Tagungsbericht

UGB-Tagung: Ernährung aktuell

Globale Probleme der Welternährung standen ebenso auf dem Programm der diesjährigen UGB-Tagung wie ganz individuelle Fragen zu Reizdarm oder Kreuzallergien. Rund 400 Ernährungsfachkräfte kamen vom 08. bis 09. Mai 2009 in die Aula der Universität von Gießen.

Eine neue Bewertung von Nitrat nahm Dipl. oec. troph. Hans-Helmut Martin von der UGB-Akademie vor. Nitrat ist offensichtlich weniger schädlich für den Organismus als bisher angenommen. In Studien konnten sogar gesundheitsförderliche Effekte gezeigt werden. Allerdings nahmen die Probanden dabei große Mengen Nitrat über Rote-Bete-Saft auf. Ob diese Mengen auf Dauer harmlos bleiben, ist noch unklar. Offen ist zudem, ob die im Normalfall durchschnittlich zugeführten Mengen von 100-200 mg Nitrat pro Kopf und Tag auch positiv auf die Gesundheit wirken, gab Martin zu bedenken.

Sowohl untergewichtige als auch übergewichtige Säuglinge haben eine erhöhtes Risiko für das metabolische Syndrom. Prof. Dr. Clemens Kunz von der Universität Gießen erläuterte, dass das Aufholwachstum bei den zu leichten Babys beispielsweise ein Risiko für Adipositas darstellt. Gleichzeitig sind die Nieren bei den untergewichtigen Babys unterversorgt, was in späterem Alter einen Bluthochdruck begünstigen kann. Auch Babys mit hohem Geburtsgewicht haben ein erhöhtes Risiko für Adipositas. Häufig liegt ein unbehandelter Gestationsdiabetes der Mutter zugrunde. Kunz betonte aber, dass im Mutterleib nur die Programmierung für bestimmte Erkrankungen erfolgt. Manifest werden diese erst durch einen entsprechend ungünstigen Lebensstil.

Weltweite Fairness

"Tank oder Teller?", lautete kurzgefasst die Frage, unter der Dr. oec. troph. Karl von Koerber seinen Vortrag zur globalen Nahrungssicherung stellte. Der Münchner Ernährungs÷ökologe machte unmissverständlich klar, dass weltweit genug Nahrung produziert wird, um alle Menschen satt zu bekommen. Hunger sei ausschließlich ein Problem der Verteilung. Erstaunliche Zahlen präsentierte von Koerber zum Flächenbedarf von Lebensmitteln. So wird ein Drittel aller Agrarflächen benötigt, um Genussmittel wie Kaffee, Tee, Wein oder Zucker anzubauen. Diese Fläche wird voraussichtlich zunehmen, da sich der Ernährungsstil weltweit immer mehr an westlichen Vorbildern orientiert. Mit dramatischen Zahlen griff auch der bekannte Ernährungsexperte Prof. Dr. Claus Leitzmann aus Gießen das Thema Nahrungssicherheit auf: Weltweit hat sich die Zahl der unterernährten Menschen in den letzten fünf Jahren von 800 auf 930 Millionen erhöht. Etwa 200 Millionen Kinder sind im Vorschulalter untergewichtig und die gleiche Zahl ist im Wachstum zurück geblieben. Die chronische Unterernährung hat möglicherweise drastische Folgen für die Gehirnentwicklung. "Wir müssen anders leben, damit andere besser leben", forderte Leitzmann das Publikum angesichts dieser beschämenden Zahlen auf.

Aus dem Beratungsalltag

Da es in Deutschland immer mehr Ganztagsschulen gibt, steigen die Ansprüche an eine gute Schulverpflegung. Das Fundament muss immer die Wirtschaftlichkeit sein, unterstrich Ernährungswissenschaftler Rainer Roehl aus Münster, der seit vielen Jahren Großküchen bei der Umstellung auf eine gesunde Verpflegung berät. Seine Erfahrungen fasste er so zusammen: "Einfachheit ist fast das wichtigste Kriterium für den Erfolg". Dipl. oec. troph. Christiane Schäfer, Hamburg, berichtete über die schwierige Diagnose von Reizmagen und Reizdarm. Entscheidend dabei ist, erklärte die in einer Allergieschwerpunktpraxis arbeitende Ernährungswissenschaftlerin, dass nach definierten Kriterien diagnostiziert werde. Nur so können andere Erkrankungen ausgeschlossen werden. In ihrem zweiten Vortrag stellte Schäfer neue Erkenntnisse zu Kreuzallergien vor. Fundiert berichtete die Allergiespezialistin über die richtige, aber hochkomplizierte Diagnostik von Allergenen und Unterallergenen. Bei einer Kreuzallergie erkennt das Immunsystem plötzlich Ähnlichkeiten zu anderen allergieauslösenden Strukturen in Nahrungsmitteln und reagiert dann zum Beispiel bei einer Birkenpollenallergie auch auf frische Äpfel oder Nüsse. So entwickeln 60 Prozent der ohnehin mit Heuschnupfen geplagten Patienten auch eine pollenassoziierte Kreuzreaktion auf Nahrungsmittel. Und diese pollenassoziierte Kreuzallergien nehmen massiv zu, betonte die Referentin.

Neues zur Allergievorbeugung

Beim Thema Prävention von Allergien durch Ernährung stellte ihre Namensvetterin Dipl. oec. troph. Birgit Schäfer aus Hamburg gleich klar: "Ja, alles ist ganz anders". Die neuen Leitlinien zur Allergieprävention empfehlen beispielsweise, dass vier Monate voll gestillt, dann aber Beikost gefüttert werden sollte. Ein späterer Zeitpunkt hat sich als ungünstig für die Ausbildung einer Allergie erwiesen. Ohne Nutzen ist es auch, potenzielle Allergene in Schwangerschaft, Stillzeit und dem ersten Lebensjahr zu meiden, so die Oecotrophologin.
Die Leiterin der UGB-Akademie, Dipl. oec. troph. Wiebke Franz nahm sich der Frage an, ob es sich mit proteinreicher Kost leichter abnehmen lässt. Tatsächlich halten Abnehmwillige bei einer proteinbetonten Kost in einigen Studien besser durch als bei Low fat oder Low Carb-Diäten. Möglicherweise erleichtert ein höherer Proteingehalt zudem, das reduzierte Gewicht auch zu halten. Allerdings, betonte die Ernährungswissenschaftlerin, bringt ein höherer Anteil an tierischem Protein ökologische und soziale Nachteile mit sich. Zudem sollte Bewegung beim Abnehmen keinesfalls außer Acht gelassen werden. Denn die drastische Zunahme an Übergewicht liegt mit daran, dass wir heute um 40 Prozent weniger aktiv sind als noch vor 50 Jahren.

Tipps gegen den Klimawandel

Das Thema Klimawandel ist bei den Menschen angekommen, davon war Dipl. Ing.-agr. Bernard Burdick von der Verbraucherzentrale NRW überzeugt. Doch die meisten denken, es sei Aufgabe der Regierungen, dagegen etwas zu unternehmen. Vielen fehlt auch das Wissen, was sie selbst tun können. Dazu hatte der Referent einfache Tipps parat, wie die Ernährung klima-gesund gestaltet werden kann. Kernpunkt dabei ist, weniger Fleisch zu verzehren.
Seine Kollegin Dipl. oec. troph. Angela Clausen beleuchtete die Zusammenhänge zwischen Azofarbstoffen in Lebensmitteln und Hyperaktivität bei Kindern. Die Europäische Lebensmittelbehörde EFSA sieht zwar derzeit trotz entsprechender Studien keinen überzeugenden Beweis für ADHS-Symptome aufgrund von Azofarbstoffen. Dennoch wird ab Sommer 2010 ein Warnhinweis für entsprechende Produkte vorgeschrieben: "Kann Aktivität und Aufmerksamkeit bei Kindern beeinträchtigen". Den Verbraucher bleibt einmal mehr, Politik mit dem Einkaufskorb zu machen, forderte Clausen: Lebensmittel mit Azofarbstoffen sollten im Regal liegen bleiben.

Faszinierende Trends der Lebensmittelindustrie zeigte Sven Poguntke aus Frankfurt am Main auf. Es findet eine Polarisierung des Bedarfs statt, so der Trendforscher. Einerseits wird Essen zunehmend als Lifestyle gesehen, andererseits boomen die Discounter. Auch Fast Food und Snacking gewinnen immer mehr an Bedeutung, gleichzeitig ist aber als Gegenbewegung eine Entschleunigung des Essens hin zum Genießen in Gemeinschaft zu beobachten.

Der bunte Themenmix der UGB-Tagung kam bei den Teilnehmern gut an und viele verabschiedeten sich bis zum nächsten Jahr.

Ulrike Becker