UGB-Tagung 2022

Unter dem Titel „Zukunft sichern – Risiken meiden“ veranstaltete der UGB vom 6.-7. Mai 2022 seine diesjährige Jahrestagung. Mehr als 300 Teilnehmende schalteten sich zum Online-Kongress zu und diskutierten mit den Referent:innen Fragen zu gesellschaftlicher Verantwortung einer nachhaltigen Lebensweise und neuesten ernährungswissenschaftlichen Erkenntnissen.

Stress verursacht Krankheiten wie Fettleibigkeit, Schlafstörungen, Erschöpfung oder Magen-Darm-Beschwerden. Welche Faktoren die Resilienz erhöhen und vor Überlastungen schützen, stellte Prof. Dr. Jana Strahler von der Universität Freiburg vor. Eigene Studien der Psychologin zeigen, dass genügend Schlaf, Respekt erleben, Musik, eine gesunde Ernährung und ausreichend Sport Stress puffern und damit das Wohlbefinden effektiv steigern können. Weitere Faktoren zur Stärkung der Resilienz sieht Strahler unter anderem in einem engmaschigen sozialen Netzwerk, realistischen Optimismus und positiven Emotionen.

Ernährungspolitische Maßnahmen

Ob ein Lebensmittel nachhaltig ist, können Verbraucher:innen beim Einkauf kaum beurteilen. Um nachhaltige Konsumentscheidungen zu ermöglichen, sieht die Agrarwissenschaftlerin Sarah Iweala staatliche Eingriffe als probates Mittel. Oft seien Konsument:innen gar nicht so frei in ihrer Entscheidungswahl, wie es den Anschein habe. Deshalb seien Werbeverbote, eine Lenkungssteuer für Getränke mit hohem Zuckeranteil oder die Ampel-Kennzeichnung auf Verpackungen durchaus wirksam, erklärte die Mitarbeiterin aus dem wissenschaftlichen Beirat des Bundesministeriums für Ernährung. Staatliche Eingriffe stellten somit wirksame Hilfen dar, nachhaltiges Konsumverhalten zu ermöglichen.

Wie sich mehr Bio-Essen in Kindertagesstätten und Schulen bringen lässt, berichtete Daniela Schmid, Projektleiterin des Münchener Tollwood-Projekts „Bio für Kinder“. Bereits in der Pilotlaufzeit des Projekts hätten mehr als eine halbe Million Biomahlzeiten ausgegeben werden können. Neben Rezepten, die helfen, die Mehrkosten für die ökologische Waren im Rahmen zu halten, seien die Einrichtungen auch mit Coachings und küchenfachmännischen Schulungen durch Multiplikatoren unterstützt worden. Insbesondere UGB-Gesundheitstrainer:innen und Fachberater:innen Säuglings- und Kinderernährung UGB seien hier ideal einsetzbar. Der von UGB-Dozent:innen miterarbeitete Bio-Speiseplanmanager steht überregional sowohl Einrichtungen als auch Caterern, die auf 100 Prozent Bio umstellen wollen, unter www.biospeiseplan.de zur Verfügung.

Umweltschutz zahlt sich aus

„Fehlender Umweltschutz kommt uns auf lange Sicht teuer zu stehen“, warnte Dr. Uta Eser. Als Beispiel nannte die Umweltethikerin die Bestäubungsleistung der Bienen, die auf jährlich zwei Milliarden Euro geschätzt werde. Würde die deutsche Landwirtschaft weiterhin so viel Tierdung produzieren wie bisher, entstünden durch die Nitratüberschüsse Strafzahlungen an die EU in Höhe von 850.000 Euro am Tag. Jetzt Schutzmaßnahmen für Klima, Böden und Artenvielfalt zu ergreifen, sei somit sinnvoller, als die Schäden später durch teure technische Lösungen wieder zu beseitigen. Politik und Gesellschaft seien wie jeder Einzelne gefragt, Natur als wertvolles Kapital anzusehen.

Ob Weichmacher in Verpackungen, Acrylamid bei der Zubereitung von Lebensmitteln oder Glyphosat bei der Pestizidbehandlung: „Schadstoffe finden viele Wege in die Nahrung“, berichtete Dr. Kolossa-Gehring. Die fortpflanzungsgefährdenden Weichmacher und perfluorierte Alkylsubstanzen stellte die Toxikologin des Umweltbundesamtes in den Fokus ihres Vortrags. Bei Kindern ließen sich insbesondere hohe Belastungen von Plastik-Weichmachern, die Phthalate und dessen Ersatzstoffe, feststellen (siehe UGBforum 2/22). Um hohe Belastungen zu vermeiden, empfahl sie, ökologische, regionale und saisonale pflanzliche Lebensmittel zu bevorzugen.

Eine geringe Schlafdauer erhöht das Risiko für gesundheitliche Schäden wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder psychische Beeinträchtigungen. „Die minimale empfohlene Schlafdauer erreichen aber meist nur Neugeborene“, betonte die Oecotrophologin Monika Potter. Körperliche Aktivität, wenig Coffein, mäßiger Alkoholgenuss und feste Schlafens- und Wachzeiten seien dagegen wichtige Faktoren für einen guten Schlaf, so die Expertin.

Seneszenz: dem Altern entgegentreten

Mit dem Älterwerden kommt es in den Körperzellen verstärkt zu Fehlfunktionen, genomischen Veränderungen oder oxidativen Attacken. Was dies auf biochemischer Ebene bewirkt, zeigte Hans-Helmut Martin auf. Zugleich wies der wissenschaftliche Leiter der UGB-Tagung darauf hin, „dass es völlig normal ist, dass sich die Abläufe in den Körperzellen mit dem Älterwerden verändern.“ Wir hätten allerdings die Möglichkeit, diesem Funktionsverlust unserer Körperzellen entgegenzutreten. Unter anderem riet er zu einer Kalorienrestriktion, Fasten oder Intervallfasten.

Dr. med. Günther Schwarz weitete den Blick für ganzheitliche Aspekte des entzündlichen Geschehens und der Alterungsprozesse. 40 Prozent der Risikofaktoren, die zu Demenz beitragen, seien beeinflussbar, so der Facharzt für Allgemeinmedizin. Darunter käme dem Stressgeschehen eine besondere Rolle zu. Aus seiner Sicht erhöhen dabei soziale Rahmenbedingungen wie Ausgrenzung und Vereinsamung den Stress für den Körper, was sich besonders im Alter bemerkbar mache. Eine ganz besondere Rolle käme daher einem guten sozialen Miteinander zu, da so die Ausscheidung von entzündungsfördernden Botenstoffen vermindert und Alterungsprozesse positiv beeinflusst würden.

Gesund beginnt im Mund

Über zehn Millionen Menschen in Deutschland sind an einer Parodontitis erkrankt. Neben einer schlechten Zahn- und Mundhygiene erhöhen Rauchen, Alkohol, Adipositas und eine schlechte Ernährung das Risiko. Was viele nicht wissen: Parodontitis trägt zur Entstehung verschiedener entzündlicher Erkrankungen wie malignen Tumoren, Typ-2-Diabetes oder chronisch entzündlichen Darmerkrankungen bei, berichtete Dr. Angelika Pletka. Neben der regelmäßigen häuslichen und ärztlichen Zahnreinigung riet die Zahnärztin und UGB-Gesundheitstrainerin vor allem zu einer überwiegend pflanzlichen Ernährung.

Ernährungswissenschaftlerin Dr. Christina Holzapfel vom Institut für Ernährungsmedizin in München (TUM) nahm genbasierte Ernährungsempfehlungen unter die Lupe. So gebe es zwar eine genetische Komponente für Adipositas, doch mache diese Veranlagung nur rund drei zusätzliche Kilogramm aus. Große individuelle Unterschiede zeigten sich dagegen bei den sogenannten postprandialen Antworten des Stoffwechsels, das heißt, wie der Körper auf die Fett- oder Kohlenhydratzufuhr reagiere. Auch die unterschiedliche Zusammensetzung des Mikrobioms müsse bedacht werden, ebenso wie Umweltfaktoren und der Lebensstil. All das ließe sich in der klassischen Ernährungsberatung besser berücksichtigen als in standardisierten Laboranalysen.

Einen Überblick über Apps, die ökologische und gesundheitliche Aspekte der Ernährung berücksichtigen, gaben die Agrarwissenschaftlerinnen Elke Herta Albrecht und Mareike Lincke von der Universität Göttingen. Ihr Fazit lautete, dass die Apps teilweise eine Fülle an wichtigen Fakten lieferten. Zwar unterstützten sie die klassische Ernährungsberatung, könnten diese aber nie ersetzen. Seriöse Apps zeichneten sich durch Transparenz aus. Am vertrauenswürdigsten hätten sich hier Angebote bekannter Institutionen gezeigt.

Die Rückmeldungen der Teilnehmenden zeigte allergrößte Zufriedenheit. Mehr als 95 Prozent gaben an, dass die Erwartungen ganz oder überwiegend erfüllt wurden. Besonders die Chats im Anschluss an jeden Vortrag, in dem die Zuschauer:innen ihre individuellen Fragen an die Referent:innen richten konnten, wurden rege in Anspruch genommen. Der Termin für die UGB-Tagung im nächsten Jahr steht bereits fest. Diese ist für den 12.-13. Mai 2023 in der Gießener Kongresshalle geplant.

Bild © UGB

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Pflanzlich in die Zukunft Dieser Beitrag ist erschienen in:
UGBforum 3/2022
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