem Schlafengehen heißen Zitronensaft mit Honig oder Holunderbeersaft. Wer hustete, dem wurde ein Sirup aus Zuckerwasser und Zwiebeln bereitet. Ob diese volksheilkundlichen Rezepte wohl geholfen haben? Heute mehren sich die Hinweise, daß die alten Hausmittelchen tatsächlich sinnvoll sind. In den letzten 20 bis 30 Jahren wurde viel über die gesundheitlichen Wirkungen von Nahrungsinhaltsstoffen geforscht. Insbesondere die sekundären Pflanzenstoffe, die bislang kaum eine Rolle in der Ernährungsforschung gespielt hatten, rückten in den Vordergrund. So wissen wir heute, daß Zitronensaft neben reichlich Vitamin C auch Flavonoide enthält, die die antioxidative Wirkung des Vitamins ergänzen und zudem antimikrobiell, das heißt keimhemmend wirken. Der Saft aus Holunderbeeren ist ebenfalls reich an Flavonoiden, und auch Zwiebeln enthalten antimikrobiell wirkende Flavonoide und Sulfide.

Substanzen aus Lebensmitteln machen Erregern das Leben schwer

Inhaltsstoffe unserer Nahrung können Infektionen auf zweierlei Art vorbeugen. Zum einen stärken bestimmte Verbindungen die körpereigenen Immunfunktionen, und zum anderen greifen einige Stoffe die Krankheitserreger direkt an. Die Immunfunktionen werden besonders durch Substanzen mit antioxidativen Fähigkeiten wie Vitamin C oder Carotinoide unterstützt, denn aktivierte Immunzellen verbrauchen mehr Antioxidantien als im Ruhezustand. Dieser erhöhte Bedarf ist darauf zurückzuführen, daß Immunzellen, die mit krankheitserregenden Mikroorganismen in Kontakt kommen, innerhalb kurzer Zeit große Mengen an Sauerstoffradikalen produzieren, womit sie die Krankheitserreger abtöten. Damit die Immunzellen bei diesem Vorgang nicht selbst geschädigt werden, schützen sie sich mit antioxidativen Substanzen.

Durch diesen Effekt läßt sich auch die vorbeugende Wirkung von Vitamin C bei Erkältungen erklären. Wie schwedische Wissenschaftler in einer Studie nachgewiesen haben, hat die prophylaktische Einnahme von Vitamin-C-Präparaten jedoch nur eine begrenzte Wirkung. Die Dauer von Erkältungskrankheiten läßt sich durch die zusätzliche Gabe von Vitamin C zwar reduzieren, eine regelmäßige Einnahme hat aber keinen Einfluß auf die Häufigkeit von Infektionen. Dies ist ein Indiz dafür, daß Vitamin C bei der Infektionsabwehr verbraucht wird und daß es sinnvoll ist, die Zufuhr im akuten Fall zu steigern, sei es durch Supplemente oder besser noch durch vitamin-C-reiches Obst und Gemüse.

Antimikrobielle Wirkung erst wenig erforscht

Während die antioxidativen Eigenschaften von Nahrungsinhaltsstoffen momentan im Mittelpunkt der Ernährungsforschung stehen, wurde ihre keimhemmende Wirkung bisher nur anhand von einigen Beispielen untersucht. Demnach ist Knoblauch vermutlich die Nahrungspflanze mit der stärksten antimikrobiellen Wirkung. Schon eine heilkundliche Schrift aus der Zeit um 1550 v. Chr. berichtet, daß mit diesem Zwiebelgewächs Infektionen behandelt wurden. Einen wissenschaftlichen Beweis für solche Wirkungen erbrachte jedoch erst Louis Pasteur im Jahre 1858. Noch im Zweiten Weltkrieg wurde Knoblauch als Antiseptikum gegen Wundbrand eingesetzt. Mit der Entdeckung der Sulfonamide und Antibiotika durch die moderne Medizin sind diese Kenntnisse allerdings in Vergessenheit geraten.

Mehrere Studien aus den letzten Jahren zeigen, daß die antimikrobielle Wirkung des Knoblauchs auf Sulfide zurückzuführen ist. Diese schwefelhaltigen Substanzen wirken in Laborversuchen gegen ein breites Spektrum von Bakterien, Pilzen und Viren. Interessant ist, daß Knoblauchsaft schon in geringen Konzentrationen Wirkung zeigt. So unterdrückte verdünnter Knoblauchsaft das Wachstum von Mikroorganismen in Experimenten mit Zellkulturen noch in einer Verdünnung von 1:125.000. Eine kürzlich in der Fachzeitschrift "Nutrition and Cancer" veröffentlichte Studie berichtet, daß Knoblauch auch das Wachstum von Helicobacter pylori, dem vermutlichen Verursacher von Magengeschwüren und Magenkrebs, hemmen kann.

Knoblauch geht Bakterien an den Kragen

Das wirksamste Sulfid des Knoblauchs ist das Allicin, das mit Hilfe eines pflanzeneigenen Enzyms aus der inaktiven Vorstufe Alliin entsteht. In Vergleichsuntersuchungen wurde festgestellt, daß ein Milligramm Allicin ebenso gut gegen manche Mikroorganismen wirkt wie 15 Internationale Einheiten Penicillin. Über die Art und Weise, wie Allicin Mikroorganismen bekämpft, sind sich die Experten noch uneinig. Möglicherweise werden die Enzyme der Erreger inaktiviert.

Neben Knoblauch enthalten auch andere Vertreter der Zwiebelgewächse schwefelhaltige Substanzen. Ihre antimikrobielle Wirksamkeit wurde jedoch bisher nicht so genau erforscht wie die des Knoblauchs. In Zwiebeln ist noch eine weitere Substanz enthalten, die im Tierversuch gegen Viren aktiv war. Es ist das Quercetin, das zu den Flavonoiden zählt. Auch in Zitrusfrüchten kommen Flavonoide vor und zwar in einer besonderen chemischen Form, die bereits in äußerst geringen Konzentrationen antimikrobiell wirkt.

Moosbeerensaft spült Keime aus dem Körper

Beerenfrüchte sind ebenfalls reich an sekundären Pflanzenstoffen mit antimikrobieller Wirkung. Die Verbindungen zählen chemisch gesehen zur Klasse der Phenolsäuren. In Zellkulturen und Tierversuchen waren sie gegen Viren wirksam. Bei Patienten, die unter Harnwegsinfektionen litten, wirkte der Saft von Moosbeeren in einer klinischen Studie günstig auf den Verlauf der Krankheit. Moosbeeren sind in den USA beheimatet und ähneln unseren Preiselbeeren. Nachdem die Studienteilnehmer einen halben Liter dieses Saftes getrunken hatten, konnten sich die krankheitserregenden Bakterien nicht mehr so gut an die Schleimhaut der Harnwege heften. Dadurch wurden sie vermehrt mit dem Urin ausgeschieden. In einer weiteren klinischen Studie tranken ältere Frauen über einen Zeitraum von einem halben Jahr täglich etwa 300 Milliliter Moosbeerensaft. Bei ihnen traten in dieser Zeit nur halb so häufig Harnwegsinfektionen auf wie in der Vergleichsgruppe. Es ist zu erwarten, daß einige Hersteller sich diese Erkenntnisse schon bald zunutze machen und spezielle Fruchtsäfte als "Functional Food" anbieten, die mit Hinweisen auf die gesundheitlichen Wirkungen beworben werden.

Kohl tut wohl

Kreuzblütler sind eine weitere Pflanzenfamilie mit ausgeprägten antimikrobiellen Eigenschaften. Zu ihnen zählen neben Meerrettich, Kresse und Senf auch alle Kohlgemüse. Verantwortlich für die keimhemmende Wirkung der Kreuzblütler sind in erster Linie die Isothiozyanate, die auch als Senföle bezeichnet werden. Die wirksamste Verbindung ist vermutlich das Benzyl-Isothiozyanat, das in Kresse besonders reichlich vorkommt. Die in Zellkulturen und Tierversuchen beobachteten antimikrobiellen Wirkungen richten sich gegen Bakterien, Pilze und Viren. In einer Studie wurde festgestellt, daß bereits nach dem Verzehr von 10 bis 40 Gramm Garten- oder Kapuzinerkresse bzw. von Meerrettich in den ableitenden Harnwegen eine therapeutisch wirksame Konzentration an antimikrobiellen Substanzen auftritt. Allerdings bleibt der Effekt der Isothiozyanate auf die Nieren, Harnwege und Harnblase beschränkt. Denn diese Verbindungen werden in der Leber innerhalb kurzer Zeit in harnlösliche Substanzen überführt und anschließend mit dem Urin ausgeschieden.

Vorbeugen besser als heilen

Es gibt also durchaus sekundäre Pflanzenstoffe, die bei der Abwehr von Infektionen nützlich sein können, auch wenn die wissenschaftlichen Daten noch lückenhaft sind. Für die praktische Anwendung dieser Erkenntnisse muß jedoch berücksichtigt werden, daß die Konzentrationen der antimikrobiellen Wirkstoffe in Nahrungsmitteln - mit Ausnahme des Knoblauchs - häufig recht niedrig sind. Zudem sind sie deutlich weniger wirksam als pharmazeutisch hergestellte Antibiotika. Somit kommt den antimikrobiellen Nahrungsinhaltsstoffen eher eine vorbeugende Bedeutung zu. Bei bereits vorhandenen Infektionen können die Verbindungen allenfalls in der Anfangsphase nutzen, also dann, wenn die krankheitserregenden Mikroorganismen sich noch nicht übermäßig vermehrt haben. Aus diesem Grund ist es ratsam, schon bei den allerersten Krankheitsanzeichen zu reagieren. Dann haben die alten Hausmittelchen durchaus ihre Berechtigung. Wer will, kann die wirkungsvollen Verbindungen auf vielerlei schmackhafte Art genießen. Morgens einen frisch gepreßten Orangensaft, mittags eine Portion Tzatziki mit viel frischem Knoblauch, dazu einen Krautsalat oder einen Salat mit frischen Zwiebeln und abends vor dem Schlafengehen einen heißen Zitronensaft mit Honig. Wie sagte meine Mutter noch: "Wir wissen zwar nicht, ob es hilft, aber schaden tut es auf keinen Fall!"

LITERATUR:
GROENEVELD, M.; LEITZMANN, C.: Gesundheit kann man essen. dtv, München 1997
WATZL, B.; LEITZMANN, C.: Bioaktive Substanzen in Lebensmitteln. Hippokrates Verlag, Stuttgart 1995

Quelle: Groeneveld, M.: UGB-Forum 1/99, S. 39-41

weitere Informationen finden Sie hier:
Lustvoll schlemmen mit bioaktiven Substanzen – Power-Food


Dieser Beitrag ist dem UGB-Archiv entnommen.

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