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Hilft eine kohlenhydratarme Ernährung bei der Behandlung von Krebs?

Auch wenn es Hinweise auf einen veränderten Stoffwechsel bestimmter Krebszellen gibt, ist die Wirksamkeit der kohlenhydratarmen oder ketogenen Diät nicht wissenschaftlich erwiesen. Um eine Mangelversorgung von Krebspatienten zu vermeiden und ihnen ein wichtiges Stück Lebensqualität zu erhalten, wird derzeit von speziellen Diäten bei Krebserkrankungen abgeraten.

Die meisten gesunden Zellen sind in der Lage, ihren Stoffwechsel so einzustellen, dass sie nicht auf Glucose als Energielieferant angewiesen sind. Sie können ihren Energiebedarf auch aus dem Abbau von Fetten und Ketonkörpern decken. Nur wenige Zellen benötigen zwingend Glucose als Energiequelle. Dazu gehören neben den roten Blutkörperchen auch die Gehirnzellen. Letztere können zwar einen Tei ihres Energiebedarfs über Ketonkörper decken, doch benötigen sie auch immer einen gewissen Anteil an Glucose. Dieser Bedarf kann durch die Gluconeogenese gedeckt werden, also die Neubildung von Glucose aus Abbauprodukten von Fett und Eiweiß in der Leber.

Krebszellen hingegen nutzen Glucose als einzige Energiequelle. Sie gewinnen ihre Energie ausschließlich ohne Sauerstoff durch Vergärung von Glucose zu Laktat. Dieser Abbauweg liefert eine sehr viel geringere Ausbeute als der aerobe Abbau von Glucose. Dadurch benötigen die entarteten Zellen besonders viel Glucose, um ihren Energiebedarf decken zu können. Bei manchen Krebszellen läuft die Vergärung über einen anderen Stoffwechselweg als beispielsweise in einer gesunden Muskelzelle, nämlich über das Enzym Transketolase 1. Mit einer kohlenhydratarmen Ernährung sollen die Krebszellen "ausgehungert" werden. Die gesunden Zellen sollen gezwungen werden, sich auf die Nutzung von Ketonkörpern als Hauptenergiequelle umzustellen und den Krebszellen somit ihre Wachstumsgrundlage zu entziehen. Die "unsterblichen" Zellen würden absterben. Dazu soll auf kohlenhydratreiche Lebensmittel wie Getreideprodukte wie Brot, Reis und Nudeln aber auch Kartoffeln verzichtet und vermehrt auf fett- und eiweißreiche Lebensmittel wie Nüsse, Milch und Milchprodukte, Fleisch und Fettfisch sowie hochwertige Öle zurückgegriffen werden. Auch die meisten Gemüse und viele Obstsorten sind erlaubt. Momentan gibt es aber noch keinen wissenschaftlichen Beleg für die Wirksamkeit einer solchen Ernährung bei Krebs.

Einen weiteren hemmenden Effekt auf das Krebswachstum soll die geringere Insulinausschüttung bewirken. Die öl- und eiweißreiche Ernährung verhindert einen schnellen Anstieg des Blutzuckerspiegels. Dadurch wird sehr viel weniger Insulin ausgeschüttet als nach einer kohlenhydratreichen Mahlzeit. Möglicherweise wirkt Insulin als Wachstumsfaktor für Tumorzellen. Durch die geringeren Insulinspiegel sollen die Krebszellen somit weniger Wachstumssignale erhalten.

An der Frauenklinik der Universitätsklinik Würzburg können Patientinnen seit 2007 ihre Ernährung unter ärztlicher Begleitung auf eine ketogene Diät umstellen. Dort ist man mit den bisherigen Ergebnissen sehr zufrieden, die Kost verhindert den krebsbedingten Gewichtsabbau und scheint für das Tumorwachstum nachteilig zu sein. Die endgültigen Ergebnisse einer 2007 begonnenen Studie stehen noch aus.

Der Tumorbiologe Dr. Friedrich Coy war an der Entdeckung der Bedeutung des veränderten Stoffwechsels von Krebszellen, der sich in der Aktivität der Transketolase 1 widerspiegelt, beteiligt. Aus diesen Erkenntnissen entwickelte er das "Coy-Prinzip", das in weiten Teilen den Vorgaben einer ketogenen Diät entspricht. Leider hat Dr. Coy auch das Vermarktungspotenzial dieser Ernährungsweise erkannt und vertreibt nun in einer eigens gegründeten GmbH Produkte zur "Anti-Krebs-Diät". Diese Produkte sind sehr teuer und ihr Nutzen ist teilweise zumindest fragwürdig. Außerdem bewirbt Dr. Coy sein Prinzip inzwischen nicht mehr nur als Unterstützung zur Therapie bei Krebs sondern auch als diätetische Vorsorgemaßnahme. Dass durch eine ketogene Diät Krebs vorgebeugt werden kann, ist aber ebenfalls nicht wissenschaftlich bewiesen.

Verschiedene Einrichtungen wie die Deutsche Krebsgesellschaft oder das Deutsche Krebsforschungszentrum weisen darauf hin, dass es bisher keine "Krebs-Diät" gibt, deren Erfolge zweifelsfrei belegt wären. Sie empfehlen, sich so "normal" wie möglich zu ernähren und dabei auf eine ausreichende Versorgung mit Energie und allen Nährstoffen zu achten. Gerade bei einer schweren Erkrankung wie Krebs ist dies von besonderer Bedeutung. Die bei fortgeschrittenen Krebserkrankungen auftretende Auszehrung (Kachexie) begünstigt einen negativen Verlauf der Krankheit. Strikte Diätvorgaben nehmen den Betroffenen außerdem oft den Appetit und die Freude am Essen. Eine Mangelernährung wird dadurch weiter begünstigt.

Nadja Graßmeier/WF

Literatur:
Coy JF, Franz M: Die neue Anti-Krebs Ernährung - Wie Sie das Krebs-Gen stoppen. 2. Auflage, Gräfe und Unzer Verlag GmbH, München 2009
Krebsgesellschaft Nordrhein-Westfalen e.V. (Hrsg.): Mit Leib und Seele leben - Was Krebserkrankte für sich tun können. Informationsbroschüre, Düsseldorf 2009
N.N.: Informationen zur kohlenhydratarmen/ öl-eiweißreichen (ketogenen) Ernährung für Tumorpatienten. http://www.frauenklinik.uni-wuerzburg.de/forschung/ketogene_diaet.htm, 2009 (eingesehen am 16.09.2009)
N.N.: Informationen für Patienten: Die Ketogene Ernährung bei Krebserkrankungen. http://www.frauenklinik.uni-wuerzburg.de/pdf/info_ketogene_diaet_11-08_vers2.pdf, 2008 (eingesehen am 08.09.2009)
N.N.: Ernährung für Krebspatienten: Kann eine Krebserkrankung durch eine Diät beeinflusst werden? http://www.krebsinformationsdienst.de/themen/behandlung/ernaehrung-therapie-links.php, 2006 (eingesehen am 08.09.2009)
Robert Emmerich: Wenig Kohlenhydrate für Krebspatienten. http://www.uni-wuerzburg.de/sonstiges/meldungen/single/artikel/wenig-kohl/, 2007 (eingesehen am 16.09.2009)

Stand: 2010