Das Geschäft mit dem Himalayasalz

Himalayasalz ist durch das Buch "Wasser und Salz - Urquell des Lebens" von Barbara Hendel und Peter Ferreira in die Schlagzeilen und die Regale von Apotheken, Naturkostläden und Reformhäuser geraten.

Das Kristallsalz ist ein natürlich vorkommendes unraffiniertes Steinsalz, das im Laufe von Jahrtausenden durch Verdunstung früherer Meere entstanden ist. Es wird auch unter der Bezeichnung Hunza-Kristallsalz oder Natürliches Kristallsalz angeboten und vor allem über das Internet vertrieben. Das Salz enthält neben Natriumchlorid auch viele unterschiedliche Mineralstoffe. Neben anderen Wirkungen soll es vor allem zur Mineralstoffversorgung des Menschen beitragen, den Körper "entschlacken" und den Kreislauf stärken. Für diese Versprechungen fehlen zum Teil die wissenschaftlichen Belege, zum Teil sind die Behauptungen nicht haltbar. Im Gegensatz zu Kristallsalz wird herkömmliches Speisesalz von den Autoren stark kritisiert. Viele Aussagen zu handelsüblichem Kochsalz sind unzutreffend und wissenschaftlich nicht nachweisbar.

Aussage 1:
Natriumchlorid (NaCl) sei eine giftige und aggressive chemische Substanz und trage zur Bildung übersäuerter Ödeme bei.

Es ist eine anerkannte Tatsache, dass Natriumchlorid für den menschlichen Körper unerlässlich ist, da es zur Aufrechterhaltung lebensnotwendiger Funktionen dringend benötigt wird. Sowohl Kristallsalz (> 99 %) als auch herkömmliches Kochsalz (> 97 %) bestehen zum größten Teil aus Natriumchlorid.

NaCl ist chemisch nicht besonders aggressiv. Es zerfällt in wässriger Lösung zu Natrium- und Chloridionen. Circa 80 g fungieren im menschlichen Organismus als Basis des Blutes und der Zellflüssigkeit. Beide Ionen sorgen in gelöster Form für konstante Volumenverhältnisse von Zellen und extrazellulärer Flüssigkeit. Die tägliche Zufuhr an Natriumchlorid sollte ca. 2,5 g nicht unterschreiten, um die Verluste über die Nieren zu kompensieren und die lebensnotwendigen Körperfunktionen aufrecht zu erhalten.
Erst ab einer Verzehrsmenge von mindestens 0,5 g pro kg Körpergewicht und Tag kann NaCl für den Menschen tödlich sein. Bei einem Körpergewicht von 70 kg entspricht dies mindestens 35 g Speisesalz pro Tag, was geschmacklich nicht akzeptabel ist. In Deutschland werden im Durchschnitt zur Zeit etwa 6-8 g Kochsalz pro Tag aufgenommen. Der toxische Wert wird also bei weitem nicht erreicht. Dennoch sollte Kochsalz im privaten Haushalt möglichst sparsam verwendet werden, da ein erhöhter Konsum das Risiko für verschiedene Krankheiten wie z.B. Bluthochdruck erhöhen kann. Für den gesunden Menschen ist NaCl beim Verzehr in üblichen Mengen keinesfalls als "giftig" zu bezeichnen.
Ödeme sind Wassereinlagerungen in Geweben, die verschiedene Ursachen haben können. Da, neben anderen, auch Natriumionen Wasser im Organismus binden, kann theoretisch durch eine massive Anhäufung von Natrium die Menge des Blutplasmas und der Flüssigkeitsgehalt der Gewebe ansteigen. Zu Ödemen führt das allerdings nur, wenn die Nierenfunktion eingeschränkt ist, oder zusätzlich andere Erkrankungen vorliegen. Die gesunden Nieren vermögen einen moderaten Salzüberschuss problemlos auszuscheiden (s. Aussage 2).

Aussage 2:
Die Fähigkeit zur Ausscheidung von Natrium- und Chloridionen sei begrenzt, überschüssiges Salz lagere sich in Knochen und Gelenken ab.

Pro Tag können die Nieren bis zu 20 g Natrium- und Chloridionen problemlos ausscheiden. Wenn an einem Tag mehr als 20 g Kochsalz verzehrt werden, wird diese Menge innerhalb von 3-5 Tagen von den Nieren eliminiert. Da sowohl Natrium- als auch Chloridionen für unseren Organismus eine große Bedeutung haben, hat die Natur ein sehr feines Regulationssystem entwickelt, das den Wasser- und Elektrolyt-Haushalt unseres Körpers über weite Bereiche unabhängig von der aufgenommenen Salz- und Flüssigkeitsmenge konstant hält. Die Nieren sind in der Lage, einen Wasser- und/oder Elektrolytmangel relativ schnell auszugleichen, sowie einen Wasser- oder Salzüberschuß schnell zu beheben.

Hendel und Ferreira behaupten, dass Natrium- und Chloridionen in Knochen und Gelenken re-kristallisieren und diese Kristalle rheumatische Erkrankungen auslösen. Es sind bislang keine Mechanismen bekannt, die diese Aussagen stützen würden.

Aussage 3:
Jod und Fluor seien "hochtoxisch" und sollten Speisesalz nicht zugesetzt werden.

Sowohl Jod als auch Fluor sind lebensnotwendige Nährstoffe, das heißt, der Körper ist auf eine regelmäßige Zufuhr angewiesen. Jod ist unter anderem für die Bildung von Schilddrüsenhormonen verantwortlich. Jodiertes Speisesalz enthält 15-25 mg Jodat pro kg Salz. Bei einer durchschnittlichen Salzaufnahme pro Tag von 6-8 g und der Annahme, dass alle verzehrten Lebensmittel und Speisen mit Jodsalz hergestellt wurden, entspricht dies täglich 90-200 µg Jod. Laut der Weltgesundheitsorganisation WHO ist für gesunde Erwachsene eine lebenslange Jodzufuhr von bis zu 1000 µg pro Tag gesundheitlich unbedenklich. Selbst bei Patienten mit autonomen, Schilddrüsenhormone produzierenden Bezirken der Schilddrüse ("heiße Knoten") ist die Jodmangelprophylaxe mit Jodsalz gesundheitlich unproblematisch.

Fluor benötigt der Körper vor allem zum Aufbau von Knochen und Zähnen. Über die durchschnittliche Ernährung wird der Bedarf an Fluor in der Regel gedeckt. Trotzdem wird aufgrund der weiten Verbreitung von Karies für deren Prophylaxe fluoridiertes Speisesalz (250 mg Fluorid pro kg) angeboten. In manchen Ländern wird außerdem Trinkwasser fluoridiert, Kinder bekommen häufig Fluoridtabletten und die meisten Zahnpasten sind mit Fluoriden versetzt.
Eine Aufnahme von 4 mg Fluorid pro Tag gilt für gesunde Erwachsene als sicher und unbedenklich. Eine höhere Aufnahme kann zu chronischen Schäden wie geflecktem Zahnschmelz, brüchigen Zähnen, Skelett- und Schilddrüsenveränderungen sowie Nierenschäden führen. Um dies zu vermeiden, sollte - wenn überhaupt - nur eine der genannten Prophylaxemaßnahmen gewählt werden. Also entweder fluoridiertes Trinkwasser oder fluoridiertes Speisesalz oder fluoridierte Zahnpasta. Ist fluoridiertes Salz die einzige Supplementierungsform für Fluorid, ist die Konzentration von Natriummonofluorphosphat in Speisesalz für den Menschen unschädlich.

Aussage 4:
Aluminium, welches zur Erhöhung der Rieselfähigkeit in handelsüblichem Speisesalz eingesetzt wird, sei giftig.

Die toxische Grenze von Aluminium liegt bei einer Aufnahme von 5 g pro Tag. Die durchschnittliche tägliche Gesamtaufnahme von Aluminium liegt in Deutschland bei etwa 3-12 mg pro Tag, also nur einem Bruchteil der toxischen Menge.
Der menschliche Körper enthält etwa 60 mg Aluminium, dessen Funktionen aber nicht eindeutig geklärt sind. Vermutlich ist Aluminium für den Menschen nicht essentiell. Aluminium ist als Lebensmittelzusatzstoff für verschiedene Zwecke zugelassen: Farbstoffe, Stabilisatoren, Füll- und Festigungsmittel sowie Trennmittel für pulverförmige Lebensmittel wie Kochsalz können Aluminium enthalten. Die durch handelsübliches Speisesalz aufgenommene Menge an Aluminium ist nach heutigem Stand der Wissenschaft gesundheitlich unbedenklich. Der Zusatz zu Salz ist bei korrekter Lagerung, die ein Feuchtwerden ausschließt, aber auch überflüssig.

Aussage 5:
Sole aus Kristallsalz und reinem Quellwasser helfe, den Körper zu "entschlacken".

Zusätzlich zur normalen Ernährung soll nach Hendel und Ferreira täglich ein Teelöffel Sole (Kristallsalz mit Quellwasser verdünnt) eingenommen werden. Dadurch würden Schwermetalle und Gefäßverkalkungen aus dem menschlichen Körper geschwemmt.
Eine normale Ernährung nur durch einen Teelöffel Sole zusätzlich zu ergänzen, scheint wenig sinnvoll, um eine Ausschwemmung von "Schlacken" zu fördern. Für eine Entlastung des Stoffwechsels kann es sinnvoll sein, Fastenzeiten einzulegen. Während Fastenzeiten kommt es relativ schnell zur Normalisierung von Blutzucker-, Blutfett- und Cholesterinwerten. Fasten kann auch dazu beitragen, Schadstoffe aus dem Körper zu eliminieren. Durch den Fettabbau können beispielsweise im Fettgewebe gespeicherte Dioxine wieder mobilisiert und so ausgeschieden werden. Allerdings ist diese Beobachtung nicht unumstritten, da die Giftstoffe bereits die Leber passiert haben und dort mindestens teilweise entgiftet wurden.
Ein Mechanismus für die Ausscheidung von Schwermetallen durch Salzlösung ist uns nicht bekannt.

Aussage 6:
Salz sollte nicht wegen des Geschmacks sondern wegen seiner "Schwingungsmuster" - die denen unseres Körpers entsprechen- eingenommen werden. Durch in Wasser gelöstes Kristallsalz wird viel Biophotonenenergie aufgenommen, die dem Körper sonst nicht zur Verfügung steht.

Forschungen zu Schwingungen und Biophotonen sind in der konservativen Wissenschaft noch sehr umstritten. Ein Spezialist auf dem Gebiet der Biophotonenforschung, Prof. Fritz-Albert Popp, konnte in seinen Untersuchungen zwar reproduzierbare Unterschiede von Kochsalz- und Kristallsalzlösungen nachweisen. Ob daraus allerdings die dem Kristallsalz nachgesagten positiven Effekte abzuleiten sind, bleibt unklar.
Nach Herrn Prof. Popp sind die Aussagen über Biophotonen im Buch "Wasser und Salz - Urquell des Lebens" "alles andere als akzeptabel".

Aussage 7:
Jeden Morgen ein Teelöffel Sole aus Kristallsalz soll die Leitfähigkeit im Körper verbessern und sich damit positiv auf den Kreislauf auswirken.

Der menschliche Organismus benötigt etwa 2,0 g Natriumchlorid täglich, um die Volumenverhältnisse im Körper aufrechterhalten zu können (vgl. Aussage 1) und die Gewebespannung zu gewährleisten. Bei der in Deutschland üblichen Ernährung wird dieser Wert immer erreicht, da vor allem in verarbeiteten Lebensmitteln reichlich mit Salz gewürzt wird. Durch die körpereigene engmaschige Regulation (vgl. Aussage 2) kann auch ein erhöhter Kochsalzkonsum die Elektrolytkonzentrationen im Blut nicht erhöhen. Eine zusätzliche Aufnahme von Sole ist daher nicht notwendig, sondern stört eher den Wasserhaushalt und belastet den Stoffwechsel und die Nieren.

Argument 8:
Die Mineralien aus Mineralwasser (besonders Calcium) können vom Körper nicht aufgenommen werden. In Kristallsalz dagegen sollen sie in bioverfügbarer Form vorliegen.

Untersuchungen zur Bioverfügbarkeit von Calcium zeigen, dass diese speziell aus Mineralwasser der aus anderen Lebensmitteln mengenmäßig entspricht. Für andere Mineralstoffe (außer Magnesium und Mangan) sind uns keine Untersuchungen bekannt. Aufgrund der chemischen Form von Mineralstoffen in Mineralwasser ist jedoch ebenfalls eine gute Verfügbarkeit wahrscheinlich.
Insofern ergibt sich keine Notwendigkeit zur Anreicherung der Nahrung mit Kristallsalz, um den Mineralstoffbedarf zu decken. Durch eine vollwertige Ernährung, vor allem durch einen hohen Anteil von unverarbeiteten Lebensmitteln, wird der individuelle Bedarf an allen Mineralstoffen ausreichend gedeckt.
Außerdem sind die absoluten Mineralstoffgehalte im Kristallsalz so gering, dass angesichts der üblichen Verzehrsmenge dieses Produkt keinen nennenswerten Beitrag zur Bedarfsdeckung an Nährstoffen leisten würde. Kristallsalz als "reich an Mineralstoffen" zu bezeichnen, ist schlicht Irreführung des Verbrauchers.

Zusammenfassung:

Besondere Wirkungen auf den Körper durch den Verzehr von Kristallsalz aus dem Himalaya sind bislang nicht wissenschaftlich belegt. Aus gesundheitlicher Sicht ist es daher keinesfalls gerechtfertigt, "Natürliches Kristallsalz" dem gewöhnlichen Kochsalz vorzuziehen. Angesichts des vergleichbaren Gehalts an Natriumchlorid sollten sowohl Kristallsalz als auch handelsübliches Speisesalz nur sparsam eingesetzt werden.
Generell kann es aus ökologischen Gründen nicht sinnvoll sein, ein Lebensmittel, welches genauso hierzulande verfügbar ist, über Tausende von Kilometern zu transportieren. Zusätzlich ist es (im Vergleich zu im Handel erhältlichem Speisesalz für ca. 2 EURO pro kg) sehr teuer (7-25 EURO pro kg) und nützt statt der Gesundheit der Verbraucher vor allem dem Kontostand der vertreibenden Firmen.

Dipl. oec. troph. Anika Kühn/wf

Quellen:
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