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Carotinoide: Rot und gelb halten fit

Pfirsichen, Karotten oder Paprika geben Carotinoide ihre rote und gelbe Farbe. Die Früchte sehen nicht nur gut aus, sondern nützen auch der Gesundheit. Über die gesundheitliche Bedeutung für den Menschen wissen Wissenschaftler aber erst relativ wenig.

Carotinoide_Paprika

Obwohl sie als Vorstufe von Vitamin A lange bekannt sind, konnten die Wirkungen der Carotinoide bis heute noch nicht vollständig erforscht werden. Gebildet werden Carotinoide von Pflanzen, Algen, Pilzen und Bakterien. Sie kommen nicht nur in roten und gelben Früchten vor, sondern stecken auch in grünen Gemüsearten wie Brokkoli, Erbsen oder Bohnen. Hier wird das gelb-rote Farbspektrum der Pflanzenstoffe durch das grüne Chlorophyll überlagert. Wichtigster Vertreter dieser rund 600 Verbindungen umfassenden Gruppe ist das Beta-Carotin. Der Körper kann es - ebenso wie noch ungefähr 40 andere Carotinoide - zu Vitamin A (Retinol) umwandeln. Allerdings erfolgt diese Umwandlung nicht im Verhältnis 1:1. Um ein Äquivalent Retinol aus Beta-Carotin zu erhalten, gilt der Umrechnungsquotient von 1:6. Das bedeutet, um einen Teil Vitamin A zu erhalten, muß die sechsfache Menge an Beta-Carotin aufgenommen werden. Neuere Studien weisen jedoch darauf hin, daß dieser Umrechnungsfaktor deutlich ungünstiger ist. Für Beta-Carotin aus Obst und Süßkartoffeln gilt vermutlich nur der Umrechnungsquotient 1:12, für grünes Gemüse und Karotten sogar nur 1:26. Etwa ein Drittel unseres Bedarfs an Vitamin A decken wir durch Carotinoide aus pflanzlichen Lebensmitteln. Den größeren Teil nehmen wir aus tierischen Produkten auf.

Zerkleinern verbessert die Aufnahme der Carotinoide

Welche Mengen der Körper über die Verdauungsorgane aufnimmt, hängt vor allem davon ab, wieviele Carotinoide aus dem pflanzlichen Zellverbund freigesetzt werden. Je stärker die Zellwände durch Kauen, Kleinschneiden, Pürieren und Erhitzen zerstört werden, desto größer ist die aufgenommene Menge. Die Resorption der Carotinoide ist eng mit der Fettverdauung verknüpft. Damit die Verbindungen für den Organismus verfügbar werden, müssen in der Mahlzeit gleichzeitig Fette enthalten sein. Im Dünndarm emulgieren Gallensäuren die fettlöslichen Nahrungsbestandteile. Dabei entstehen sogenannte Micellen, die den Eintritt der Carotinoide durch die Darmwand in den Körper ermöglichen. So erklärt sich, daß Beta-Carotin aus zerkleinerten und in Öl erhitzten Karotten deutlich besser aufgenommen wird als aus der rohen Wurzel. Allerdings werden sauerstoffhaltige Carotinoide wie Zeaxanthin und Lutein aus dunkelgrünem Gemüse, z. B. Spinat oder Grünkohl, durch langes Kochen zerstört.

Carotinoide machen sich Konkurrenz

Interessanterweise konkurrieren ungesättigte Fettsäuren mit den Carotinoiden um die Aufnahme in die Micellen. Der Ernährungswissenschaftler Dr. Achim Bub von der Bundesforschungsanstalt in Karlsruhe berichtete auf einer Fachtagung der DGE im Herbst ´98, daß nicht jedes Fett in der Mahlzeit die Bioverfügbarkeit der Carotinoide steigere. Unverdauliche Lipide wie der künstliche Fett-ersatzstoff Olestra, mittelkettige Fettsäuren oder Ballaststoffe verringerten die Resorption der Pflanzenstoffe ebenso wie Alkohol und Rauchen. Da die Aufnahme in die Darmzellen von der Konzentration abhänge, würden hohe Serumspiegel und große Carotinoidmengen in den Darmzellen die Resorption hemmen, so der Karlsruher Forscher. Außerdem bestünden unter den Carotinoiden selbst Wechselwirkungen. Bub erklärte, daß die Aufnahme von Beta-Carotin z. B. durch Lutein gehemmt werde, Lykopin und Can-thaxanthin sich dagegen neutral verhielten. Andererseits verringere Beta-Carotin die Aufnahme von Lutein und Canthaxanthin, während es die Resorption von Lykopin unterstütze. Wieviel letztendlich aus den einzelnen Lebensmitteln aufgenommen wird, ist daher nur schwer zu beurteilen. Nach Meinung des Karlsruher Ernährungsmediziners liegt die maximale Resorptionsrate je nach Carotinoid zwischen 50 bis 70 Prozent.

Schutz vor Radikalen und Krebs:
Den Carotinoiden werden wichtige Funktionen als Antioxidantien zugeschrieben

Durch ihre antioxidative Wirkung sollen sie vielen Erkrankungen wie Krebs, Arteriosklerose, Rheuma, Alzheimer und Parkinson, Grauen Star oder der Hautalterung vorbeugen. Antioxidantien, zu denen auch Flavonoide oder die Vitamine C und E gehören, schützen die Körperzellen vor freien Radikalen. Mit diesen aggressiven Teilchen kommen wir ständig in Kontakt, unser Körper bildet sie sogar selbst. Sie können Protein- und Fettbausteine der Zellwände zerstören, Erbinformationen im Zellkern verändern und die Immunfunktionen schwächen. Normalerweise verfügt der Körper über genügend Mechanismen, um mit den freien Radikalen fertig zu werden. Doch in unserer Umwelt nehmen die aggressiven Verbindungen durch Luftverschmutzung, Zigarettenrauch, Ozonbelastung und radioaktive Strahlung zu, so daß deren Angriffe die Abwehrmechanismen des Körpers überfordern können. Carotinoide sind in der Lage, die Radikale einzufangen und unschädlich zu machen.

Tomatensaft schützt Erbmaterial

Von allen Nahrungscarotinoiden hat Lykopin (z. B. in Tomaten) das größte antioxidative Potential und gilt als wirksamster Schutz vor dem besonders reaktiven Singulett-Sauerstoff. Lykopin hemmt auch das Wachstum von Tumorzellen effektiver als Alpha- oder Beta-Carotin. Untersuchungen an größeren Bevölkerungsgruppen belegen, daß Männer, die viel Lykopin aufnehmen, seltener an Prostatakrebs erkranken. In einer aktuellen Untersuchung der Bundesforschungsanstalt für Ernährung in Karlsruhe erhielten Testpersonen 14 Tage lang Tomatensaft zusätzlich zu ihrer üblichen Nahrung. Anschließend stieg der Lykopingehalt des Blutes um das 2,3fache. Gleichzeitig konnte nachgewiesen werden, daß das Erbmaterial, die DNS, der Versuchsteilnehmer seltener geschädigt war.

Prophylaxe - aber kein Heilmittel gegen Krebs

Aufgabe der Carotinoide ist es unter anderem, für eine gut funktionierende Kommunikation zwischen den Zellen zu sorgen. Benachbarte Zellen können über Zellkanäle, sogenannte Gap Junctions, miteinander kommunizieren, indem sie Nähr- und Botenstoffe austauschen. Diese Kontakte sind charakteristisch für gesunde Zellen. Ist der Informationsfluß gestört, können Zellwachstum und -differenzierung nicht mehr reguliert werden. So weisen Krebszellen deutlich weniger dieser Zellkanäle auf. Bestimmte Carotinoide, insbesondere Beta-Carotin, Cryptoxanthin und Canthaxanthin, regen den Austausch zwischen den Zellen an, indem sie die Synthese von Connexin bewirken. Diese Verbindung ist maßgeblich an der Bildung der Gap Junctions beteiligt.

Durch diesen Wirkmechanismus und in ihrer Funktion als Antioxidans können Carotinoide Krebs vorbeugen. Dr. Wilhelm Stahl vom Institut für Physiologische Chemie der Universität Düsseldorf betont jedoch, daß Carotinoide nur in der Prävention eingesetzt werden können. In der eigentlichen Krebstherapie oder in der Vorbeugung von Rückfällen zeigten sie keine Wirkung. Besonders bei bereits an Krebs erkrankten Patienten sei Vorsicht geboten. Durch hohe Gaben von Beta-Carotin-Präparaten, warnt der Düsseldorfer Ernährungsexperte, könne das Krebsrisiko sogar bis um das 30fache ansteigen, wie klinische Studien gezeigt hätten. Möglicherweise liegt dies an den Wechselwirkungen mit anderen krebsvorbeugenden Nahrungsinhaltsstoffen. In einem Tierversuch hat die Zufuhr großer Mengen Beta-Carotin beispielsweise zu einer Verarmung an Vitamin E geführt. Das Vitamin wird ebenfalls als wirksamer Inhaltsstoff zur Vorbeugung von Tumoren angesehen. Andere Studien konnten eine reduzierte Aufnahme von Vitamin E allerdings nicht nachweisen.

Mais und Grünkohl gut für die Augen?

In Leber, Augen, Haut und Fettgewebe liegen bestimmte Carotinoide in deutlich höherer Konzentration vor als in anderen Körpergeweben. Sichtbar wird dies z. B. durch die Gelbfärbung der Haut nach hoher Beta-Carotin-Zufuhr. In der Netzhaut des Auges, im sogenannten gelben Fleck (Macula), kommen die Carotinoide Lutein und Zeaxanthin, die in Grünkohl und Spinat bzw. Mais enthalten sind, in größeren Mengen vor. In der Macula, der Stelle des schärfsten Sehens, können im Laufe des Alters Abbauprozesse auftreten, die bis zur völligen Erblindung führen. Diese altersbedingte Sehschwäche ist die häufigste Ursache für Augenleiden bei alten Menschen in den westlichen Industrieländern. Wissenschaftler wissen bisher nur wenig darüber, was diesen Erblindungsprozeß einleitet. Vermutlich sind es fortgesetzte oxidative Schädigungen der Netzhaut durch freie Radikale, da das Auge in hohem Maß Licht und Sauerstoff ausgesetzt ist. Die Netzhaut und ihre mehrfach ungesättigten Fettsäuren werden daher besonders stark von freien Radikalen angegriffen. Lutein und Zeaxanthin könnten hier als natürliche Schutzmechanismen wirken. Bisher konnte allerdings nicht nachgewiesen werden, daß eine erhöhte Zufuhr dieser Carotionoide das Risiko für diese altersbedingte Sehschwäche vermindern kann.

Carotinoide: Präparate nicht empfehlenswert

Durch den reichlichen Verzehr von Obst und Gemüse kann der Körper mit genügend Carotinoiden versorgt werden. Ernährungswissenschaftler empfehlen übereinstimmend, Carotinoide nicht isoliert in Form von hochkonzentrierten Präparaten aufzunehmen, sondern im natürlichen Verbund mit anderen Nahrungsinhaltsstoffen. Die Einnahme hochdosierter Präparate birgt sogar Gefahren. Eine regelrechte Vergiftung mit Carotinoiden ist zwar nicht möglich, da die Aufnahme im Darm konzentrationsabhängig ist und die Leber über eine hohe Speicherkapazität verfügt. Beta-Carotin-Supplemente können aber möglicherweise das Krebsrisiko erhöhen. Daher hat die International Agency for Research on Cancer erst kürzlich vom Einsatz von Beta-Carotin- und anderer Carotinoid-Präparate zur Tumorprävention abgeraten.

Die moderne Analytik macht es heute möglich, vielen Einzelsubstanzen in unseren Lebensmitteln bestimmte Aufgaben und Wirkungen zuzuordnen. Allerdings sind längst noch nicht alle Zusammenhänge über Funktion und Bioverfügbarkeit der Carotinoide bekannt. Das gilt auch für viele andere bioaktive Substanzen. Besonders schwer fällt es, über einzelne Lebensmittel mit ihren komplexen Inhaltsstoffen Aussagen zu treffen. Klar scheint aber, daß mit isolierten Präparaten und angereicherten Lebensmitteln kaum die gleichen positiven Effekte erzielt werden können, wie mit frischen Lebensmitteln, in denen die Pflanzenstoffe in einer natürlichen Zusammenstellung vorliegen.

LITERATUR:
BIESALSKI, H.K. u. a.: Ernährungsmedizin. Thieme, Stuttgart 1995
BUB, A.; STAHL, W.: DGE-Arbeitstagung "Sekundäre Pflanzenstoffe". Karlsruhe 20.20.1998
GAßMANN, B.: Beta-Carotin erleidet eine kollektive Schlappe. In Ern.-Umschau 2/43 Jg., S. 103, 1996
GROENEVELD, M.: Carotinoide: Vorkommen, Lebensmittelverarbeitung und physiologische Bedeutung. In: Ern.-Umschau 2/45 Jg., S. 96-70, 1998

Quelle: Gaster, C.: UGB-Forum 1/99, S. 18-21