Tierfutter: Satte Profite

BSE, Hormone oder Dioxine - Futtermittel sind immer wieder Ausgangspunkt für Lebensmittelskandale. Nicht zuletzt die globale Vernetzung der Agrar- und Lebensmittelwirtschaft hat zu diesen Auswüchsen beigetragen.

Neben Futterpflanzen wie Getreide, Gras, Mais, Rüben, Raps und Soja wandern zu etwa 20 Prozent Abfälle aus der Lebensmittelindustrie in die Futtertröge: Biertreber, Trester aus der Weinherstellung, Presskuchen aus der Ölmühle oder Nebenprodukte aus der Molkerei- und Zuckerfabrikation landen auf dem Nutztier-Speisezettel. Vorteile sind die billige Entsorgung für die Lebensmittelwirtschaft und das preiswerte Futter für die Landwirte. Riskant wird es, wenn die zu entsorgenden Stoffe auf irgendeiner Produktionsstufe mit problematischen Substanzen behandelt wurden - oder das Futter gezielt als Entsorgungspfad für Giftstoffe missbraucht wird. Erst Ende 2004 wurden durch Kartoffelschalen Dioxine in die Nahrungskette eingeschleust. Die Kartoffeln waren zuvor mit Hilfe von stark dioxinbelastetem Tonmehl sortiert worden.

Giftstoffe werden systematisch verdünnt

Im Juni 2003 entdeckten die Behörden Krebs erregende PCBs und Dioxine in Futtermitteln. Ausgangspunkt waren aus Holland importierte Palm- und Kokosöle. Diese wurden in einer Chemiefabrik in Hessen zu 95 Tonnen Futterölen weiterverarbeitet und an Mischfutterwerke in vier verschiedenen Bundesländern geliefert. Große Mengen des vergifteten Futters gelangten in den Umlauf. Die Prozesse in der Agrar- und Lebensmittelwirtschaft sind so komplex und international vernetzt, dass unterschiedliche Behördenzuständigkeiten immer wieder Überwachungslücken ermöglichen. Egal ob absichtlich oder nicht - faktisch werden Giftstoffe in den Mischfutterwerken "verdünnt" und so belastete Futterchargen verfüttert. Nur in den seltensten Fällen werden die Futterchargen durch Kontrollämter rechtzeitig entdeckt und - noch viel seltener - auch vernichtet.

Ein neues deutsches "Lebens- und Futtermittelgesetzbuch" wurde im November 2004 beschlossen. Erstmals (!) wird damit in Deutschland auch bei Futtermitteln dem gesundheitlichen Verbraucherschutz Vorrang vor wirtschaftlichen Interessen eingeräumt. Zumindest auf dem Papier. Denn nahezu alle wichtigen inhaltlichen Entscheidungen sind auf ministerielle Verwaltungsakte verlagert. Beispielsweise liegt die Zulassung und Festsetzung der Höchstmengen von Zusatzstoffen faktisch in den Händen des Wirtschaftministeriums. Doch gerade in diesem Ressort wird vorsorgender Gesundheitsschutz regelmäßig den Interessen der Agrar- und Lebensmittelwirtschaft untergeordnet.

Lobbyisten halten am System fest

Agrar- und Futtermittelwirtschaft betreiben personell erstklassig ausgestattete Vertretungen in Brüssel und Berlin. Bei parlamentarischen Abenden und Vier-Augen-Gesprächen vermitteln die Lobbyisten den Abgeordneten und EU-Kommissaren nachdrücklich ihre Interessen und nehmen so Einfluss auf Gesetzentwürfe und deren praktische Auslegung. Dabei verbreitet die Agrarwirtschaft die Mär, jeder einzelne Futtermittelskandal sei eine "Verkettung unglücklicher Umstände". Das System der Futtermittelwirtschaft an sich sei aber in Ordnung. Doch das Gegenteil ist der Fall.

Teurer Produktionsfaktor

Im Durchschnitt verzehren die deutschen Verbraucher jährlich 60 Kilogramm Fleisch, 67 Kilogramm Milch und 210 Eier (70 davon als Frischeier und 140 in Fertigprodukten). Dafür werden in Deutschland 100 Millionen Nutzvögel (davon 42 Millionen Legehennen und 35 Millionen Masthühner), 26 Millionen Schweine und 14 Millionen Rinder gehalten. Jeden Tag müssen 140 Millionen Tiere gefüttert werden. Von deutschen Landwirten wurden laut Statistischem Bundesamt im Jahr 2001 insgesamt elf Milliarden Euro für Futtermittel ausgegeben, aber nur fünf Milliarden für Maschinen, drei Milliarden für Dünger und Pflanzenschutzmittel und zwei Milliarden für Wirtschaftsgebäude. Die Minimierung von Futterkosten steht deshalb ganz oben auf der Prioritätenliste der Landwirtschaft.


Beispiel Tiermehl: Die Verfütterung von Tiermehlen wurde Anfang 2001 EU-weit verboten. Unzureichend erhitztes Tiermehl gilt als Ursache für die Verbreitung der Rinderseuche BSE. Mehr als eine Millionen Tonnen Tiermehle fallen in Deutschland jedes Jahr an. Nur ein Teil davon wird in Zement- und Kraftwerken verbrannt. Allein 170.000 Tonnen Tiermehl wurden 2003 legal als Dünger an Landwirte abgegeben. Von foodwatch befragte Behörden konnten jedoch nicht sicher ausschließen, dass dieser Dünger illegal als Tierfutter im Trog landet. Die statistischen Landes- und Bundesämter konnten zudem den Verbleib von 124.000 Tonnen Tiermehl nicht aufklären. Da Futtermittel der größte Kostenfaktor in der Nutztierhaltung sind, ist die Versuchung groß: Tiermehle sind im Eiweißgehalt mit Futtersoja vergleichbar, kosten jedoch nur ein Zehntel.

Globales Geschäft unüberschaubar

Längst ist der Futtermittelmarkt ein globales Geschäft. Weltweit gelten unterschiedliche Anbaubedingungen und Regelungen für den Pestizideinsatz oder die Futterkonservierung. Europa importiert etwa 28 Millionen Tonnen Soja, um die vielen Tiere mit eiweißreichem Futter zu versorgen. Rund 90 Prozent davon stammen aus den Hauptanbauländern von Gensoja: USA, Brasilien und Argentinien. Zwar müssen Futtermittel aus Genproduktion gekennzeichnet werden, nicht aber die damit erzeugten tierischen Lebensmittel. Die überwiegend gentechnik-kritischen europäischen Verbraucher erfahren beim Lebensmitteleinkauf nichts über diesen größten Absatzpfad der Agrargentechnik. Denn der EU und der Bundesregierung sind ungetrübte Handelsbeziehungen mit den USA offenbar wichtiger als korrekt informierte Verbraucher.

Sauberes Futter braucht starke Regeln

Allein schärfere Kontrollen reichen nicht aus, um Futtermittel sicherer zu machen. Futtermittelhersteller müssen künftig aus wirtschaftlichem Eigeninteresse gesundheitliche Belastungen vermeiden. Dafür braucht man konsequent am Verursacherprinzip orientierte Haftungsregeln und praxistaugliche Strafbewehrungen. Das fahrlässige Inverkehrbringen kontaminierter Lebensmittel, das bislang lediglich ein Bußgeld zur Folge hatte, muss als Straftatbestand gelten und folglich mit Geld- und/oder Freiheitsstrafe geahndet werden.

Ein Großteil der durch Futtermittelskandale verursachten Kosten wird der Allgemeinheit aufgebürdet. Die BSE-Krise allein hat mehrere Milliarden an europäischen Steuergeldern verschlungen. So bleiben die Futterkosten niedrig und die damit erzeugten tierischen Produkte billig - aber eben nur beim Einkauf im Supermarkt. Dem Steuerzahler kommt der Profit der Futtermittelwirtschaft teuer zu stehen.

Quelle: Wolfschmidt, M.: UGB-Forum 2/05, S. 100-101