Lebensmittelverpackungen: Schadstoffe aus dem Karton

Verpackungen lassen nicht nur die Müllberge wachsen. In den Tüten, Glasdeckeln und Kartons stecken auch Chemikalien, die ins Essen gelangen und mitgegessen werden. Sie können dem Körper schaden.

Lebensmittelverpackungen

Etwa 90 Prozent der Lebensmittel aus dem Supermarkt sind verpackt. Beutel, Kartons, Dosen, Becher und Gläser mit Deckel sollen Milch, Joghurt, Reis, Suppen und Getränke schützen. Denn das Essen darin reagiert empfindlich auf Sauerstoff, Licht, Feuchtigkeit und Mikroorganismen. Die Verpackungen bewahren vor den äußerlichen Einflüssen – werden aber oft selbst zur Quelle unerwünschter Stoffe im Essen. „Vermutlich 100.000 verschiedene Substanzen gehen von Verpackungsmaterialien in Nahrungsmittel über“, schätzt Dr. Konrad Grob. Und zwar in Mengen, die „toxikologisch relevant“ sind. Das heißt: die schädlich sein könnten und deren gesundheitliche Unbedenklichkeit man hätte prüfen müssen.

Dr. Grob ist einer der führenden Verpackungsanalytiker in Europa. Das Kantonale Labor Zürich, in dem er arbeitet, hat tausende Verpackungen untersucht, für die Schweiz, aber auch für das deutsche Verbraucherministerium. „Die meisten Stoffe sind noch gar nicht identifiziert, geschweige denn auf ihre Unbedenklichkeit geprüft“, sagt Grob. Er hat errechnet, dass die Menge an Chemikalien, die aus Tüten, Kartons und anderen Verpackungen ins Essen wandern, rund hundertmal größer ist als die Rückstände von giftigen Pflanzenschutzmitteln in konventionellen Lebensmitteln. Bedarfsgegenstände, zu denen Lebensmittelpackungen zählen, dürfen laut der Verordnung für Bedarfsgegenstände solche Stoffe abgeben, die gesundheitlich unbedenklich sind und Geschmack und Charakter des Lebensmittels nicht verfälschen. Doch regelmäßig finden Untersuchungsämter, Labore und Testzeitschriften Rückstände von Verpackungsstoffen im Essen, die die gesetzlichen Grenzwerte überschreiten – oder die noch gar nicht geregelt sind.

Mineralöle im Körper

Ein großes Problem sind die Mineralöle: Jene Substanzen, die die Stiftung Warentest vergangenes Jahr in der Vorweihnachtszeit in der Schokolade von Adventskalendern fand. Sie stammen aus den Druckfarben von Zeitungen und anderem Altpapier, aus denen Kartonverpackungen bestehen. Mineralöle gasen aber auch aus den mineralölhaltigen Aufdrucken von Schachteln ins Essen aus. Das Chemische und Veterinäruntersuchungsamt Stuttgart und das Kantonale Labor Zürich untersuchten vor einiger Zeit gemeinsam 119 Lebensmittel aus Recyclingkartons wie Müslis, Backmischungen, Babykost, Teigwaren, Reis, Salz, Zucker, Puddingpulver und Stärke. Die meisten Proben waren zum Zeitpunkt der Analyse zwei bis drei Monate alt, also noch weit vom Ablauf des Mindesthaltbarkeitsdatums entfernt. Trotzdem war der Grenzwert für sogenannte gesättigte Mineralölkohlenwasserstoffe von 0,6 Milligramm je Kilo Lebensmittel teils um das Zehn-, teils sogar um das Hundertfache überschritten.

Mineralöle sind Gemische aus verschiedenen Kohlenwasserstoffen. In Tierversuchen konnte gezeigt werden, dass sich gesättigte Mineralöle im Körper anreichern und zu Schäden in der Leber, den Herzklappen und den Lymphknoten führen können. Auch beim Menschen wurden bereits Ablagerungen von Mineralölen in Leber, Milz, Lymphknoten und weiteren Organen nachgewiesen, selbst Muttermilch ist damit belastet. Ein bis zehn Gramm Mineralöl trägt jeder Mensch inzwischen in sich, errechneten Ärzte der Spitäler von Bregenz und Innsbruck. Mineralölgemische enthalten auch aromatische polyzyklische Kohlenwasserstoffe. Einige dieser Verbindungen gelten als krebserregend.

Das Verbraucherministerium will demnächst zwei Verordnungen auf den Weg bringen, um die Belastung zu senken. Doch es wird noch dauern, bis die Vorschriften unter Dach und Fach sind. Dabei gibt es Lösungen. Am einfachsten wäre es, Recyclingkartons von innen mit einer dünnen Schicht unbedenklichem Kunststoff zu überziehen, die den Übergang aus der Schachtel ins Lebensmittel stoppt, sagt Chemiker Grob. Bei der Industrie stößt das Vorhaben auf massiven Widerstand, schließlich kostet es zusätzlich Geld.

Weich und gefährlich

Auch Weichmacher, jene Substanzen, die PVC und andere feste Kunststoffe biegsam und elastisch machen, sind ein Problem. Sie stecken in der Dichtung der Deckel von Pesto und Marmelade. 2011 nahm das Chemische und Veterinäruntersuchungsamt Stuttgart 310 ölhaltige Lebensmittel in Gläsern aus ganz Europa unter die Lupe. Ergebnis: 74 Proben überschritten die EU-Grenzwerte. Einige Produkte enthielten sogar die seit Jahren verbotenen giftigen Phthalate.

Viele Weichmacher haben hormonähnliche Wirkungen. Sie werden mit der abnehmenden Spermienzahl bei Männern in Verbindung gebracht. Im Tierversuch führten sie zu Missbildungen an den Fortpflanzungsorganen. Sie stehen auch im Verdacht, die Entstehung von Diabetes, Übergewicht und Fettsucht beim Menschen zu begünstigen. Dabei könnte darauf problemlos verzichtet werden. Eine Firma aus dem schleswig-holsteinischen Itzehoe hat „Blue Seal“ entwickelt, einen PVC-freien Metalldeckel für Gläser fast jeder Größe. Er hat eine Innenschicht aus thermoplastischen Polyolefinen (TPE). Sie besitzen von sich aus eine gewisse Flexibilität und benötigen somit keine Weichmacher. Viele Naturkosthersteller und einige Anbieter von konventioneller Feinkost verwenden ihn schon.

Was ist zu tun

Verbrauchern bleibt zurzeit nur, selbst vorzusorgen. Zum Schutz vor Mineralölen können Lebensmittel in Verpackungen aus weißem Karton verwendet werden. Diese Frischfasern sind unverdächtig – erhöhen aber den Holzeinschlag. Lebensmittel in durchsichtigen Tüten aus Cellophan sind ebenfalls unproblematisch. Bei Gläsern mit Schraubdeckeln und ölhaltigem Inhalt sind die mit blau eingefärbten PVC-freien Deckel die beste Wahl. Leider erkennt man sie erst nach dem Öffnen. Verpackte Lebensmittel sollten soweit möglich nach dem Einkauf immer in Gläser, Edelstahlbehälter oder Keramikgefäße umgefüllt werden. Plastikdosen sind ungeeignet, weil das Material mit der Zeit porös wird und fettlösliche Lebensmittel Schadstoffe herauslösen können. Joghurt- und Quarkbecher bestehen meist aus Polypropylen (PP), Polystyrol (PS) oder Polylactide (PLA), die keine Weichmacher enthalten.

Quelle: UGB-Forum 2/13, S. 100-101
Foto: R.B./pixelio.de