Licht macht Laune

Wenn die Tage kürzer werden, verändert sich bei vielen Menschen auch die Stimmung. Der geringere Lichteinfall beeinflusst das Hormonsystem: Wir fühlen uns müde und schlapp. Mehr Licht im Alltag schafft Abhilfe.

Lichttherapie - Depressionen

Ein Wintertag ist nur halb so lang und nicht so hell wie ein Sommertag. Die jahreszeitlichen Schwankungen beeinflussten schon immer stark das Verhalten der Menschen. Wir schlafen im Winter länger, sind tagsüber müde und weniger aktiv, die Stimmung ist weniger gut und viele unserer Körperfunktionen arbeiten eher im Schongang. Offenbar passen sich die Lebensvorgänge den Jahreszeiten an. Früher war das sinnvoll, denn im Winter wurde das Nahrungsangebot knapp und die lebensfeindlichen Umweltbedingungen legten es nahe, sich in eine Höhle zurückzuziehen, auf Sparflamme zu schalten und abzuwarten, bis es wieder hell und warm wurde.

Innere Uhren steuern den Stoffwechsel

Die Chronobiologie befasst sich mit diesen rhythmischen Verläufen biologischer Funktionen. Koordiniert werden die periodischen Abläufe von einem endogenen Steuerungssystem, der inneren Uhr. Es gibt verschiedene Periodenbereiche. Für den Menschen sind die tagesperiodischen Schwankungen (zirkadiane Rhythmen) von großer Bedeutung. Externe Reize, so genannte Zeitgeber, bringen die vom Organismus erzeugte Periodik mit unserem 24 Stunden Tag-Nacht-Wechsel in Einklang. Der wichtigste Zeitgeber ist dabei das Licht. Um zu klären, was diese Periodik verursacht, isolierte man Versuchspersonen beispielsweise für etwa vier Wochen von der Umwelt, ohne dass sie die Uhrzeit kannten. Es hat sich gezeigt, dass die periodischen Schwankungen weiterhin stabil verlaufen und Schlafen und Wachen wie auch die Körpertemperatur einen streng tagesperiodischen Wechsel aufweisen. Der Schlaf-Wach-Wechsel ist dafür nicht entscheidend. Denn auch bei längerem Schlafentzug läuft die Periodik nahezu unverändert weiter. Der "Tag" unter Isolationsbedingungen betrug jedoch im Mittel 25 Stunden und wich so deutlich von unserem natürlichen 24-Stunden-Tag ab. Die Umwelt gibt diese Periodizität nicht vor. Somit müssen wir davon ausgehen, dass ein inneres Steuerungssystem dafür verantwortlich ist. Tagaktive Tiere haben übrigens ebenfalls einen "längeren" Tag, nachtaktive Tiere einen "kürzeren" .

Melatonin als Steuerhormon

Die anatomische Grundlage der biologischen Uhr ist der Nucleus suprachiasmaticus im Hypothalamus. Mit seinen Nervensträngen erhält er Lichtinformationen von der Netzhaut, der Retina. Die Retina des Auges ist beim Menschen und anderen Säugetieren die Schnittstelle, über die Licht in das Gehirn eintritt. Die Rezeptoren in der Netzhaut sind jedoch selbst bereits zyklischen Veränderungen unterworfen, nachts sind sie beispielsweise deutlich lichtempfindlicher. Weitere Untersuchungen erbrachten, dass das Hormon Melatonin eine wichtige Rolle als "Zeiger der biologischen Uhr" spielt. Eine kleine Drüse mitten im Gehirn, Epiphyse oder Zirbel- bzw. Pinealdrüse genannt, bildet dieses Hormon, das von der inneren Uhr gesteuert und vor allem nachts ausgeschüttet wird. Die kürzer werdenden Tage mit veränderten Lichtverhältnissen beeinflussen den Hormonhaushalt enorm. Durch die geringere Lichteinwirkung in Herbst und Winter und die längere Phase der Dunkelheit ist der Melatoninspiegel länger auf einem höheren Niveau, wir sind müder, weniger aktiv und schlechter gelaunt. Licht kann diesen Vorgang unterdrücken.

Melatonin gilt als Verbindung zwischen Licht und Organismus. Licht und Melatonin wirken entgegengesetzt. Sie bestimmen die zeitliche Abfolge der verschiedenen Funktionen des zirkadianen Systems, beispielsweise die Cortisol- oder Testosteronausschüttung, einschließlich Schlafen und Wachen. Die Freisetzung von Melatonin erlaubt unserem Körper zur Ruhe zu kommen, zu schlafen und sich dabei zu erholen. Es ist belegt, dass Melatonin sedierend, also beruhigend wirken kann und die Fortpflanzung bzw. das Reproduktionssystem hemmt. Es gibt Hinweise, dass Melatonin die Spermienqualität herabsetzt und die Hoden schrumpfen lässt. Melatonin scheint auch das Immunsystem zu beeinflussen und eine mögliche zellschützende Funktion als Radikalfänger zu besitzen. Bei Tieren ist das Hormon in Abhängigkeit von der Tageslänge für den Zeitpunkt der Geschlechtsreife verantwortlich und die saisonale Umstellung, zum Beispiel Fellwechsel, Brunftzeiten oder Abflugunruhe bei Zugvögeln. Derzeit wird diskutiert, ob isoliertes Melatonin als Schlafmittel eingesetzt werden kann und ob mit Nebenwirkungen bei Langzeiteinnahme zu rechnen ist.

Licht hellt die Stimmung auf

Die Wirkung des hellen Lichts auf den Menschen wurde erst in den achtziger Jahren entdeckt, als Wissenschaftler den Zusammenhang zwischen der so genannten "Winterdepression" und den kurzen Wintertagen erkannten. Die unter der "saisonal depressiven Störung" sion" (SAD) leidenden Menschen zeigen regelmäßig im späten Herbst eine Depression mit gedrückter Stimmung und reduziertem Antrieb. Charakteristisch ist das vermehrte Schlafbedürfnis und die Zunahme der Kalorienzufuhr, was bei anderen Formen der Depression nicht zu finden ist. Die Symptome reduzieren sich im Frühling deutlich und treten im folgenden Winter wieder auf. Das Ausmaß dieser Depression kann sehr unterschiedlich sein. Häufig verläuft die Erkrankung relativ leicht und der Betroffene "schleppt" sich durch den Winter, ohne einen Arzt aufzusuchen; es gibt aber auch sehr schwere Formen dieser Erkrankung. Eine relativ neue Therapieform versucht, das fehlende Licht durch künstliche Lampen zu ersetzen. Mittlerweile hat sich herausgestellt, dass die Lichttherapie das beste Mittel gegen Winterdepression ist.

Licht als wirksame Therapie

Lichttherapie bedeutet, dass eine Person mit Licht von mindestens 2.500 Lux über einen bestimmten Zeitraum bestrahlt wird. Zum Vergleich: Eine 60-Watt-Glühbirne bringt es auf 20-40 Lux. Die erwünschte Wirkung im Organismus wird nur durch das vom Auge empfangene Licht erzeugt. Das Lichtspektrum ist dabei nicht entscheidend. Um Schäden an Augen oder Haut zu vermeiden, müssen aus dem Licht bestimmte Anteile (UV-Anteile) herausgefiltert werden. Gebräuchlich ist bei Speziallampen mit einer Helligkeit von 10.000 Lux eine tägliche ca. 40minütige Anwendung, bei der das Licht ins Auge fallen muss. Lichtquellen, die nicht diesen Anforderungen entsprechen, zeigten sich unwirksam. Dutzende von kontrollierten Studien belegen, dass Lichttherapie die wirksamste Behandlung bei der Winterdepression ist. Die empfohlene und überwiegend durchgeführte Behandlung bei der Lichttherapie ist eine ambulante häusliche Form. Erfahrungen aus dem Schlafmedizinischen Zentrum in Regensburg belegen eine Erfolgsrate von ca. 80 Prozent beim Einsatz von Geräten mit einer Helligkeit von 10.000 Lux. Geräte zur Selbstbehandlung kosten zwischen 70 und 450 Euro. In Einzelfällen zahlen Krankenkassen die Behandlung, wenn eine Winterdepression nachgewiesen ist.


In den USA leiden etwa 18,2 Prozent der Bevölkerung an SAD bzw. subsyndromalen SAD (S-SAD), die weniger ausgeprägte Symptome zeigt. In Deutschland sind die Zahlen ähnlich. Die saisonal bedingten Probleme nehmen mit dem Breitengrad zu. Der wichtigste Befund einer entsprechenden Umfrage war jedoch, dass die Beeinträchtigung durch die jahreszeitlichen Veränderungen nicht von den objektiven Lichtverhältnissen abhing. Nicht die Sonnenscheindauer in einer bestimmten Region war ausschlaggebend. Entscheidend zeigte sich vielmehr das individuelle Lichtverhalten, das heißt die Anzahl der Stunden, die jemand im Freien verbringt.

Ursache von Winterdepression unklar

Die meisten von uns haben mit den Folgen der kurzen Wintertagen zu kämpfen, aber nicht alle bekommen ein Depression. Warum manche Menschen an SAD leiden, ist noch unklar. Es gibt eine Reihe von Hypothesen, die sich größtenteils auf gestörte zirkadiane Rhythmen beziehen. Für diese Art von Störungen wird unter anderem angenommen, dass Betroffene die verkürzte Lichtperiode in Herbst und Winter nicht gut verarbeiten können und es dadurch zur vermehrten Melatoninausschüttung kommt. Andere Erklärungsversuche gehen von einem Defizit der absoluten Menge an Licht aus oder heben die Rolle des Hypothalamus auf die atypischen Symptome der SAD hervor. Auch der Einfluss von Neurotransmittern (insbesondere Serotonin) oder von Regulationssystemen der tageszeitlichen Stimmungsschwankung wurden herangezogen. Keine dieser konkurrierenden Hypothesen konnte bis jetzt die Entstehung der SAD oder des therapeutischen Lichteffekts hinreichend erklären, sei es wegen widersprüchlicher oder noch ausstehender Daten.

Die Lichttherapie hat sich nicht nur bei SAD bewährt, sondern auch bei anderen Depressionsformen. Vor allem aber bei bestimmten Formen der Schlafstörung und auch bei verschiedenen pathologischen Zuständen, insbebondere bei dementiellen Erkrankungen älterer Menschen kann die Lichttherapie gute Dienste leisten. Der Schlaf ist integrativer Bestandteil des biologischen Rhythmus. Unter diesem Gesichtspunkt können Schlafstörungen als Fehlfunktionen der inneren Uhr betrachtet werden. Dies betrifft vor allem Störungen des Schlaf-Wach-Rhythmus wie vor- oder rückverlagertes Schlafphasen-Syndrom, unregelmäßige Schlaf-Wachmuster, Schlafstörungen bei Schichtarbeit oder bei Zeitzonenwechsel (Jet-Lag). Die Therapieansätze versuchen, die Abweichungen der inneren Uhr zu korrigieren. Der Patient wird zu dem Zeitpunkt dem hellen Licht ausgesetzt, an dem schlafen nicht erwünscht ist. So setzt sich ein Patient mit einem "rückverlagerten Schlafphasen-Syndrom", das heißt jemand der abends nicht ins Bett und morgens nicht hinauskommt, morgens vor ein Lichttherapiegerät. So ist eine Vorverlagerung des biologischen Rhythmus zu erzielen und gleichzeitig ein akuter Weckeffekt zu erreichen. Bei älteren Patienten, die häufig unter einem unregelmäßigen Schlaf-Wach-Muster leiden, hilft morgendliches Licht, um eine deutlichere Anpassung ihres Schlaf-Wach-Rhythmus an den normalen 24-Stunden-Tag zu erreichen. Auch bei Alzheimer-Erkrankung, Schizophrenie, prämenstrueller dysphorischer Stimmung (PMDS) und Bulimie konnte die Lichttherapie erfolgreich eingesetzt werden.

Wirksamkeit von blauem Licht

Bei Nachtarbeitsplätzen wird ähnlich wie bei der Lichttherapie sehr helles Licht eingesetzt. Es steigert den Grad der Wachheit und mindert schläfrigkeitsbedingte Leis-tungseinbußen. In mehreren Untersuchungen konnte jetzt demonstriert werden, dass kurzwelliges, blaues Licht (etwa 450 nm) die Melatoninproduktion in der Nacht besonders gut unterdrückt. Es zeigt eine vergleichbare Wirkung wie weißes Licht hoher Intensität (bright light, 5000 lux). Ob blaues Licht bei niedriger Lichtintensität die gleiche Wirkung zu erzielen vermag, wurde bislang wissenschaftlich nicht untersucht. Sollte sich diese Vermutung aber bestätigen, ergäben sich neue Möglichkeiten mit veränderter Innenraumbeleuchtung der nächtlichen Müdigkeit beispielsweise eines PKW-Fahrers oder Schichtarbeiters entgegenzuwirken. Der Vorteil gegenüber hellem weißem Licht liegt insbesondere in der geringeren Blend-wirkung von blauem Licht.

Helles Licht verbessert auch bei Gesunden die Stimmung und wirkt aktivierend. Damit wir uns in der kalten Jahreszeit nicht müde und schlecht gelaunt in unsere Wohnungen zurückziehen, sollten wir daher für ausreichend Helligkeit sorgen. Regelmäßige Spaziergänge, auch bei bedecktem Himmel, zum Himmel blicken (aber nicht direkt in die Sonne) oder Sport im Freien sind dazu die besten Möglichkeiten. Hilfreich ist es auch, mehr Licht in Innenräume zu bringen. Das heißt, den Lichteinfall durch die Fenster zu verbessern und zusätzliche Lampen einzuschalten.

Quelle: Zulley, J. UGB-Forum 6/04, S. 273-276