Clean Eating - Gesunder Lifestyle

Wer sich mit aktuellen Ernährungstrends beschäftigt oder in den letzten Monaten einen Blick in Frauenmagazine geworfen hat, kommt um Clean Eating nicht herum. Was steckt hinter dem Hype?

Clean Eating © R. zoomteam/123RF.com

Clean Eating gehört nicht zu den neumodischen Diäten, wie der Name vielleicht vermuten lässt. Vielmehr geht es dabei um eine dauerhafte Ernährungsform, bei der für ein fittes und gesundes Körpergefühl bewusst auf Fast Food, Fertigprodukte und Süßigkeiten verzichtet wird. Statt industriell hergestellter Convenience-Produkte gibt es möglichst naturbelassene und frisch verarbeitete Lebensmittel. Eine Faustregel lautet: Stehen Fremdwörter oder mehr als fünf Inhaltsstoffe auf der Zutatenliste, ist das Produkt wahrscheinlich nicht clean. Daher werden hauptsächlich frisches Gemüse und Obst, Vollkornprodukte und Hülsenfrüchte, aber auch Nüsse, Samen und Pseudogetreide wie Quinoa verwendet. Die genaue Auslegung der Ernährung kann dabei ganz unterschiedlich ausfallen. Manche verzichten komplett auf Getreide, andere auf tierische Produkte. Generell geht es darum, sich und seinem Körper etwas Gutes zu tun. Wie das im Einzelnen aussieht, bleibt jedem selbst überlassen.

Tosca Reno, kanadisches Fitness-­Model und Ernährungsberaterin, veröffentlichte in ihrem Eat-Clean Diet Book 2007 erstmals das Clean-Eating-Konzept. Seit dem verbreitet sich die Idee unaufhaltsam. Über Hollywood-Stars, amerikanische Talk-Shows und soziale Netzwerke ist die neue Ernährungsform jetzt auch bei uns angekommen. Anfang des Jahres hat die Gesundheitswissenschaftlerin Hannah Frey aus Hamburg ein deutschsprachiges Buch unter dem Titel Clean Eating – Natürlich kochen auf den Markt gebracht. Wie viele andere hat auch sie ihre Erfahrungen, Rezepte und Tipps zunächst in einem Blog im Internet kundgetan.

Vollwert 2.0 – Altbekanntes neu verpackt

Die Idee des Clean Eatings scheint besonders junge Frauen anzusprechen. Zahlreiche Bloggerinen nutzen die sozialen Netzwerke, um sich auszutauschen und Inspiration zu suchen. Dadurch findet man manchmal auch etwas widersprüchliche Aussagen. Denn jeder setzt die Grundidee für sich passend um und gibt andere Tipps weiter. Aber gerade diese auslegbaren und flexiblen Regeln des Clean-Eating sprechen so viele junge Leute an. Auch bei den Bilderdiensten Instagram und Pinterest finden sich tausende Fotos von cleanen Gerichten. Wer zwischendurch einen kleinen Motivationskick braucht, um am Ball zu bleiben, wird dort definitiv fündig. Hier lässt sich sofort erkennen: Für die meisten steckt hinter Clean Eating nicht nur eine Ernährungsform, sondern ein ganzer Lifestyle. Dazu gehört neben Yoga und Fitness auch die perfekte Selbstdarstellung. Denn am besten sieht die Schüssel Chiasamen mit Gojibeeren doch in einer frisch manikürten Hand aus. Genau dieser moderne Auftritt scheint das Erfolgsrezept des Konzepts zu sein.

Vielen wird diese Ernährungsform bekannt vorkommen. Tatsächlich ähnelt sie in vielem dem Konzept der Vollwert-Ernährung, die auf naturbelassenen, frischen und schonend zubereiteten Lebensmitteln basiert. Doch der Vollwert-Ernährung haftet oftmals noch das alte Image der schwer verdaulichen Körnerküche an. Nicht so beim Clean Eating: Hier kommt das altbewährte Frischkornmüsli als Overnight Oats daher, das mit Superfoods ergänzt zum Lieblingsfrühstück der Clean-Eating-Anhänger wird.

Das Frühstück hat generell einen sehr hohen Stellenwert. Eine der Clean-Eating-Regeln lautet: Frühstücke jeden Morgen, denn das regt den Stoffwechsel an und beugt Heißhungerattacken vor. Weiter empfiehlt die Begründerin Reno, insgesamt sechs kleine Mahlzeiten über den Tag verteilt zu essen, auch noch am späteren Abend. So würde der Insulinspiegel stabil und der Stoffwechsel aktiv bleiben. Als Zwischenmahlzeit schlägt sie Nüsse, Obst oder auch etwas Joghurt vor. Andere Clean-Eating-Vertreter streichen die späte Abendmahlzeit und raten nur zu fünf Mahlzeiten am Tag. Die Vollwert-Ernährung macht hier keine Vorgaben, rät aber auch vom Essen kurz vor dem Zubettgehen ab, damit Magen, Darm und Leber in der Nacht ruhen können.

Gesunder Ansatz – aber nicht ganzheitlich

Neben der Bevorzugung gering verarbeiteter Lebensmittel, verbindet die Vollwert-Ernährung und das Clean-Eating-Konzept auch die pflanzlich betonte Kost. Bei beiden findet man zwar verschiedene Varianten von wenig Fleisch bis vegan, doch generell gilt: Jeder so, wie er mag. Was beim Clean Eating allerdings häufig fehlt, ist der Blick über die eigene Gesundheit hinaus. Oft sind zum Beispiel sogenannte Superfoods in den Rezepten zu finden. Diese gelten als besonders nährstoffreich und dadurch gut für Gesundheit, Wohlbefinden und Aussehen. Moringa, Gojibeeren und Norialgen sind aber nicht nur recht teuer, sie kommen von weither und haben daher eine schlechte Klimabilanz. Für den langen Transport werden sie außerdem meist getrocknet und verlieren dabei wertvolle Vitamine und sekundäre Pflanzenstoffe. Und auch die mögliche Pestizidbelastung sollte bedacht werden.

Dabei kann man die Exoten ganz einfach durch einheimische Superfoods ersetzen. Statt Chia tut es auch Leinsamen, anstelle von Moringa gibt es heimischen Grünkohl und die exotischen Aronia-, Acai- oder Gojibeeren lassen sich wunderbar durch schwarze Johannis- oder Heidelbeeren austauschen. So spart man eine Menge Geld, tut etwas für die Umwelt sowie seine Gesundheit – und ist im Grunde wieder bei der guten alten Vollwertkost. Denn in der Vollwert-Ernährung wird generell ganzheitlicher gedacht. Die Empfehlungen beziehen sich auf ökologisch erzeugte Lebensmittel, regionale und saisonale Erzeugnisse sowie umweltverträgliche Verpackungen und fair gehandelte Lebensmittel. Beim Clean Eating findet man zwar auch hin und wieder die Empfehlung, hauptsächlich regionale Bioware zu kaufen. Dieser Rat beruht aber nur auf dem höheren Anteil an Vitaminen und Antioxidanzien, die entgiften und erfrischen sollen.

Gleiches Ziel – verschiedene Zielgruppen

Wer sich vor der Umstellung auf eine cleane Ernährung jahrelang von Weißmehlprodukten, fett- und salzreichem Fertigessen sowie Alkohol und zuckerhaltigen Getränken ernährt hat, wird auch einige der zahlreichen Versprechungen der Clean Eater bei sich feststellen können. Ob unreine Haut, Kopfschmerzen, Blähbauch, Konzentrationsschwäche und Antriebslosigkeit oder Übergewicht – Clean Eating soll die Leistungsfähigkeit steigern und das Körpergefühl verbessern. Viele dieser Aussagen sind nur teilweise wissenschaftlich belegt. Aber wenn es eben eine sportlich-attraktive Ernährungsberaterin aus Kanada braucht, um eine junge Zielgruppe zu motivieren, wieder selbst zu kochen und sich mit den frischen Zutaten auseinanderzusetzen – warum nicht? Insgesamt haben das Clean-Eating-Konzept und die Vollwert-Ernährung viele Gemeinsamkeiten und vertreten übereinstimmend das Ziel: Zurück zu naturbelas­senen Produkten, frischen Lebensmitteln und eigener Zubereitung. Denn so weiß man, was wirklich in seinem Essen drin ist, und kann sich sicher sein, seiner Gesundheit etwas Gutes zu tun.

Quelle: Fischer J. UGBforum 5/15, S. 256-257