Krebsnachsorge:
Die Seele ernst nehmen

Wie krebskranke Menschen mit ihrer Erkrankung umgehen, spielt eine entscheidende Rolle für den Krankheitsverlauf. Daher werden Krebspatienten in Reha-Kliniken immer häufiger auch psychosozial betreut. Vorrangiges Ziel im Reha-Zentrum Lübben ist es dabei, die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern.

 Krebsnachsorge

Krebspatienten quälen sich oft mit Fragen herum wie "Warum gerade ich?" oder "Bin ich an meinem Schicksal schuld?" Meist gehen solche Selbstzweifel mit Verzweiflung, Resignation oder blanker Wut einher. Je nachdem, wie weit der körperliche Verfall bereits vorangeschritten ist, denkt der Patient "Ich falle allen zur Last" oder "So kann und will ich nicht mehr leben". Diese Gefühle und Sorgen sind absolut ernst zu nehmen. Keinesfalls darf man ihnen ausweichen oder ein Problem einfach wegreden. Vielmehr müssen die Fragen einfühlsam und doch professionell beantwortet werden. Denn schließlich geht es darum, dass die Betroffenen ihre Selbstachtung wieder erlangen und ihre Lebensqualität steigern. Der Krebsforscher Fritz Meerwein ist der Überzeugung, dass eine "Wiederbelebung guter innerer Erfahrungen" notwendig ist. Studien zu diesem Bereich zeigen, dass eine psychosoziale Rehabilitation den Verlauf einer Krebserkrankung wesentlich verbessern kann.

Nachsorge wird immer wichtiger

In den vergangenen Jahren ist das Angebot an psychosozialer Betreuung in Rehabilitationskliniken kontinuierlich gewachsen. Denn trotz vielfältiger Fortschritte in der Behandlung und Heilung krebskranker Menschen muss eine große Anzahl dieser Patienten dauerhaft medizinisch versorgt werden. Die oft langwierige Therapie bringt meist Nebenwirkungen und unangenehme Begleiterscheinungen mit sich, die die Lebensqualität der Betroffenen weiter einschränken.

In der Nachsorge geht es darum, den Erfolg der Krebstherapie zu beobachten, ein Auge auf mögliche Rückfälle zu haben und den Patienten für den Alltag stark zu machen. In Rehabilitationseinrichtungen ist es daher besonders wichtig, dass die Zusammenarbeit der verschiedenen Fachrichtungen reibungslos funktioniert. Angebote im medizinischen, psychologischen, physiotherapeutischen wie auch im kreativtherapeutischen Bereich müssen koordiniert und abgestimmt sein.

Wie die Therapie in der Reha-Klinik genau aussieht, richtet sich nach dem psychischen und körperlichen Zustand der Patienten. Nur so lässt sich gewährleisten, dass ein individueller Behandlungsplan erstellt und umgesetzt werden kann. Eine besondere Zielsetzung ist es, den Patienten zur aktiven Mitwirkung an der Planung und Durchführung des Reha-Programms zu motivieren. Denn nur wenn der Betroffene selbst Verantwortung übernimmt, kann er sich wieder erfolgreich in das alltägliche Leben eingliedern. Der psychosoziale Blickwinkel nimmt daher in der Rehabilitation Krebskranker einen erheblichen Stellenwert ein.

An seelischen Problemen arbeiten

Seit Jahren wurden und werden Hypothesen über die Ursachen von Tumorerkrankungen entwickelt. Die Spekulationen reichen von Nahrungs- und Umweltfaktoren über Infektionen bis hin zu genetischer Veranlagung als Auslöser. Sicher ist dagegen, dass bei der Krankheitsbewältigung der Faktor Seele eine herausragende Rolle spielt. Denn das psychische Befinden beeinflusst maßgeblich das Selbstwertgefühl und die Lebensqualität der Betroffenen.

Die Skala der Probleme, mit der die Patienten in die Reha-Klinik kommen, reicht von Gefühlen wie Angst und Depression, aber auch Aggression und Pessimismus, über gestörte bzw. reduzierte Beziehungen und Sexualität, Isolation und Unsicherheit im Freundes- und Bekanntenkreis bis hin zu Schwierigkeiten im Beruf. Hier müssen die psycho-onkologischen Therapien ansetzen, um eine erfolgreiche Basis für alle weiteren Behandlungsmaßnahmen zu schaffen. Die Gefahr, innerlich zu vereinsamen, ist groß. Um den Menschen in seiner existenziellen Krise Halt zu geben, müssen ihn die helfenden Personen dabei unterstützen, wieder Kraft gegen die Hoffnungslosigkeit zu erlangen.

Um auf den Patienten gezielt eingehen zu können, gibt es im Reha-Zentrum Lübben einen Psychologischen Dienst mit vier Psychologinnen und Psychologen. Die im Frühjahr 1996 gegründete Fachklinik für Onkologie (160 Betten) und Orthopädie (60 Betten) liegt im Biosphärenreservat des Spreewalds. Neben der ärztlichen Eingangsuntersuchung findet im Reha-Zentrum auch ein psychologisches Informationsgespräch statt. Dabei erfahren die Betroffenen, welche Angebote sie in der Abteilung nutzen können. Gleichzeitig versuchen die Betreuer herauszuhören, welche psychologischen Therapiemaßnahmen den Patienten vorgeschlagen werden können. Neben Entspannungstechniken, themenzentrierten Gesprächsgruppen, Vorträgen und Schulungen bietet der Psychologische Dienst auch Einzelgespräche an.

Zur Eigenverantwortung motivieren

Die stationäre Rehabilitation ist in der Regel auf drei Wochen beschränkt. Daher ist es notwendig, die Angebote zu bündeln. Der eigentliche Wert der Maßnahmen muss darin liegen, die Patienten für "die Zeit danach", also für die ambulante psychosoziale Rehabilitation zu motivieren. Das gelingt im Normalfall nur dann, wenn die Patienten aktiv in die Therapieplanung eingebunden und sich ihrer Eigenverantwortung bewusst werden. Erst dann motivieren sich die Betroffenen auch selbst, das Erlernte - beispielsweise Entspannungstraining - tatsächlich umzusetzen. Neueste Analysen zeigen allerdings, dass die Motivation für die weitergehende Behandlung zumeist nach einem halben oder einem Jahr erlischt. Gerade deshalb ist es notwendig, dass die Patienten während der stationären Rehabilitation erkennen, wie wichtig der seelische Einfluss ist.

Lernen, positiv in die Zukunft zu sehen

Die Erfahrung des Reha-Zentrums Lübben zeigt, dass es für den Umgang des Krebskranken mit sich selbst hilfreich ist, den Blick positiv in die Zukunft zu richten. Nicht selten kommen die Patienten aus Krankenhäusern, in denen sie negative Erfahrungen mit Ärzten und Psychologen gesammelt haben und diesbezüglich ganz einfach enttäuscht sind. Zudem werden viele der Erkrankten in der stationären Rehabilitation erstmals mit der so genannten tertiären Prävention konfrontiert. Oftmals hören sie erst hier von den Möglichkeiten auf psychischer Ebene, die aktiviert werden können, um einem neuerlichen Auftreten der Krankheit entgegenzuwirken. So ist es die Regel, dass die Patienten an Entspannungsübungen und anderen Therapieangeboten zunächst mit Argwohn teilnehmen. Mehrheitlich verwandelt sich diese Skepsis in eine freudige und eigenverantwortliche Teilnahme, wenn sich nach kurzer Zeit das Gefühl "Das hilft mir" oder "Das tut mir gut" einstellt. Dies ist die Grundvoraussetzung zur Selbstaktivierung und zur ambulanten Nachbetreuung.

Patienten für den Alltag stärken

Damit immer mehr Krebskranke ganzheitlich therapiert werden, sollten psychosoziale, medizinische und berufliche Rehabilitationsansätze weiter vernetzt werden. Das Reha-Zentrum Lübben bietet beispielsweise in Kooperation mit der Freien Universität Berlin unter dem Motto "Aktive Genesung - Computer als Medium gesünderen Lebens" einen Modellversuch an, der es den Patienten ermöglicht, in die Welt des Internet einzutauchen. So kann der Betroffene im Netz selbstständig nach gesundheitsrelevanten und medizinischen Informationen suchen und diese in den eigenen Genesungsprozess integrieren. (www.rehazentrum.com sowie
email: [email protected])

Betroffenen und ihren Angehörigen wird somit der Zugang zu dem gleichen Wissen wie Medizinern ermöglicht. Zusätzlich haben Patienten die Chance, sich im Netz über Therapien und Erfahrungen untereinander auszutauschen.

Der Kontakt mit anderen Betroffenen tut den meisten Patienten gut. Der Blick wird nicht mehr ausschließlich auf das eigene Schicksal gerichtet, was sich insgesamt positiv auf die Krankheitsbewältigung auswirkt. Generell sollte aber die psychosoziale Betreuung von an Krebs erkrankten Menschen durch Fachleute - sowohl stationär als auch ambulant - weiter ausgebaut werden.

Quelle: Weiß-Gerlach, E.: UGB-Forum 4/01, S.187-189

Foto: Cornerstone / pixelio.de


Dieser Beitrag ist dem UGB-Archiv entnommen.

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