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Wie ist die Leistungsdiät von Barry Sears zu bewerten?

Die gesundheitlichen Versprechungen, die Barry Sears für seine Leistungsdiät gibt, sind wissenschaftlich nicht bewiesen. Die Begründungen, die Sears für seine genauen Ernährungsrichtlinien gibt, sind sicherlich fraglich.

Barry Sears, Autor des Buches "Das Optimum - Die Sears Diät" empfiehlt hierin die von ihm entwickelte Leistungsdiät zur Vorbeugung vor Übergewicht.
Das Buch läßt sich in zwei Teile gliedern, in dem ersten Teil beschreibt Sears Regeln und Ernährungshintergründe, um das sogenannte "Optimum" zu erreichen, im zweiten Teil geht er auf Krankheiten und die gesundheitlichen Vorteile des Optimums ein. Essen dient in der Leistungsdiät als Kontrollsystem für Hormone; der Mensch sei der Evolution nach dazu bestimmt, sich im Sinne der Leistungsdiät zu ernähren, betont der Autor. Mit Hilfe dieser Diät soll man das "Optimum" erreichen, einen Stoffwechselzustand, bei dem der Mensch höchste Leistungsfähigkeit erreicht, in dem Körper und Geist perfekt zusammenarbeiten und alle Körperfunktionen optimal sind. Ein Leben im Optimum soll gesundheitliche Vorteile bringen, zu weniger Krankheiten führen und vor allem zu einem Verlust an überflüssigem Körperfett.
Man kann also laut Sears im Optimum abnehmen ohne zu hungern und weiterhin das essen, was man möchte.
Wichtig hierfür sei das optimale Verhältnis der Makronährstoffe, denn diese würden Hormonreaktionen auslösen, die bestimmen, wie viel Körperfett man anhäuft.
Kohlenhydrate z.B. seien die "Ursache der Fettsucht", da die Aufnahmen von zu großen Mengen zu einer Umwandlung in Fett führe. Schlecht sind nach Meinung von Sears Kohlenhydrate mit hohem glykämischen Index wie Getreide, Brot, Nudeln, Reis und andere Stärkearten. Diese sollen nicht nur dick machen sondern auch dafür sorgen, dass man dick bleibt. Gut hingegen sollen Früchte und faserreiche Gemüse sein, da sie eine niedrige Blutzuckerwirksamkeit aufweisen.
Der Autor ist davon überzeugt, dass eine kohlenhydratreiche Ernährungsform falsch ist und sogar gefährlich werden kann, da sie die Krankheiten, vor denen sie eigentlich schützen soll, noch fördert und das Übergewicht erhalten bleibt. Eiweiße sind für Sears die Bausteine des Lebens und Nahrungsfett gilt für ihn als biochemischer Schlüssel, der die Anhäufung überschüssigen Körperfettes verhindert. Es sei vor allem deshalb wichtig, da es als Quelle essenzieller Fettsäuren die Bausteine der Eicosanoide liefert. Wäre das Verhältnis der Makronährstoffe ausgewogen, stimme auch das Insulin-Glucagon-Gleichgewicht. Insulin und Glucagon stellen nach Sears das wichtigste Hormonsystem zur Erreichung des "Optimums" dar.
Noch wichtiger sind jedoch nach Meinung des Autors die Eicosanoide, die die Hormone des Körpers kontrollieren würden und von Sears als "Superhormone" bezeichnet werden. Zu ihnen gehören u.a. die Prostaglandine, die Thromboxane und die Leukotriene.
Sears unterteilt die Eicosanoide in eine gute und eine schlechte Gruppe. Gute Eicosanoide hemmen z.B. die Thrombozytenaggregation, Zellwucherungen und Entzündungen, schlechte hingegen fördern diese Prozesse, sind aber auch -in Maßen- nötig.
Die Produktion der unterschiedlichen Eicosanoide läßt sich am besten beeinflussen durch die Ernährung. Kohlenhydratreiche Ernährung soll z.B. die Produktion guter Eicosanoide vermindern ebenso wie Streß und Erkrankungen. Auch Alpha-Linolensäure soll deren Produktion blockieren und Arachidonsäure stellt einen Baustein schlechter Eicosanoide dar. Werden die Eicosanoide ausgewogen gebildet, ist man gesund, aus einem Ungleichgewicht entwickeln sich Krankheiten. Der Schlüssel der Leistungsdiät nach Sears ist also eine Balance der Eicosanoide. Ihr Primärziel sei, die Aufnahmegeschwindigkeit von Eiweißen und Kohlenhydraten ins Blut und daraus resultierende Hormonreaktionen zu kontrollieren.
Dies soll vor allem durch die wichtigste Ernährungsregel erreicht werden, die besagt, daß das Verhältnis von Eiweiß zu Fett 0,75 betragen soll, was einer Menge von 3 g Eiweiß auf 4 g Kohlenhydrate entspricht. (Zulässig ist nach Sears eine Spannbreite von 0,6 bis 1,0 - je nach Genpotential des Menschen.)
Der erste Schritt beim Aufbau einer Leistungsdiät liegt in der Ermittlung des täglichen Eiweißbedarfs, wozu der Autor im Anhang auch genaue Berechnungen liefert. Anschließend verteilt man seinen Bedarf gleichmäßig über den ganzen Tag nach der sogenannten Nährstoff-Block-Methode. Ein Eiweißblock entspricht 7 g Eiweiß, die man dann nur noch jeder Mahlzeit (3 pro Tag plus 2 Snacks) in bestimmter Anzahl zuordnen muss. Die Zufuhr von Kohlenhydraten und Fetten soll dann so erfolgen, daß pro Eiweißblock die gleichzeitige Aufnahme von einem Kohlenhydrat- (= 9 g KH) und einem Fettblock (=1,5 g Fett) erfolgt. Bei den Kohlenhydraten sollte man solche mit niedrigem glykämischen Index bevorzugen, bei Fetten eher ungesättigte Fettsäuren. Da gesättigte Fettsäuren und auch die Arachidonsäure Bausteine schlechter Eicosanoide sind, sollen sie gemieden werden.
Im ersten Teil des Buches spricht der Autor davon, sich in der Leistungsdiät gar nicht auf die Aufnahme von Kalorien zu konzentrieren, weiter hinten gibt er jedoch an, dass die Gesamtkalorienzahl für jedes Gericht höchstens 500 kcal, für jeden Snack höchstens 100 kcal betragen soll. Anzustreben sei, so lange wie möglich im Optimum zu bleiben, deshalb soll genau bestimmt werden, wann die Nahrungsaufnahme erfolgt, da man nicht länger als fünf Stunden ohne Leistungsmahlzeit sein darf.
Vitamine und Mineralstoffe spielen nur eine zweitrangige Rolle, was das Optimum betrifft. Sears sagt sogar, dass ihnen zu große Aufmerksamkeit geschenkt wird. Wenige Sätze später gibt er aber Empfehlungen zur täglichen Vitaminzufuhr, die die Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) überschreiten. Für Vitamin E empfiehlt er eine Menge von 200 IE, für Vitamin C 500 mg und für Beta-Carotin 10000 IE (6 mg). Vitamin E soll sogar supplementiert werden, da die aufgenommene Menge im Rahmen der Leistungsdiät nicht ausreiche.
Im zweiten Teil des Buches geht der Autor auf verschiedene Krankheiten ein, z.B. Herzerkrankungen, Krebs und chronische Erkrankungen. Er kommt bei allen zu dem gleichen Schluss, nämlich dass die Krankheit auf einer Überproduktion schlechter Eicosanoide beruht und man mit der Leistungsdiät die Krankheit bekämpfen oder zumindest in ihrer Weiterentwicklung stoppen kann, was zweifelsohne zu einer Verbesserung der Lebensqualität führen würde.
Barry Sears testete seine Diät mit vielen Spitzensportlern, deren Leistungen sich dadurch stark verbessert haben sollen. Unter anderem soll die Leistungsdiät zum achtfachen Goldmedailliengewinn der US-Schwimmer bei den Olympischen Spielen in Barcelona geführt haben, wie Sears wiederholt anführt.

Bewertung: Die Kritik des Autors an der kohlenhydratreichen Ernährung ist sicherlich nicht richtig.
Untersuchungen haben gezeigt, dass die Fettsäurebildung aus Kohlenhydraten gering ist und nicht in dem Umfang abläuft, wie Sears es beschreibt. Selbst nach einer massiven Kohlenhydratzufuhr ist das Ausmaß der Fettsynthese niedrig; sie ist ein enzymatisch sinnvoll regulierter Prozess, der nur dann in größerem Umfang abläuft, wenn man sich fast fettfrei und extrem kohlenydratreich ernährt. Derartige Bedingungen lassen sich in der praktischen Ernährung kaum realisieren. Natürlich kann eine langfristige Überschreitung des Energiebedarfs mit Kohlenhydraten zur Neubildung von Fett führen, aber diese Fettbildung erfolgt langsamer und ist geringfügiger als bei gleich großem Energieüberschuss an Fett. Wer sich auf Dauer zu viel Energie zuführt, nimmt zu, egal woher die Energie stammt.
Getreide bildet für den größten Teil der Menschheit die wichtigste Nahrungsgrundlage. Getreideerzeugnisse sind preiswert, gut verfügbar und ernährungsphysiologisch wertvoll, hauptsächlich natürlich Getreideerzeugnisse aus Vollkorn, die eine deutlich höhere Nährstoffdichte als die vergleichbaren Weißmehlerzeugnisse aufweisen. Aus diesem Grund ist es nicht sinnvoll, Getreide und Getreideprodukte zu meiden, wie es Sears empfiehlt.
Neben dem Kohlenhydrat- und Ballaststoffanteil entscheiden noch andere Faktoren, wie schnell der Blutzuckerspiegel ansteigt, insbesondere der Verarbeitungsgrad der Lebensmittel, die Essgeschwindigkeit und die Nährstoffrelation der gesamten Mahlzeit. Man kann den Anstieg des Blutzuckers also nicht ausschließlich den "schlechten" Kohlenhydraten zuschreiben. Eine Aussage von Sears ist: "Sportler bringen bessere Leistung, wenn sie sich fettreich statt kohlenhydratreich ernähren." Es gilt aber, daß Kohlenhydrate im Sport die wichtigsten Energielieferanten sind. Eine Kost mit einem hohen Anteil an Kohlenhydraten steigert die körperliche Leistungsfähigkeit, die Empfehlungen für Ausdauersportler liegen bei 55-60 % der Energiezufuhr (DGE).
"Für Herz-Kreislauf-Patienten kann eine kohlenhydratreiche Ernährung gesundheitsgefährdend sein.", ist eine weitere Aussage des Autors. Er bezieht das auf den erhöhten Insulinspiegel, der ein sicherer Bote für Herzinfarkt sein soll. Es ist jedoch so, daß Kohlenhydrate das Gesamt- und das LDL- Cholesterin senken und ein erhöhter LDL-Cholesterinspiegel, wie er vor allem bei fettreicher Ernährung auftritt, ist ein wichtiger Risikofaktor für die koronare Herzkrankheit. Als Basiskost für Herz-Kreislauf-Patienten gilt sogar eine kohlenhydrat- und ballaststoffreiche, fettarme Ernährung.

Vor allem in der Rheumatherapie wird heute eine entzündungshemmende Diät empfohlen, die auf einem Eingriff in die Eicosanoidbildung beruht. Hauptsächlich soll hierbei die Arachidonsäure- sowie Linolsäurezufuhr eingeschränkt werden, da die Arachidonsäure Ausgangspunkt der Biosynthese aller biologisch bedeutsamen Eicosanoide ist. Die Menge der Arachidonsäure bestimmt das Ausmaß der Eicosanoidbildung und damit auch die Intensität der entzündlichen Reaktion. Dies entspricht einigen der von Sears genannten Punkte. Ob sich daraus aber so genaue Ernährungsrichtlinien ableiten lassen, ist fraglich. Gerade der Zusammenhang zwischen Eicosanoidbildung und den Kohlenhydraten ist wissenschaftlich nicht bewiesen. Die genaue Aufnahme der Nährstoff-Blöcke im richtigen Verhältnis und eine zeitlich geregelte Mahlzeiteneinnahme ist sicher nicht einfach einzuhalten. Außerdem ist die Praktikabilität der Sears-Diät fraglich. Aufgrund der fehlenden Belege für die gesundheits- bzw. krankheitsbezogenen Aussagen und der teilweise wissenschaftlich unkorrekten Begründungen für seine Ernährungsempfehlungen halten wir die Sears-Diät für nicht empfehlenswert.

Literatur:
ADAM, O.: Rheuma und Ernährung. In: Aktuelle Ernährungsmedizin 20, S. 180-183, 1995
BÄSSLER, K.H.: Wird man durch Kohlenhydrate fett? In: Ernährung/Nutrition 19 (1), S. 23-25, 1995
GIEHRING, H.: Kohlenhydrate und ihre Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit des menschlichen Körpers. In: Ernährungsumschau 46 (3), S. 98-100, 1999
KOERBER, v. K. u.a.: Vollwert-Ernährung. S. 71-72 u. 143-144, Haug, Heidelberg 1994
SEARS, B.; LAWREN, B.: Das Optimum - Die Sears Diät. Econ, München 1999
WAHRBURG, U.; ASSMANN, G.: In: Ernährungsmedizin. S. 274-275, Thieme, Stuttgart 1995

Stand: 2007