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Pulver, Pillen, Saft: Gräser in neuem Look

Saft aus Getreidegräsern ist der neue Gesundheits-Hit aus den USA. Der grüne Trunk soll die Lebensenergie steigern, das Gewebe reinigen, die Haut straffen und die Abwehrkräfte stärken. Reformhäuser und Bioläden, vor allem aber Anbieter im Internet vertreiben den nährstoffreichen Extrakt in Form von Tabletten oder Pulver.


Seit den dreißiger Jahren wird in den USA geforscht, ob sich Getreidegräser als Nahrungsmittel eignen. Bereits 1940 wurde von Dr. Benjamin Gruskin eine erste Untersuchungsreihe zur Wirksamkeit von Weizengrassaft veröffentlicht. Unter anderem beobachteten die Wissenschaftler Heilerfolge bei Infektionen der Mundschleimhaut, Gastritis und eine deutliche Beschleunigung der Wundheilung. Besonders populär wurde Weizengras in den siebziger Jahren durch Dr. Ann Wigmore, die Gründerin des Hippokrates-Health-Institute in Boston. Vor einigen Jahren ist die Welle der grünen Säfte auch nach Deutschland geschwappt. Der Großteil der hier angebotenen Pulver und Tabletten stammt aus den USA, wo vor allem in Kansas und Kalifornien Weizen- und Gerstengras angebaut wird. Die meisten Hersteller geben an, dabei die Richtlinien des ökologischen Landbaus zu befolgen.

Vom Feld auf die Ladentheke

Als Weizen- bzw. Gerstengras werden die 10 bis 15 Zentimeter langen Schößlinge der beiden Getreidesorten bezeichnet. Der beste Erntezeitpunkt für die Saftproduktion liegt kurz vor dem Einsetzen des Längenwachstums. Zu diesem Zeitpunkt haben die grünen Halme die optimale Nährstoffdichte erreicht. In der Regel wird das Getreidegras einmal im Jahr im Frühling bei einer Länge von 10 bis 25 Zentimeter maschinell geschnitten. Einige Herstellern verarbeiten das Gras direkt nach der Ernte weiter, während andere es bei minus 20 Grad zwischenlagern. Anschließend wird das Gras zerkleinert und bei Temperaturen um 37 Grad durch Sprühtrocknung getrocknet. Soll das Getreidegras als lösliches Pulver in den Handel kommen, wird es direkt nach der Trocknung in Lichtschutzgläser abgepackt. Für Tabletten pressen die Firmen den pulverisierten Saft mit verschiedenen Hilfsstoffen wie Cellulose oder Kieselsäure zu Pillen.

Bislang hat erst ein Anbieter ein Verfahren entwickelt, um Weizengras direkt als Saft in den Handel zu bringen. Hierbei handelt es sich allerdings nicht um den reinen Grünsaft, sondern um eine Mischung mit Grüntee, Apfelsaft, Agavendicksaft, Zitronensaft und Mikroalgen. Wie es dem Produzenten gelungen ist, die Haltbarkeit des Weizengrassaftes auf über ein Jahr auszudehnen, bleibt Betriebsgeheimnis. Vermutlich wird der Saft pasteurisiert. Hitzeempfindliche Nährstoffe werden so jedoch zerstört.

Was die Werbungverspricht

Glaubt man den Herstellern, können Getreidegräser verjüngen, entgiften, Energie spenden, das Immunsystem stärken, den Cholesterinspiegel senken und vor Strahlenbelastung schützen. Auch zum Abnehmen wird der grüne Trunk oft angepriesen. Weizengras soll zudem chronische Erkrankungen wie Allergien, Neurodermitis, Diabetes, Gicht, Arthritis, Osteoporose und sogar Krebs bekämpfen. Für die positiven Wirkungen machen einige Hersteller den Gehalt an Chlorophyll verantwortlich, andere loben die hohe Konzentration an B-Vitaminen, Beta-Carotin und Eisen, wieder andere halten das pflanzliche Eiweiß für besonders wertvoll. Was wirklich in den verschiedenen Produkten drin ist, lässt sich nur anhand der Herstellerangaben beurteilen. Unabhängige Analysen gibt es kaum. Meist sind nur wenige Inhaltsstoffe auf der Verpackung oder in Produktinformationen angegeben.

Überdosierungen sind nicht ungefährlich

Je nach Produkt empfehlen die Hersteller mindestens einen Monat lang täglich ein bis zwölf Gramm zu sich zu nehmen. Das Getreidegras kann als Tablette eingenommen oder das Pulver in einem Glas Wasser oder Saft aufgelöst getrunken werden. Wer täglich zwölf Gramm des Konzentrates schluckt, nimmt bereits die empfohlene Tagesdosis an Beta-Carotin auf, ein Viertel der empfohlenen Menge an Vitamin C und etwa ein Fünftel des Eisenbedarfs. Gerade die zusätzliche Aufnahme von Beta-Carotin ist kritisch zu betrachten. Studien haben gezeigt, dass bei Rauchern bereits eine Dosis von 20 Milligramm das Krebsrisiko erhöht. Zu der häufig herausgestellten positiven Wirkung von Chlorophyll gibt es bisher kaum wissenschaftliche Aussagen. Zwar liegen Hinweise für einen krebshemmenden Effekt vor, genaue Angaben zur wirksamen Menge fehlen jedoch.

Für gesunde Menschen überflüssig

In den Produkten aus Getreidegräsern kommen alle wichtigen Vitamine, Mineralstoffe und essenziellen Aminosäuren vor. Ein günstiger Effekt auf die Gesundheit ist durch die Vielzahl an sekundären Pflanzenstoffen, vor allem die hohe Konzentration an Chlorophyll durchaus denkbar. Die Einnahme von Grassaft ist allerdings für gesunde Menschen überflüssig und verlockt lediglich dazu, ungünstige Essgewohnheiten mit Pillen oder Pulver auszugleichen. Außerdem besteht die Gefahr, dass einzelne Nährstoffe überdosiert werden. Gerade solche natürlichen Konzentrate nehmen viele nach dem Motto "viel hilft viel" in zu großen Mengen ein. Ob bei bestimmten Erkrankungen wie Neurodermitis oder Gicht Präparate zur Nahrungsergänzung helfen können, ist wissenschaftlich noch nicht eindeutig geklärt.

Quelle: Krüger, S.: UGB-Forum 5/00, S. 249-250

Dieser Beitrag ist dem UGB-Archiv entnommen.

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