Was machen Ballaststoffe im Joghurt?

Ob Joghurt, Fruchtsaft oder Müsli - Lebensmittel mit Ballaststoffen anzureichern ist voll im Trend. Die Lebensmittelindustrie schätzt die unverdaulichen Verbindungen wegen ihrer technologischen Vorteile, Verbraucher kaufen sie, um ihre Darmflora zu stärken.

Ballaststoffe In Mode: Inulin und Oligofructose

 Joghurt mit Ballaststoffen

Die Lebensmittelindustrie setzt vor allem auf die wasserlöslichen Ballaststoffe Oligofructose und Inulin. Im Pflanzenreich kommen sie in zahlreichen Gemüsearten wie Artischocken, Chicorée, Zwiebeln, Lauch, Knoblauch und Spargel vor. In geringeren Mengen finden sie sich auch in Getreide. Beide Verbindungen bestehen überwiegend aus Ketten des Einfach-zuckers Fructose, wobei Oligofructose die kürzere Version des Inulins ist. Die Fructoseketten können von den menschlichen Verdauungsenzymen nicht geknackt werden, so daß sie unverändert in den Dickdarm gelangen. Dort werden sie von Bakterien der Darmflora abgebaut. Besonders Bifidobakterien lieben die Zuckerverbindungen als Nahrung. Die zu den Milchsäurebakterien zählenden Mikroorganismen sind im Darm überaus erwünscht. Mit bis zu 95 Prozent stellen sie die dominierende Bakterienart in der Darmflora gestillter Säuglinge dar. Sie tragen vermutlich dazu bei, daß mit Muttermilch ernährte Säuglinge seltener an Infektionskrankheiten leiden als mit der Flasche gefütterte Babys. Wissenschaftler vermuten, daß Bifidobakterien die Immunabwehr erhöhen, gegen Krebszellen wirken und schädliche Keime im Darm verdrängen. Bei Erwachsenen machen sie nur noch etwa 25 Prozent aller Darmbakterien aus.

Oligofructose und Inulin werden überwiegend aus der Wurzel der Zichorie gewonnen. Zunächst wird das Inulin aus den Pflanzen extrahiert und anschließend gereinigt. Aus Inulin wird dann enzymatisch die Oligofructose abgespalten. Das aufwendige Verfahren verbraucht nicht nur viel Chemie und Energie, sondern belastet auch über problematische Abwässer die Umwelt. Mittlerweile läßt sich Oligofructose auch enzymatisch aus Saccharose herstellen.

Ballaststoffe: Vorteile für Industrie

Zahlreiche Studien haben den günstigen Einfluß von Oligosacchariden bestätigt. Bei Aufnahme der Ballaststoffe erhöhte sich die Anzahl der Bifidobakterien im Stuhl. Gleichzeitig verringerte sich die Menge weniger erwünschter Darmbewohner wie Escherichia coli und Clostridien. Das Stuhlvolumen nahm zu, und der pH-Wert im Darm sank. Labortests ergaben, daß Bifidobakterien zudem antibakterielle Substanzen bilden, die vor einer Infektion mit Salmonellen, Listerien und Campylobacter schützen. Auch auf den Cholesterinspiegel wirken sich die Ballaststoffe wahrscheinlich günstig aus.

Die Lebensmittelhersteller schätzen Oligosaccharide vor allem wegen ihrer technologischen Eigenschaften. Oligofructose schmeckt leicht süß, hat keinen Nachgeschmack und bringt Masse sowie eine angenehme Konsistenz, ohne Kalorien zu enthalten. Inulin ist weniger süß, hat aber sonst ähnliche Vorteile. "Sie sind der ideale Zusatz für kalorienreduzierte Lebensmittel, Fruchtzubereitungen, Milchprodukte und Backwaren", schwärmt ein belgischer Hersteller. Oligosaccharide lassen sich zudem gut verkaufen, da sie nicht als Zusatzstoff gelten, sondern als besonders gesundheitsfördernde Lebensmittelzutat.

Ballaststoffe: Isolierte Zufuhr ist unsinnig

Bei all der Euphorie über Oligofructose wird übersehen, daß andere Ballaststoffe ebenfalls die beschriebenen positiven Wirkungen aufweisen. Menschen, die sich mit Obst, Gemüse und Getreide ballaststoffreich ernähren, haben eine gesündere Darmflora, seltener Dickdarmkrebs und niedrigere Cholesterinwerte. Wieso sollten also Ballaststoffe mit viel Aufwand aus Pflanzen isoliert werden, um dann wieder Lebensmitteln zugesetzt zu werden? Wer die unverdaulichen Stoffe über pflanzliche Lebensmittel aufnimmt, nutzt zudem die ganze Bandbreite an wasserlöslichen und -unlöslichen Ballaststoffen, die jeweils ihre ganz spezielle Wirkung auf unseren Körper haben. Zudem enthalten die meisten mit Oligofructose angereicherten Produkte Zucker, Farb- und Aromastoffe.

Quelle: UGB-Forum 2/98, S. 70

Foto: veit kern / pixelio.de


Dieser Beitrag ist dem UGB-Archiv entnommen.

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