Essbare Algen: Nährstoffpower aus dem Wasser?

In Asien stehen sie schon seit Jahrtausenden auf dem Speiseplan. Hierzulande verzehren wir Algen bislang eher selten. Doch in Sushi, Nahrungsergänzungen und als Zusatz in verarbeiteten Lebensmitteln findet sich das grüne Meeresgemüse immer häufiger.

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Botaniker unterscheiden 120.000 Arten von winzigen bis meterlangen Algen. Ihr Lebensraum umfasst nicht nur Gartenteich und Ozean, sondern auch Baumrinden und feuchte Oberflächen. Unterschieden werden die vielen Algenarten vor allem nach ihrer braunen, roten oder blaugrünen Färbung.

Die fädigen oder blattartigen Braunalgen aus asiatischen, südamerikanischen und europäischen Meeren liefern das Polysaccharid Alginat, das bei der Jodgewinnung als Nebenprodukt oder direkt aus den Braunalgen gewonnen wird. Das weißliche Pulver ist geschmacks- und geruchsneutral und wird in der Nahrungsmittelindustrie als Gelier- und Verdickungsmittel verwendet. Die Braunalgen Hijiki, Arame, Kombu und Wakame, auch Seegras oder Seetang genannt, werden meist direkt in Form von Algengemüse, als Suppenbeilage oder Salat verzehrt.

Die ebenfalls mehrzellige Rotalge Nori ist nicht nur in asiatischen Küstengebieten bekannt. Auch hierzulande findet sie sich zunehmend als Beilage in asiatischen Suppen oder getrocknet und geröstet als grüne Hülle um Sushi gewickelt. Aus ihr gewinnt die Lebensmittelindustrie Carrageen und Agar-Agar als Gelier- und Verdickungsmittel für Fleischwaren, Desserts, Milchprodukte oder Fertigsuppen.

Mikroalgen als Pillen und Pulver

Neben den essbaren Algen gibt es noch eine Reihe meist einzelliger Mikroalgen. Die bekanntesten dieser grünen und blaugrünen Algen, die zu den Süßwasseralgen zählen, sind Chlorella-, Spirulina- und AFA-Algen (Aphanizomenon flos-aquae). Sie werden ausschließlich als Nahrungsergänzungsmittel vertrieben oder zur Nährstoffanreicherung verwendet und aufgrund ihrer Nährstoffpower angepriesen. Sie sollen insbesondere reich an Omega-3-Fettsäuren, Chlorophyll, B-Vitaminen und Spurenelementen sein.

Meeresgemüse auch für zu Hause

Algensalat erinnert an eine Art bissfesten, glatt-öligen Gurkensalat, der als Beilage zu Fisch oder Sushi sicherlich eine geschmackliche Abwechslung auf deutschen Tellern bietet. Frische Algen sind hierzulande nicht zu haben. Für die Zubereitung muss auf getrocknete Algen zurückgegriffen werden, die sich in Wasser eingeweicht wieder zum Leben erwecken lassen. Darüber hinaus werden Algen auch in Alkohol, Apfelkonzentrat oder Salz konserviert angeboten. Erhältlich sind Algen und Algenpräparate in Asia-Läden, Reformhäusern und Naturkostläden oder über das Internet. Ein Kilo konservierte essbare Algen halten sich etwa zwei Monate und kosten rund 20 Euro. Die zu Pillen verarbeiteten Mikroalgen sind pro Packung mit 100 Tabletten je nach Sorte für 25 bis 50 Euro zu haben.

Von Nährstoffwunder keine Rede

Algenfans sprechen von einer Art Supernahrung, die hohe Mengen an wertvollen Nährstoffen liefere. Magnesium und Zink seien in Chlorella-Algen in solchen Mengen enthalten, wie sie durch üblichen Gemüseverzehr nicht erreicht werden könnten. Die AFA-Alge wird als Energie- und Lebensfreudelieferant sowie als idealer Krankheitsschutz beworben. Die Nährstoffversorgung kann allerdings auch ohne Algen über eine ausgewogene Ernährung sichergestellt werden, wenn regelmäßig Jodsalz ins Essen kommt. Das Gleiche gilt für Magnesium und Zink, die sich über den Verzehr von Vollkornprodukten in ausreichender Menge zuführen lassen.

Einige Anbieter von Algenpräparaten werben mit dem Gehalt an Beta-Carotin für ihre Produkte. Doch wer regelmäßig rotes und gelbes Gemüse isst, braucht sich um die Versorgung keine Sorgen zu machen. Zudem liefern Gemüse wie frische Möhren oder Paprika wertvolle Ballaststoffe und einen knackigen Genuss.

Sowohl essbare Algen als auch Mikroalgen werden als Quelle für Vitamin B12 beworben und Veganern als wertvolle Alter-native angepriesen. Tatsächlich konnten in Nori und Chlorella-Algen erhebliche Mengen Vitamin B12 nachgewiesen werden. Doch meistens handelt es sich nur um unwirksame Analoga, die für den Menschen nicht verwertbar sind. Und für eine Extraportion Chlorophyll, die die Blutbildung und Zellatmung verbessern soll, genügt es, auf grüne Gemüsesorten wie Spinat zurückzugreifen.

Neben den vielen Nährstoffen loben die Hersteller von Algenpräparaten gerne auch einen gesundheitlichen Zusatznutzen für Körper, Geist und Seele aus. Außerdem soll das Meeresgemüse sogar vor Erkrankungen wie Krebs, Herpes, Aids, Grippe und Windpocken schützen. Verlässliche Studien am Menschen zu diesen Wirkungen fehlen allerdings bislang.

Extradosis birgt Gefahr

Laut Anbietern saugen Chlorella-Tabletten unerwünschte Stoffe wie Pestizide, Fungizide und Schwermetalle im Körper auf und binden diese. Allerdings stuft das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) gerade diese Akkumulation als bedenklich ein. Zudem könnten einige Mikroalgen selbst Toxine bilden. Ein gesundheitliches Risiko bei langfristigem Algenverzehr ist laut BfR nach derzeitigem Kenntnisstand daher nicht auszuschließen. Weiter warnt das BfR vor gesundheitlichen Risiken durch einen zu hohen Jodgehalt von getrockneten Algen. Durch die stark schwankenden Gehalte von bis zu 11 Gramm Jod pro Kilogramm Trockengewicht sei eine Überdosierung leicht möglich.

Als isolierte Nährstoffkonzentrate sind Algenpräparate also nicht nur überflüssig, sondern möglicherweise sogar gesundheitsschädlich. Essbare Algen können als Gemüsebeilage unseren Speiseplan jedoch bereichern und wertvolle Nährstoffe liefern. Der hoch gelobte gesundheitliche Zusatznutzen sollte dabei allerdings kritisch hinterfragt werden.

Quelle: Traub C.: UGB-FORUM 3/11 S.127-128
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