Silent Inflammation: Mit Ernährung vorbeugen
Neben Stress und Bewegungsmangel sind vor allem falsche Ernährungsgewohnheiten als Auslöser für niederschwellige Entzündungen identifiziert. Daher lassen sich eine sogenannte Silent Inflammation und daraus resultierende Erkrankungen vor allem mit einer anti-entzündlichen Ernährung vorbeugen und bekämpfen.

Ein blauer Fleck, weil man sich an der Tischkante gestoßen hat, ist offensichtlich. Ebenso macht sich eine entzündete Wunde nach einem kleinen Schnitt mit dem Küchenmesser ein paar Tage bemerkbar. Viele Entzündungen im Körper bleiben aber im Verborgenen, weil sich Immunsystem und Reparaturmechanismen ganz automatisch darum kümmern. So ist eine akute Entzündung eine gesunde Abwehrreaktion des Immunsystems auf Keime, die in unseren Körper eindringen. Dagegen spielt sich eine sogenannte Silent oder Low-Grade-Inflammation im Verborgenen ab. Weil sie meist unerkannt („still“) bleibt, wird sie chronisch und heilt nur selten von allein aus.
Symptome einer stillen Entzündung können nachlassende Leistungsfähigkeit, Schlafstörungen, chronische Müdigkeit, eine steigende Infektanfälligkeit oder anhaltende Kopf-, Muskel- oder Gelenkschmerzen sein. Eine solche unterschwellige Entzündung ist zunächst keine Erkrankung, sondern nur ein Syndrom, aus dem sich im weiteren Verlauf manifeste, chronische Erkrankungen entwickeln können.
Falsche Ernährung als Hauptursache
Im Zuge neuer wissenschaftlicher Untersuchungen haben sich Ernährungsfehler als bedeutende Ursache für chronische Entzündungsprozesse erwiesen. Im Zentrum stehen dabei vor allem eine fett- und zuckerreiche Ernährung sowie insgesamt zu viele Mahlzeiten. Auch ein zu reichlicher Verzehr tierischer Lebensmittel und ein Mangel an entzündungshemmenden und antioxidativen Vitaminen, Mineralstoffen und sekundären Pflanzenstoffen können eine Low-Grade-Inflammation begünstigen. Neben Ernährungsfehlern befeuern aber auch Distress, Bewegungsmangel, Rauchen und (Umwelt-)Schadstoffe eine Silent Inflammation.
Zu viel oxidativer Stress fördert Entzündungen
Ein Kennzeichen einer Silent Inflammation ist die vermehrte Bildung Reaktiver-Sauerstoff-Spezies (ROS) oder entsprechender Stickstoffverbindungen (RNS). Die sehr reaktionsfähigen Verbindungen ver- ändern Zellmembranen, Proteine und Enzyme. Sie können das Erbgut schädigen und sind am Alterungsprozess beteiligt. Diese Stoffwechsellage bezeichnet man daher auch als oxidativen Stress. In moderaten Mengen entstehen die reaktiven Substanzen auch bei zahlreichen regulären Stoffwechselprozessen wie der Energiegewinnung oder normalen Immunreaktionen auf Krankheitserreger. Deshalb geht es nicht darum, die Entstehung möglichst zu unterdrücken. Der oxidative Status ist ein dynamischer Prozess, der ständig reguliert und eingestellt wird. Neben der Zufuhr antioxidativer Nährstoffe verfügt der Organismus über ein Schutzsystem aus zahlreichen antioxidativen Enzymen. Durch eine ungünstige Ernährung kann diese Balance jedoch in Schieflage geraten.
Eine hohe Zufuhr an einfachen Kohlenhydraten, zum Beispiel über Softdrinks, Weißmehlprodukte und Lebensmittel mit zugesetztem Zucker, erhöht die Gefahr, dass die körpereigenen Regulationsmechanismen überfordert werden. Nach einer Mahlzeit ist ein erhöhter Blutzuckerspiegel normal. Ein anhaltend hoher Blutzuckerspiegel, also eine Hyperglykämie, ist hingegen krankhaft und entfacht Entzündungsprozesse und oxidativen Stress. Bewegungsmangel verstärkt diese Gefahr noch. Die Auswirkungen einer hohen Zufuhr von Fruktose aus gezuckerten Erfrischungsgetränken übersteigen diesbezüglich sogar die Wirkung von Glucose und Saccharose.
Komplexe Kohlenhydrate klar im Vorteil
Zum antientzündlichen Essen zählt neben antioxidanzienreicher Kost vor allem die Vermeidung hoher Blutzuckerspiegel. Empfehlenswert ist es deshalb, den Anteil komplexer Kohlenhydrate zugunsten von einfachen zu erhöhen: Hülsenfrüchte und Vollkornprodukte enthalten verschiedene Substanzen wie Ballaststoffe und Enzyminhibitoren, die die Aktivität der kohlenhydratspaltenden Enzyme im Verdauungstrakt reduzieren und so zu ausgeglichenen Blutzuckerspiegeln beitragen. Ähnliche Substanzen sind auch in Nüssen und Ölsaaten zu finden. Aus Ballaststoffen produzieren die Darmbakterien zudem die kurzkettige Fettsäure Butyrat. Diese gelangt nach der Aufnahme ins Blut und sorgt für eine höhere oxidative Kapazität. Sie gelangt sogar in die Gelenkflüssigkeit und vermindert Entzündungen wie rheumatoide Arthritis.
Beim Essen die richtigen Fette wählen
Auch ein Übermaß an Fett kann entzündungsfördernd wirken. Daher gilt es, die Fettzufuhr insgesamt zu verringern. Eine Schlüsselrolle spielt hier die Arachidonsäure, eine Omega-6-Fettsäure. Der Körper bildet daraus proinflammatorische Botenstoffe, sogenannte Eicosanoide wie Prostaglandine oder Leukotriene. Diese hormonähnlichen Substanzen wirken als Immunmodulatoren oder können Mastzellen aktivieren, die allergische Entzündungen anheizen.
Arachidonsäure wird im Körper in geringen Mengen aus Linolsäure gebildet und kommt sonst nur in tierischen Lebensmitteln vor. Besonders viel liefern Fleisch, Eigelb, Schweineschmalz und Leberwurst. Die meisten Omega-3-Fettsäuren wirken dagegen antientzündlich, indem sie die Synthese von Eicosanoiden aus Arachidonsäure hemmen. Günstig ist es daher, eine ausgewogene Mischung aus Oliven-, Walnuss-, Lein-, Raps- und Hanföl zu verwenden. So klingen beispielsweise bei Patient:innen mit rheumatoider Arthritis die schmerzauslösenden Entzündungsprozesse weitgehend ab, wenn sie auf Fleisch und andere tierische Lebensmittel verzichten. Besonders wirksam sind die langkettigen Omega-3-Fettsäuren Eicosapentaensäure (EPA) und Docosahexaensäure (DHA). Sie kommen reichlich in fetten Seefischen wie Lachs, Hering oder Makrele vor. Ein häufiger Fischverzehr ist jedoch aus ökologischen Gründen kritisch einzustufen.
Bauchfett forciert entzündliche Prozesse
Fettleibigkeit mit ausgeprägtem Bauchfett erhöht das Risiko für eine stille Entzündung. Bei dieser sogenannten viszeralen Adipositas wird das Fett nicht als Unterhautfett gespeichert, sondern im Bauchraum zwischen den Organen eingelagert. Durch das wachsende Fettgewebe werden die weit von den Blutgefäßen entfernten Fettzellen nicht mehr ernährt und sterben ab. Fettsäuren werden freigesetzt, teilweise oxidiert und wirken so als Radikale. Viszerale Fettzellen sind zudem besonders sensibel gegenüber fettabbauenden Hormonen und Enzymen. Deshalb steigt die Konzentration freier Fettsäuren im Blut. Das vermindert die Aufnahme von Glucose in die Muskulatur und erhöht die Freisetzung von Glucose aus der Leber. Der dadurch ständig erhöhte Blutzuckerspiegel verringert auf Dauer die Insulinwirksamkeit. Zudem produziert das viszerale Fettgewebe Entzündungsfaktoren wie TNF-alpha und Interleukine sowie Hormone, die eine Insulinresistenz noch verstärken.
Auch Lipoproteine, die für den Transport von Cholesterin und Triglyceriden verantwortlich sind, können durch oxidativen Stress geschädigt werden. Beispielsweise wird das LDL-Cholesterin dadurch stark verändert. Immunzellen (Makrophagen) müssen oxidiertes LDL beseitigen, gehen davon zugrunde und bilden die Grundlage für Gefäßablagerungen bei Athersklerose.
Enzyme benötigen Mineralstoffe und Vitamine
Verschiedene körpereigene Enzyme dienen der Entgiftung von reaktiven Sauerstoffspezies in den Zellen. Für ihre Funktionsfähigkeit benötigen diese Enzyme bestimmte Mineralstoffe und Vitamine. So ist zum Beispiel die Superoxiddismutase ein kupferhaltiges Enzym, dass zusätzlich Zink und Mangan braucht. Die Glutathionperoxidase entfernt Sauerstoffradikale und ist auf Selen angewiesen. Darüber hinaus wirken Chrom, die Vitamine C, E und Beta-Carotin sowie zahlreiche sekundäre Pflanzenstoffe als Antioxidanzien.
Bunte Auswahl an Gemüse und Obst schützt
Besonders reich an antientzündlich wirkenden Inhaltsstoffen sind Gemüse und Obst. Um den Gehalt bestmöglich auszuschöpfen, sollten sie möglichst mit Schale verzehrt werden. Denn gerade die sekundären Pflanzenstoffe wie Anthocyane und Flavonoide sind in der Schale und direkt darunter viel höher konzentriert als im Fruchtfleisch. Bei Tomaten, Paprika und Äpfeln ist dies gut untersucht. So enthält ein Apfel mit Schale etwa so viel Quercetin, ein antioxidatives Flavonoid, wie fünfzehn geschälte Äpfel.
Im Hinblick auf Entzündungen punkten Vitamin-C-reiche und damit antioxidanzienreiche Gemüse- und Obstsorten. Heimischen Sorten wie Weiß-, Rot- und Grünkohl, Brokkoli, Karotten, Äpfel oder Beerenobst bieten hier reichlich Auswahl. Das antioxidativ wirkende Vitamin E findet sich vor allem in Weizenkeimöl, aber auch in Nüssen und Samen wie Mandeln oder Sonnenblumenkernen. Stark beworbenes exotisches Superfood oder teure Pflanzenextrakte sind dafür nicht nötig.
Für reichlich Mineralstoffe und Spurenelemente sorgen Vollkornprodukte. Weizenvollkornmehl liefert bis zu zehnmal mehr Mineralien als Auszugsmehl. Auch Nüsse und Samen tragen zur Versorgung mit diesen wichtigen Inhaltsstoffen bei. Verschiedene Gewürze haben ebenfalls eine hohe antioxidative und antientzündliche Kapazität. Hier sind besonders Oregano, Kurkuma und Ingwer zu nennen. Die beobachteten antioxidativen Wirkungen stammen allerdings überwiegend aus Tier- und Laborstudien. Dennoch spricht nichts dagegen, diese Gewürze im Essen reichlich zu verwenden. Von der unkontrollierten Einnahme hochdosierter Präparate wie Muskat- oder Kurkumapulver ist allerdings abzuraten. Sie können der Gesundheit sogar schaden.
Die beste Wahl: vollwertig und pflanzenbetont
Eine Silent Inflammation kann auch Erkrankungen wie nichtalkoholische Fettleber, Gicht, rheumatische Erkrankungen, chronisch entzündliche Darmerkrankungen und Autoimmunerkrankungen begünstigen. Teilweise sind die Entzündungsprozesse ein Teil der zugrundeliegenden Ursachen, teilweise können sie den Krankheitsverlauf verstärken. In vielen Fällen kann eine Ernährung, die wenig entzündungsfördernde Stoffe enthält und reich an entzündungshemmenden Substanzen ist, die Beschwerden lindern oder sogar ganz abklingen lassen. Auch Gesunde profitieren von einer solchen Ernährungsweise, indem sie eine Low-Grade-Inflammation vermeiden.
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