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Jodversorgung: Zu viel und zu wenig ein Problem

In Deutschland leiden schätzungsweise etwa 30 Millionen Menschen unter einer Fehlfunktion der Schilddrüse – häufig ohne es zu wissen. Die Gesundheit der Schilddrüse steht und fällt mit einer guten Jodversorgung. Doch sowohl ein Mangel als auch ein Überschuss kann Erkrankungen auslösen.

Damit die Schilddrüse ihre umfangreichen Aufgaben erfüllen kann, benötigt sie vor allem eines: Jod. Dieser Mineralstoff ist ein lebensnotwendiger Baustein der Schilddrüsenhormone Thyroxin (T3) und Trijodthyronin (T4). Da Jod zum Beispiel über den Abbau der Hormone ausgeschieden wird, müssen immer ausreichende Jodmengen zugeführt werden. Die Devise „viel hilft viel“ ist bei Jod allerdings unangebracht.

Körper reguliert Jodspiegel

Der genaue Jodbedarf ist schwierig zu ermitteln, da sich der Körper innerhalb gewisser Grenzen an ein unterschiedliches Jodangebot in der Nahrung anpassen kann. Bei guter Versorgung kann die Schilddrüse etwa 10 Milligramm (mg) Jod speichern und so den Bedarf für etwa 3-6 Monate decken. Eine kurzzeitig erniedrigte Jodzufuhr bedeutet somit nicht sofort einen Jodmangel. Der Jodbedarf hängt auch von äußeren Faktoren ab wie Alter, Umweltbelastung (Rauchen, Nitratzufuhr) und der Aufnahme kropfbildender pflanzlicher Nahrungsbestandteile, die zum Beispiel in Kohlarten und Rettich, aber auch in Mais und Hirse stecken. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfiehlt mit Sicherheitszuschlägen eine tägliche Zufuhr von 180-200 Mikrogramm (µg) Jod.

Jod findet man vor allem in den Ozeanen. Daher haben Lebensmittel, die aus dem Meer kommen, einen recht hohen Jodgehalt. Die Böden hierzulande gelten dagegen als jodarm. Folglich liefern auch die pflanzlichen Lebens- und tierischen Futtermittel, die auf diesen Böden wachsen, wenig Jod. Je nach Art der Düngung, Jodzusatz im Futter oder Zusatz von Jodsalz bei der Verarbeitung beeinflusst aber die Erzeugung der Lebensmittel ihren Jodgehalt. Durch Anreicherung des Tierfutters tragen Milchprodukte und Eier heute erheblich zur Jodversorgung bei (siehe Tabelle). Bei Kindern stammen immerhin 38 Prozent des aufgenommenen Jods mittlerweile aus Milch und Milchprodukten, wie das Forschungsinstitut für Kinder­ernährung in Dortmund ermittelt hat. Unser Trinkwasser weist ein deutliches Nord-Süd-Gefälle auf, mit 6,1 µg Jod pro Liter im Norden und 1,6 µg im Süden. Je nach Region sind auch manche Heil- und Mineralwässer gute Jodlieferanten.

Jodgehalt in Lebensmitteln

jodiertes Speisesalz1500-2500
Meersalz 5-50
Schellfisch 243-416
Miesmuscheln,Garnelen, Krabben130
Kabeljau120-172
Alaska Seelachs103
Gold-, Rotbarsch74-99
Hering, Makrele52
Thunfisch50
Seezunge17
Champignons, Gemüse2,5-8
Süßwasserfische4
jodreiche Mineral und Heilwässer2000 - 5000
konventionelle Milch7,5-20
Biomilch ca.2
Eier 8,5-9,8

Angabe in µg/100 g bzw. 100 ml verzehrbarem Anteil, Durchschnittsmengen.

Fisch und Jodsalz lautet die Empfehlung

Die wichtigsten natürlichen Jod­quellen sind Meeresfisch und sogenanntes Seafood, also Meeresfrüchte wie Muscheln, Garnelen etc. Extrem jodreich sind Seetang bzw. bestimmte Algen, vor allem Braunalgen (Arame, Kombu, Wakame und Hijiki), die zum Beispiel als Würzmittel eingesetzt werden. Die für Sushi verwendeten Rotalgen enthalten weniger Jod. Die Jodgehalte schwanken je nach Algenart erheblich und liegen zwischen 5 und 11.000 µg/g Trockengewicht. Schon mit ein bis zehn Gramm Algen kann die maximal empfohlene Aufnahmemenge von 500 µg Jod pro Tag deutlich überschritten werden. Algenstückchen finden sich etwa auch in Asia-Reiscrackern oder ähnlichem Knabbergebäck. Das Studieren der Zutatenliste ist daher unumgänglich. Algen ohne Jod­angaben sollten besser im Regal liegen bleiben, insbesondere wenn Probleme mit der Schilddrüse vorliegen.

Für eine ausreichende Jodversorgung empfiehlt die DGE, ein- bis zweimal pro Woche Seefisch zu essen und in der Küche ausschließlich jodiertes Salz zu verwenden. Aus ökologischen Gründen ist allerdings maximal eine Portion Meeresfisch vertretbar. Die Menge Jod, die mit jodiertem Speisesalz zugeführt wird, ist nach gängiger wissenschaftlicher Ansicht auch bei Unter- oder Überfunktion der Schilddrüse und bei der sogenannten Jodakne unbedenklich. Die Einnahme über Nahrungsergänzungsmittel ist nur für bestimmte Risikogruppen zu überlegen und sollte immer mit dem Arzt besprochen werden. Da bereits eine geringe Unterversorgung mit Jod die Entwicklung des Ungeborenen negativ beeinflussen kann, steigt der Jodbedarf in der Schwangerschaft und die Empfehlung erhöht sich auf 230-260 µg/Tag. Schwangeren wird daher geraten, zusätzlich zum Verzehr von Meeresfisch, jodiertem Salz und Milchprodukten, täglich ein Supplement mit 100-150 µg Jod einzunehmen. Nur bei sehr seltenen krankheitsbedingten Fällen ist eine Jodprophylaxe mit Jodsalz und jodreichen Lebensmitteln (Meeresfische) nicht zu empfehlen.

Wer Fisch aus ökologischen Gründen ablehnt oder keine Milch mag oder verträgt, wer eine besondere Diät einhalten muss oder ausschließlich vegan isst, sollte auf die konsequente Verwendung von jodiertem Speisesalz achten und seine Jodversorgung in gewissen Zeitabständen überprüfen lassen. Gegebenenfalls müssen Supplemente die Versorgung ergänzen.

Jodversorgung in der Bevölkerung

Die Jodversorgung in Deutschland hatte sich durch verschiedene Maßnahmen seit den 1990er Jahren verbessert und die Weltgesundheitsorganisation WHO stuft Deutschland nicht mehr als Jodmangelgebiet ein. Eine Studie des Forschungsinstituts für Kinderernährung in Dortmund zur Jodversorgung von Schulkindern zeigt jedoch, dass sich der Jodstatus seit 2004 allmählich wieder verschlechtert. Daraus lässt sich zwar nicht ableiten, dass die Mehrzahl der Kinder einen Jodmangel hat. Allerdings gilt die Situation als verbesserungswürdig. Experten führen die Entwicklung darauf zurück, dass die Lebensmittelhersteller mittlerweile wieder weniger Jodsalz verwenden. 2004 setzte noch gut ein Drittel der Unternehmen Jodsalz ein. Dieser Anteil liegt in Deutschland inzwischen deutlich unter 30 Prozent. Als Gründe werden unter anderem bestehende Handelshemmnisse auf EU-Ebene aufgrund unterschiedlicher Vorgaben, Billigimporte von nicht jodiertem Speisesalz und nicht jodierten Fertigprodukten sowie Preisunterschiede zwischen herkömmlichem und jodiertem Speisesalz angegeben.

Jodmangel kann schlimme Folgen haben

LebensphaseRisiken eines Jodmangels
Ungeborene Schwere, nicht rückgängig zu machende Schädigungen des Gehirns, des Skeletts und verschiedener Organe, vermehrt Missbildungen, Aborte und Totgeburten
NeugeboreneNeugeborenen-Kropf, Störungen der Gehirnreifung und des Wachstums, Hördefekte, Verzögerung der Skelettbildung
Pubertätjugendlicher Kropf, Lern- und Merkschwierigkeiten
ErwachseneKropf, Funktionsstörungen der Schilddrüse, oft mit verminderter Hormonproduktion, Verselbständigung der Schilddrüse, Störungen der Menstruation und Fruchtbarkeit

Kropf als Folge eines Jodmangels

Bei einem Jodmangel versucht die Schilddrüse den Mangel durch Wachstum zu kompensieren, um mehr Schilddrüsenhormone zu bilden. Die dadurch vergrößerte Schilddrüse kann langfristig zur Ein­engung der Luft- und Speiseröhre führen. Der entstehende Kropf – medizinisch Struma – muss dann operativ entfernt werden. Je nach Region lässt sich bei 15-30 Prozent der Deutschen ein Kropf feststellen. Besonders betroffen sind ältere Menschen, da Jüngere von der mittlerweile besseren Jodversorgung profitieren. Da ein Kropf in bestimmten Familien häufiger auftritt, gehen Experten davon aus, dass neben einem Jodmangel eine ererbte Störung der Jodverwertung, beispielsweise durch einen Defekt der Hormonbildung, an der Entstehung beteiligt ist. Ein Kropf kann sowohl bei Unter- als auch Überfunktion der Schilddrüse auftreten.

Ein größeres Risiko besteht in der Bildung von Schilddrüsenknoten. Eine Knotenbildung kann, muss aber nicht mit einem Kropf einhergehen. Werden unreguliert Hormone produziert, spricht man von heißen Knoten. Kalte Knoten speichern dagegen weniger Jod und können ein Hinweis auf Krebs sein, allerdings sind nur wenige Knoten tatsächlich bösartig. Zwei besondere Probleme entstehen, wenn eine Schilddrüse durch Jod­mangel vorgeschädigt ist: Wird bei einer medizinischen Behandlung überhöht Jod zugeführt, kann dies eine Überfunktion der Schilddrüse zur Folge haben. Zum anderen reichert die Schilddrüse auch radio­aktives Jod an, was zu Therapiezwecken genutzt wird.

Frühsymptome eines Jodmangels können mangelnde Antriebskraft, Depressionen und andere Befindlichkeitsstörungen sein. Weitere Anzeichen sind ständige Müdigkeit, Konzentrationsschwäche, spröde Haare oder auch Zyklusstörungen bei der Frau. Bei fortgeschrittenem Mangel werden viele Körperfunktionen langsamer und träger: geistige und körperliche Fähigkeiten lassen schneller und stärker nach, als es dem Alter entspricht. Die Haut kann trocken und schuppig werden, das Gesicht wirkt verquollen, es tritt Darmträgheit auf und die Betroffenen neigen zum Frieren sowie zu Infekten.

Jodzusatz oft nicht erkenntlich

Für den Einsatz von jodiertem Speisesalz gibt es eine Deklarationspflicht. Die Verwendung ist aber in Deutschland – anders als in der Schweiz und Österreich – freiwillig: Auf verpackten Lebensmitteln müssen die Hersteller im Zutatenverzeichnis „Jodsalz“, „jodiertes Speisesalz“ oder „jodiertes Nitritpökelsalz“ angeben. Der Jodgehalt einschließlich des natürlichen Gehaltes muss zwischen 15 und 25 mg/kg liegen, im Mittel sind es 20 µg Jod pro Gramm Salz. Bei unverpackt verkauften Lebensmitteln wie an der Käsetheke, beim Bäcker oder in der Gastronomie ist eine Kenntlichmachung aber nicht erforderlich. Seit 1995 können zudem Mineralstoffgemische zur Anreicherung des Tierfutters künstlich jodiert werden – auch in der ökologischen Landwirtschaft. Deshalb enthalten auch Milch oder Eier Jod, aber ohne dass es auf den Produkten angegeben wird. Das heißt, Verbraucher können sich nicht mehr für oder gegen eine Jodierung entscheiden. Frei von Jodierungszusätzen ist hierzulande nur noch Obst vom Baum, denn über Düngung gelangt Jod auch auf die Gemüse- und Getreidefelder. Es lässt sich daher schwer abschätzen, wie viel Jod wir täglich aufnehmen. Zu wenig Jod kann zum Beispiel einen Kropf verursachen, zu viel davon aber auch.

Kritiker stören sich an der „Zwangsjodierung“, die nicht berücksichtigt, dass einige Menschen Jod nicht vertragen. So soll die zusätzliche Verabreichung von Jod bei Patienten mit unerkannten Schilddrüsenstörungen zur Verschlimmerung des Krankheitsbildes führen. Das ist auch ein Grund, warum Schwangere vor der Einnahme von Jodtabletten ihre Schilddrüse untersuchen lassen sollten. Eine akute Blockade der Jodaufnahme durch die Schilddrüse, Hautreaktionen und Akne bei entsprechend veranlagten Personen, Verschlechterung einer vorbestehenden Hashimoto-Thyreoiditis gehören zu den möglichen Folgen von zu viel Jod. Zu den Risikogruppen, die bei der Einnahme von Jod vorsichtig sein sollten, zählen auch Menschen, die an Morbus Basedow oder einer Schilddrüsenautonomie leiden. Fachgesellschaften halten hier eine jodarme Ernährung oder den Verzicht auf jodhaltiges Salz aber nicht für erforderlich. Diskutiert wird allerdings, ob die Aufnahme von sehr hohen Jodkonzentrationen beispielsweise über jodhaltige Kontrastmittel oder bestimmte Medikamente autoimmune Schilddrüsenerkrankungen auslösen können.

Nitrat im Trinkwasser mitschuldig?

Ein weiterer Erklärungsansatz für die Kropfentstehung ist die Hypothese, dass nicht nur Jodmangel, sondern kropf­auslösende Fremdstoffe im Trinkwasser die Bildung begünstigen. Dazu zählt Nitrat, das durch die Landwirtschaft und Industrie bis ins Grundwasser gelangt. Eine hohe Aufnahme von Nitrat führte in Tierversuchen zu einer reduzierten Jodaufnahme und könnte so bei zu geringer Jodzufuhr einen Mangel noch verstärken. Allerdings waren die Nitrat-Konzentrationen, die diesen Effekt auslösten, mit 150 mg/l dreimal so hoch wie der zulässige Grenz­wert für unser Trinkwasser. Im Rahmen einer älteren Studie wurde bei Personen, die Trinkwasser mit einem Nitratgehalt von über 50 mg/l tranken, bereits eine Zunahme des Schilddrüsenvolumens beobachtet. Bei Trinkwasser mit geringerem Nitratgehalt trat keine Veränderung auf.

Verbesserte Deklaration notwendig

Die Aufnahme von ausreichend Jod und damit eine Jodierung von Speisesalz ist ohne Zweifel sinnvoll. Tatsache ist jedoch auch, dass Schilddrüsenkranke, die möglichst auf Jod verzichten sollten, es extrem schwer haben, dem Spuren­element aus dem Weg zu gehen. Daher sollte der Jodgehalt immer angegeben sein und auf allen Verpackungen ein Hinweis erfolgen, ob Jod bei der Herstellung eines Produktes eine Rolle spielt, wie zum Beispiel bei Milch oder Eiern. Die Einnahme von Jodsupplementen sollte nur aufgrund einer ärztlichen Empfehlung erfolgen. Auch auf jodhaltige Nahrungsergänzungsmittel sollte man verzichten, insbesondere wenn die Deklaration den Jodgehalt nicht genau angibt. Auch Algen sollte man nur essen, wenn der Jodgehalt bekannt ist.

Quelle: UGBforum 2/2015, S. 89-92
Foto: B. Gabriel/123RF.com