Histamin: Unverträglichkeit gut meistern

Eine Unverträglichkeit auf Histamin scheint immer häufiger vorzukommen. Ob tatsächlich mehr Menschen auf das biogene Amin reagieren oder nur die öffentliche Wahrnehmung gestiegen ist, lässt sich schwer sagen. Fakt ist: Über eine geschickte Lebensmittelauswahl lässt sich die Aufnahme an Histamin für empfindliche Personen deutlich reduzieren.

Eine Unverträglichkeit gegenüber Histamin – auch Histamin-Intoleranz (HIT) genannt – kann zu den verschiedensten Beschwerden führen. Betroffene berichten über Magen-Darm-Probleme, Kopfschmerzen, eine behinderte Nasenatmung, Hautausschläge oder Herz-Kreislauf-Probleme. Die Histaminunverträglichkeit hat in den vergangenen Jahren stark an Aufmerksamkeit gewonnen. Expert:innen schätzen, dass etwa ein Prozent der deutschen Bevölkerung darunter leidet, meist Frauen über 40 Jahre. Allerdings ist das Krankheitsbild umstritten, da es keine eindeutige Diagnostik gibt. Studien zufolge ist zudem das subjektive Gefühl, an einer Nahrungsmittelunverträglichkeit zu leiden, häufiger, als sich objektiv nachweisen lässt.

Wichtiger Botenstoff im Körper

Histamin ist ein biogenes Amin, das zu den sogenannten Gewebshormonen zählt. Es entsteht im menschlichen Körper durch den Ab- und Umbau der Aminosäure Histidin, die Bestandteil zahlreicher Proteine ist. Als biologisch aktive Substanz übernimmt Histamin viele wichtige Funktionen. Unter anderem senkt es den Blutdruck, regt die Magensäureproduktion an und sorgt für einen ausgeglichenen Schlaf-Wach-Rhythmus. Außerdem ist es ein wichtiger Botenstoff bei Entzündungsreaktionen. Auch bei einer Allergie schütten Immunzellen Histamin aus, was zu allergischen Reaktionen wie Hautrötungen, laufender Nase oder tränenden Augen führen kann.

Histamin wird nicht nur vom Körper selbst hergestellt, sondern auch über viele Nahrungsmittel aufgenommen. Fast alle Lebensmittel enthalten Histamin in geringer oder höherer Konzentration. Denn Histamin wird durch den bakteriellen Abbau der Aminosäure Histidin gebildet und entsteht vor allem in proteinreichen, gereiften Produkten. Pflanzliche Lebensmittel enthalten nur selten natürlicherweise Histamin in nennenswerten Mengen, Ausnahmen sind beispielsweise Tomaten oder Spinat. In leicht verderblichen tierischen Lebensmitteln wie Fisch oder langsam reifenden Wurst- und Käsesorten, zum Beispiel Rohwürste oder Emmentaler, findet man höhere Histaminwerte als etwa in jungem Gouda. Sind Mikroorganismen über einen längeren Zeitraum aktiv, können sie mehr Protein zu Histamin abbauen. Daher hängt der Histamingehalt von der Lagerdauer ab. Auch mikrobiell hergestellte beziehungsweise fermentierte Lebensmittel wie Sauerkraut, Hefeextrakt, Wein und Bier enthalten größere Mengen Histamin. Da der Histamingehalt in Nahrungsmitteln vom Reifegrad, der Lagerdauer und der Verarbeitung abhängt, schwankt er sehr stark. Deshalb können die enthaltenen Histaminmengen trotz gleicher Lebensmittelsorte sehr unterschiedlich ausfallen.

Zu hohe Konzentrationen problematisch

Normalerweise wirken im gesunden menschlichen Organismus Mechanismen, die sowohl das von außen zugeführte als auch das im Körper gebildete Histamin kontrollieren und inaktivieren. Die Histamin-Unverträglichkeit basiert auf einem Ungleichgewicht zwischen anfallendem Histamin und der Möglichkeit, dieses abzubauen. Genau wie andere biogene Amine – zum Beispiel Serotonin – wird Histamin über Enzyme im Dünndarm abgebaut, unter anderem durch die Diaminoxidase (DAO).

Enthält die Nahrung sehr viel Histamin oder versagen die Regulationssysteme, können auch bei gesunden Menschen starke Symptome auftreten wie Bauchschmerzen, Hautrötung oder Blutdruckabfall. Bekannt ist beispielsweise eine durch Histamin ausgelöste Fischvergiftung. Üblicherweise treten solche Symptome erst auf, wenn die Mahlzeit 1000 Milligramm Histamin oder mehr enthält. Besonders empfindliche Menschen reagieren allerdings bereits auf geringe Mengen. Die Beschwerden können sehr unterschiedlich sein und erinnern stark an eine Nahrungsmittelallergie: Kopfschmerzen, Herz-Kreislauf- oder Atemwegsbeschwerden können ebenso auftreten wie Hautausschläge oder Magen-Darm-Probleme. Die Symptome zeigen sich typischerweise unmittelbar nach dem Essen, teilweise aber auch bis zu 24 Stunden zeitverzögert. Das erschwert die Suche nach den Auslösern erheblich.

Unterschiedliche Ursachen für Unverträglichkeit

Es gibt eine Reihe von Mechanismen, die als Ursache für eine Histamin-Unverträglichkeit infrage kommen. Vermutlich spielt eine verringerte Aktivität der histaminabbauenden DAO eine wichtige Rolle. Die Produktion des Enzyms in den Darmschleimhautzellen kann beispielsweise durch eine entzündete Darmschleimhaut vermindert sein. Erkrankungen des Magen-Darm-Trakts wie das Reizdarmsyndrom (RDS), Morbus Crohn oder Zöliakie können solche Schädigungen in der Darmschleimhaut verursachen. Außerdem tragen Alkohol, Medikamente und andere biogene Amine zu einer Hemmung des Histaminabbaus bei. Ein weiteres Enzym für den Abbau ist die Histamin-N-Methyltransferase (HNMT), die durch bestimmte Wirkstoffe in Medikamenten ebenfalls gehemmt werden kann.

Zu den Arzneistoffen, die die DAO blockieren oder im Körper vermehrt Histamin freisetzen können, gehören unter anderem der Hustenlöser Acetylcystein, das Antidepressivum Amitriptylin oder der Entzündungshemmer Naproxen. Es ist daher wichtig, sich bei einer Histamin-Unverträglichkeit genau zu informieren, ob die verschriebenen Medikamente als DAO-Blocker fungieren. Auch Alkohol hemmt die Aktivität des histaminabbauenden Enzyms. Gleichzeitig erhöht er die Durchlässigkeit der Darmwand für Histamin, sodass noch mehr Histamine in die Blutbahn gelangen können. Die DAO ist auch für den Abbau anderer biogener Amine verantwortlich. Da diese bevorzugt abgebaut werden, reicht die Kapazität des Enzyms für den Histaminabbau dann nicht mehr aus. In letzter Zeit werden auch vermehrt genetische Ursachen für eine DAO-Abbauschwäche diskutiert. Hier ist die Produktion des Enzyms aufgrund einer genetischen Mutation eingeschränkt.

Ernährungstagebuch gibt Aufschluss

Wer nach dem Verzehr histaminreicher Lebensmittel immer wiederkehrende Symptome beobachtet, sollte das unbedingt ärztlich abklären lassen. Da es keine verlässliche Laborbestimmung gibt, ist eine detaillierte Anamnese für die Diagnosestellung das A und O. Außerdem sind andere Erkrankungen mit ähnlichen Symptomen wie Nahrungsmittelallergien auszuschließen. Begleitende gastrointestinale Erkrankungen und Allergien sind für die Diagnosestellung ebenfalls von Bedeutung.

Der sicherste Weg, eine Histamin-Unverträglichkeit festzustellen, führt über Diät und Provokation. In einer Eliminationsdiät verzichten Betroffene über mehrere Wochen auf alle histaminreichen Lebensmittel. Wenn sich die Symptome bessern, liegt mit großer Wahrscheinlichkeit eine Histamin-Unverträglichkeit vor. Durch einen ärztlich begleiteten Provokationstest lässt sich die Diagnose überprüfen, indem absichtlich stark histaminhaltige Lebensmittel gegessen werden.

Die Menge an Histamin, die Menschen mit Unverträglichkeit beschwerdefrei aufnehmen können, ist individuell verschieden. Am besten ist es, für einige Wochen ein Symptomtagebuch zu führen. Eine Ernährungsfachkraft kann helfen, die individuelle Histamin-Verträglichkeit festzustellen und einen Ernährungsplan zu erarbeiten, der neben der Reduktion von Histamin auch Aspekte einer ausgewogenen Ernährung berücksichtigt.

Frisch und unverarbeitet heißt histaminarm

Durch eine histaminarme Ernährung verschwinden die Beschwerden bei Betroffenen relativ schnell beziehungsweise verbessern sich deutlich. Als Faustregel gilt, je älter beziehungsweise länger gereift ein Lebensmittel ist, desto höher ist sein Gehalt an Histamin. Bei der Auswahl der Lebensmittel ist also darauf zu achten, dass diese möglichst frisch und unverarbeitet sind. Unproblematisch sind zum Beispiel Gemüse und Obst, frische Milchprodukte wie Joghurt, Frischkäse, Quark oder junger Käse, frisches Fleisch und frischer Fisch. Auf lange gereifte Käsesorten, gepökelte Fleischwaren, geräucherten Fisch sowie fermentierte Lebensmittel sollten empfindliche Menschen verzichten. Brot und Getreideprodukte sind in der Regel gut verträglich. Allerdings sind für manche Betroffene Hefebackwaren oder Brote mit Sauerteig, denen eine sehr lange Teigführung zugrunde liegt, nicht so gut bekömmlich. Es gibt zudem Nahrungsmittel, Zusatzstoffe und andere Stoffe, die die Freisetzung von körpereigenem Histamin fördern. Dazu zählen zum Beispiel Erdbeeren, Zitrusfrüchte, Kiwi, Tomaten, Ananas, Nüsse, Kakao, Schokolade, Alkohol und Meeresfrüchte. Sie sollten besser reduziert oder gemieden werden. Die Wirkung dieser sogenannten Histamin-Liberatoren ist denen, die viel Histamin enthalten, sehr ähnlich.

Individuelle Ernährungsberatung hilfreich

Für Menschen mit einer Histamin-Unverträglichkeit existiert keine Pauschaldiät. Neben der Auswahl histaminarmer Nahrungsmittel hängen die Symptome vom Gehalt anderer biogener Amine, Histamin-Liberatoren und der schwankenden Bandbreite an Histamin in ein und demselben Lebensmittel ab. Außerdem spielen weitere Faktoren wie Medikamente, Stress, Infekte und Hormonstatus eine Rolle. Darüber hinaus ist ein intaktes Verdauungssystem wichtig, denn ein gesunder Darm kann zu einer verbesserten Produktion des Enzyms DAO beitragen. So ist eine Histamin-Unverträglichkeit möglicherweise die Folge einer anderen Störung im Körper und kein eigenständiges Krankheitsbild.

Lässt sich der Verzehr histaminhaltiger Nahrungsmittel einmal nicht vermeiden, zum Beispiel auf Reisen, können Antihistaminika die Symptome lindern. Diese blockieren die entsprechenden Histaminrezeptoren. Bei einer konsequenten Diät scheinen Antihistaminika aber keinen wesentlichen zusätzlichen Nutzen zu bringen. Die Vitamine B6 und C arbeiten eng mit dem Enzym DAO zusammen. Bei Patienten, die mit diesen Vitaminen schlecht versorgt sind, könnte die Gabe der beiden Vitamine folglich hilfreich sein. Seit einiger Zeit sind außerdem DAO-Kapseln als diätetisches Lebensmittel auf dem Markt. Sie sollen den Darm dabei unterstützen, Histamin abzubauen. Die Wirkung ist aber noch nicht ausreichend untersucht. Für die Betroffenen empfiehlt es sich, unter ernährungstherapeutischer Begleitung eine individuelle Strategie zu erarbeiten.

Bild © AndreyCherkasov/Depositphotos.com

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