Das FODMAP-Konzept

Nach eigenen Angaben beobachten 25-30 Prozent der Bevölkerung Beschwerden nach dem Verzehr von bestimmten Nahrungsmitteln. Eine Gruppe von Kohlenhydraten, die sogenannten FODMAPs, spielen offenbar eine wichtige Rolle.

Etwa 15 Prozent der Bevölkerung in Deutschland leiden an einem Reizdarmsyndrom und immer mehr Menschen zeigen Nahrungsmittel-Intoleranzen. Beide Krankheiten weisen Überlappungen und ähnliche Beschwerden auf wie Bauchschmerzen, Blähungen und Völlegefühl. Wissenschaftliche Untersuchungen der letzten zehn Jahre zeigen dabei einen Zusammenhang mit sogenannten fermentierbaren Oligo-, Di- und Monosacchariden und Polyolen (FODMAP), die natürlicherweise in zahlreichen Nahrungsmitteln vorkommen. Eine FODMAP-reduzierte Ernährung kann bei sensiblen Personen die Beschwerden reduzieren und die Lebensqualität erhöhen.

Schwerverdaulich für sensible Menschen

Der Begriff FODMAP bezeichnet bestimmte kurzkettige, leicht fermentierbare Kohlenhydrate sowie Zuckeralkohole. Dazu zählen zum Beispiel Fruktane, Fruktose, Laktose, Galaktane und Zuckeralkohole wie Xylit, Sorbit und Maltit. Fermentierbar bedeutet, dass sie von Darmbakterien abgebaut und zur Energiegewinnung verwendet werden können. FODMAPs sind in einer ganzen Reihe von Lebensmitteln enthalten, beispielsweise in verschiedenen Getreiden, Zwiebeln, Hülsenfrüchten, vielen Gemüse- und Obstsorten sowie einigen Milchprodukten.

FODMAPs sind schwer- oder unverdaulich und passieren Magen und Dünndarm größtenteils unverändert. Sie gelangen so in den Dickdarm, wo sie von Bakterien fermentiert werden. Dabei entstehen Gase wie Wasserstoff und Methan. Zudem kommt es zu einem erhöhten Wassereinstrom in den Darm, da gewisse FODMAPs osmotisch aktiv sind. Diese Prozesse können bei sensiblen Personen, beispielsweise bei Reizdarmsyndrom, Beschwerden wie Schmerzen, Stuhlunregelmäßigkeiten und Unwohlsein auslösen.

Für Gesunde unproblematisch

Für die menschliche Gesundheit spielen FODMAPs im Normalfall eine positive Rolle. Sie dienen den Darmbakterien als Nahrung und sorgen so für eine intakte Mikrobiota (Darmflora). FODMAPs kommen zudem in vielen ernährungsphysiologisch wichtigen Nahrungsmitteln vor. Sie sollten darum nur dann reduziert werden, wenn Beschwerden vorliegen und immer nur so streng, wie bei einer Person individuell nötig ist. Führend in der Erforschung der FODMAPs ist ein Team von Wissenschaftlern der australischen Monash-University in Melbourne. Inzwischen bestätigen verschiedene Forscherteams aus der ganzen Welt, dass eine FODMAP-arme Ernährung bei Reizdarmsyndrom für die Betroffenen wirksam ist. Auch eine kürzlich publizierte Untersuchung der Universität Essen bestätigt diese für Reizdarmbetroffene so wichtigen neuen Erkenntnisse: Die FODMAP-arme Ernährung reduziert die Beschwerden in gleichem Maße wie bisher übliche Ernährungsempfehlungen – meist sogar deutlich besser.

Betroffene, die nach dem Verzehr von Getreide und Getreideprodukten Magen-Darm-Beschwerden entwickeln, vermuten meist Weizenproteine oder Gluten im Getreide als Ursache. Verschiedene Studien der letzten Jahre haben allerdings gezeigt, dass die meisten Personen mit einer selbst diagnostizierten Glutensensitivität in Blindversuchen nicht auf Gluten reagieren. Meist sind es die Fruktane aus Weizen – eine Untergruppe der FODMAPs –, welche die Beschwerden auslösen.

Ernährungskonzept in drei Phasen

Ob jemand FODMAP-sensitiv ist oder nicht, lässt sich derzeit nur über eine diagnostische Eliminationsphase herausfinden. Ein Austesten von Nahrungsmittel-Intoleranzen mit Bioresonanz, Pulsmessungen oder IgG-Bluttests ist nicht zuverlässig. Beim FODMAP-Konzept werden in einem ersten Schritt alle FODMAP-reichen Lebensmittel für zwei bis sechs Wochen aus dem Speiseplan gestrichen. Das schränkt die Nahrungsauswahl erheblich ein. Zur Langzeiternährung ist diese strikte, auch Restriktionsphase genannte, erste Phase allerdings nicht gedacht. Sie dient lediglich zur Beurteilung, ob FODMAPs bei den Beschwerden eine Rolle spielen. Danach folgt das schrittweise Wiedereinführen der FODMAP-haltigen Nahrungsmittel (= Re-Ex-positions-Phase). So kann heraus- gefunden werden, welche FODMAP-haltigen Lebensmittel in welchen Mengen vertragen werden. Hat man die persönliche Toleranz herausgefunden, kann man in der dritten und langfristigen Phase eine auf die persönlichen Bedürfnisse angepasste, ausgewogene Ernährung zusammenstellen. Ziel ist, mit möglichst wenigen Nahrungseinschränkungen die Beschwerden ausreichend zu reduzieren.

Individuelle Beratung erforderlich

Dieses komplexe Ernährungskonzept sollte unbedingt von speziell geschulten Ernährungsfachkräften begleitet werden. Es geht einerseits darum, die fachlich korrekte Umsetzung anzuleiten und Alltags- und Detailfragen zu klären. Andererseits müssen eine Mangelernährung und Fehlinterpretationen verhindert werden. FODMAP- haltige Nahrungsmittel sollten beispielweise nicht nur einfach weggelassen, sondern immer durch FODMAP-ärmere Alternativen ersetzt werden. Wichtig sind darum Hinweise auf geeignete Nahrungsmittel und auf passende Mengen. Unterstützung bei der Menüplanung, Rezepte oder Kochbuchempfehlungen schätzen Betroffenen sehr.

Anders als viele glauben, sind nicht alle laktose- und glutenfreien Produkte gleichzeitig auch arm an FODMAPs. Das Lesen der Angaben auf den Verpackungen ist darum wichtig, um FODMAP-haltige Zutaten wie beispielsweise Honig, Agavensirup, Erbsenmehl oder Xylit zu erkennen. Hülsenfrüchte sind FODMAP-reich und müssen in der ersten Phase gemieden werden. Bei der Tofuherstellung hingegen werden die FODMAPs der Sojabohne abgebaut, so dass Tofu FODMAP-arm ist. Dies trifft allerdings nicht auf Seidentofu zu, welcher einen mittleren FODMAP-Gehalt aufweist. Wenn Betroffene zu Beginn sehr viele FODMAP-reiche Nahrungsmittel wie Kaugummis, Smoothies, große Mengen Früchte- oder Hülsenfrüchte konsumieren, reicht es manchmal, diese zu reduzieren, um die Beschwerden zu vermindern. Es muss dann nicht immer das ganze FODMAP-Konzept angewendet werden. Trotz der vielen wichtigen Details ist es entscheidend, die Gesamtsicht auf die FODMAP-Aufnahme und eine bedarfsdeckende Nährstoffzufuhr zu behalten. Auch mögliche negative Effekte auf das Essverhalten und der erhöhte Aufwand fürs Einkaufen und Kochen sind sorgfältig zu überwachen und sollten individuell begleitet werden.

Getreide: Sorten und Teigführung entscheidend

Weizen, Roggen, Gerste, Emmer, Einkorn und Amaranth haben einen relativ hohen FODMAP-Gehalt. In der FODMAP-armen ersten Phase müssen darum Brot, Mehlspeisen und Teigwaren daraus gemieden werden. Dies ist unabhängig davon, ob es sich um Weiß- oder Vollkornmehl handelt. Gute Alternativen sind FODMAP-arme Getreide wie Mais, Reis, Quinoa, Buchweizen, Teff und Hirse. Der FODMAP-Gehalt von Brot unterscheidet sich stark und kann nicht zuverlässig abgeschätzt werden. Besteht das Brot beispielweise aus verschiedenen Getreiden, ist oft nicht klar definiert, in welchem Verhältnis die Mehle verwendet wurden. Viele Personen versuchen, auf Urgetreide oder Dinkel auszuweichen. Einkorn und Emmer enthalten jedoch zu viele FODMAPs. Dinkel weist im Durchschnitt zwar etwas geringere FODMAP-Gehalte als Weizen auf, doch ist er keinesfalls arm an diesen Kohlenhydraten.

Spezieller Urweizen oft bekömmlich

Zudem ist die Dauer der Teigruhe entscheidend, da sie zum teilweisen Abbau der vorhandenen FODMAPs beiträgt. Eine lange Teigführung, wie sie nur noch manche traditionell arbeitenden Bäcker bei der Herstellung von Sauerteigbrot praktizieren, kann allerdings dazu führen, dass der FODMAP-Gehalt sinkt und das Kriterium FODMAP-arm erreicht wird. Dinkel-Sauerteigbrot wird darum meist gut vertragen.

Seit kurzem gibt es mit dem 2a-Weizen (Triticum turgidum forma sanum) einen Urweizen, der den niedrigsten bekannten FODMAP-Gehalt aller Weizensorten aufweist. Ein Hamburger Unternehmen, das den Urweizen vermarktet, fermentiert das Mehl vor der Lieferung an die Bäckereien mithilfe besonderer Hefekulturen, um den Gehalt an FODMAPs weiter zu verringern. Die fertigen Backwaren enthalten deshalb im Schnitt weniger als 0,1 Gramm FODMAPs pro Portion und sind mit dem Label FODMAP-arm der Monash-University versehen.

Ernährung ist eine sehr individuelle Angelegenheit. Zudem sind die Verdauung und der Stoffwechsel jedes Menschen einzigartig. Ein Großteil der Patienten mit einem Reizdarmsyndrom zieht jedoch einen Nutzen aus einer individuell angepassten FODMAP-Einschränkung. Eine professionelle Ernährungsberatung ist unverzichtbar, um diese komplexe Ernährungsform gezielt und richtig anzuwenden und mögliche unerwünschte Effekte zu vermeiden.

Quelle: Schilling B. UGBforum 4/18, S. 166-168

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Stichworte: FODMAP, Kohlenhydrate, Reizdarmsyndrom, Nahrungsmittelintoleranz, Fruktose, Laktose, Darmbakterien, Darm, Mikrobiota, Zuckeralkohole


Kohlenhydrate kontrovers Dieser Beitrag ist erschienen in:
UGBforum 4/2018
Kohlenhydrate kontrovers


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