DGE-Ernährungsbericht 2024: Ernährung im Wandel

Nachhaltigkeit zieht sich als zentrales Element durch den neuen Ernährungsbericht der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE). Während sich die Essgewohnheiten der deutschen Bevölkerung leicht verbessert haben, kommen neue Probleme wie ungünstige Wirkungen durch hochverarbeitete Lebensmittel und Nanoplastik hinzu.

Der 15. Ernährungsbericht legt eine umfassende Analyse der aktuellen Ernährungssituation in Deutschland vor. Ins Zentrum rückte bei der aktuellen Ausgabe vor allem die Bedeutung unserer Ernährung für Umwelt und Klima. Themen aus dem vorigen Report, wie Trendanalysen zum Lebensmittelverbrauch, das Kapitel zu Übergewicht und Adipositas sowie die Analyse und Bewertung der Ernährungssituation in deutschen Krankenhäusern und stationären Altenpflegeeinrichtungen wurden aktualisiert. Neu sind Kapitel zur Ernährungs- und Gesundheitssituation in armutsgefährdeten Haushalten, zu personalisierter Ernährung, Mikro- und Nanoplastik oder neuartigen Proteinquellen. Zwei Kapitel beschäftigen sich allein mit hochverarbeiteten Lebensmitteln.

Positiver Trend zu mehr Gemüse

Die aktuellen Daten zeigen, dass die Deutschen mehr Gemüse konsumieren, insbesondere Tomaten, Möhren und Rote Rüben, auch Hülsenfrüchte und Weizenmehl verzeichnen ein Plus. Der Verzehr von rotem Fleisch und zuckerhaltigen Getränken ist dagegen rückläufig. Dennoch bleibt der Konsum von Gemüse, Obst, Nüssen oder Vollkornprodukten deutlich unter den Empfehlungen, während Softdrinks, raffiniertes Getreide, Eier, rotes Fleisch und Fleischerzeugnisse noch immer zu häufig im Glas und auf dem Teller landen.

Ein höherer Verbrauch von Vollkornprodukten hätte die deutlichsten positiven Effekte auf die Gesundheit. Für Milch und Milchprodukte ergibt sich ein kontroverses Bild: Aus gesundheitlicher Sicht liegt der Gesamtverbrauch unter den Empfehlungen. Umwelt- und Klimaschutzparameter sprechen hingegen für eine weitere Verringerung. Denn tierische Produkte sind aus nachhaltiger Sicht besonders problematisch. Sie stehen im Zusammenhang mit etwa drei Viertel der ernährungsbedingten Emissionen an Treibhausgasen und rund zwei Drittel der ernährungsbedingten Nutzung von Land und Frischwasser.

Eine Verringerung des Fleischkonsums würde sowohl gesundheitliche als auch umwelt- und klimapolitische Vorteile mit sich bringen, ebenso wie ein zunehmender Verbrauch von Getreide sowie Gemüse und Obst, einschließlich Hülsenfrüchten.

Adipositas nimmt auch bei Kindern weiter zu

Übergewicht und Adipositas sind nach wie vor in allen Altersgruppen weit verbreitet. Durch die COVID-19-Pandemie haben vor allem 30- bis 44-Jährige weiter an Gewicht zugenommen sowie diejenigen, die bereits Übergewicht oder Adipositas hatten. Nach Angaben der Eltern legte zudem jedes sechste Kind im Alter zwischen 3 und 17 Jahren in Deutschland seit Beginn der COVID-19-Pandemie übermäßig an Gewicht zu. Die Daten zeigen darüber hinaus, dass in allen Altersgruppen Personen mit niedrigerem sozioökonomischem Status häufiger übergewichtig sind und damit ein höheres Risiko haben, Erkrankungen wie Typ-2-Diabetes, Bluthochdruck oder koronare Herzerkrankungen zu entwickeln. Auffällig war zudem, dass Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund häufiger Übergewicht haben; bei Erwachsenen zeigte sich hier kein wesentlicher Unterschied.

Insgesamt gelten 60,8 Prozent der Männer und 37,7 Prozent der Frauen als übergewichtig, davon sind 18,3 bzw. 13,2 adipös. Die Verbreitung von Adipositas hat in den letzten Jahren kontinuierlich zugenommen. Die Kapitelautor:innen merken an, dass die sozialen, gesundheitlichen und ökonomischen Folgen eines zu hohen Körpergewichts längst bekannt sind. Dennoch fehle es in Deutschland an wirksamen Präventionsmaßnahmen, regelmäßigen Datenerhebungen sowie interdisziplinärer Forschung. Nötig sei ein Portfolio von Präventionsmaßnahmen, um das Risiko für die Entstehung von Adipositas sowie den damit verbundenen Erkrankungen zu reduzieren und das Gesundheitssystem zu entlasten.

Nährstoffe von Fast Food unter der Lupe

Vor allem junge Erwachsene essen immer häufiger in Fast-Food- und anderen Restaurants der sogenannten Systemgastronomie. Dazu zählen zum Beispiel die Schnellrestaurants von Subway, Nordsee oder KFC. Erstmals wurden für den Ernährungsbericht die ernährungsphysiologischen Eigenschaften der Speisen sowie das Nutzungsverhalten junger Erwachsener in 14 ausgewählten Restaurantketten untersucht. Jede:r dritte junge Erwachsene isst dort mindestens einmal pro Woche. Als wichtigste Motive nannten sie die gute Erreichbarkeit, den schnellen Service sowie das verlässliche, immer gleiche Angebot.

Alle Restaurants der untersuchten Stichprobe bieten in geringem Umfang auch vegetarische und vegane Speisen an. So halten 28 Prozent der untersuchten Fast-Food-Ketten vegetarische und 15 Prozent vegane Speisen bereit. Die Befragten wählten fleischhaltige Produkte jedoch deutlich häufiger als fleischlose Varianten. Der überwiegende Teil der Speisen liefert mehr Fett und gesättigte Fettsäuren, Zucker sowie Salz als empfohlen. Auch bei den Kalorien liegen die meisten Speisen deutlich über den Referenzwerten. Daher könne das häufige Nutzen der Systemgastronomie zu Übergewicht und ernährungsmitbedingten Krankheiten beitragen.

Die Expert:innen des Kapitels empfehlen, das Speisenangebot anzupassen, etwa durch einen höheren Anteil an Gemüse und Hülsenfrüchten zu Lasten von Fleisch und Käse oder durch veränderte Garmethoden wie die Nutzung von Heißluft- statt klassischer Fritteusen. Die gesündere Alternative sollte zudem immer die einfachste und günstigste Wahl sein. So könnte bereits beim Bestellvorgang die gesündere Variante voreingestellt sein, etwa eine kleine Portionsgröße. Innerhalb einer Produktgruppe sollten gesündere Speisen weniger kosten als ungesündere, zum Beispiel durch gesenkte Mehrwertsteuern.

Konkrete Bewerbungen des Gesundheitswertes sollten dagegen eher vermieden werden. Sinne und Genuss anzusprechen, sei wirkungsvoller als Nährwert- oder Kalorienkennzeichnung, um das Ernährungsverhalten zu beeinflussen.

Armutsgefährdete Haushalte sparen am Essen

Im Jahr 2022 galten 12,2 Millionen Menschen in Deutschland als armutsgefährdet. Betroffen sind insbesondere Kinder und Jugendliche, Alleinerziehende, Bezieher:innen von Asylleistungen und Familien mit drei und mehr Kindern. Die Ergebnisse der neu veröffentlichten MEGA kids_Studie zeigen, dass fast ein Viertel der befragten Haushalte von Ernährungsarmut in Form von moderater oder starker Ernährungsunsicherheit betroffen ist. Sie machen sich vor allem Sorgen darüber, dass ihnen das Essen ausgeht und sie nur zwischen wenigen verschiedenen Lebensmitteln wählen können. Teilweise verzichten sie wegen Geldmangels auch auf Mahlzeiten. Häufig fühlen sie sich zudem sozial ausgegrenzt. Die Teilnehmenden der qualitativen Teilstudien nannten hohe Lebensmittelpreise als eine der wichtigsten Herausforderungen einer gesundheitsfördernden Ernährung. Folglich konsumieren Haushalte mit geringerem Einkommen weniger gesunde Lebensmittel, was sich negativ auf die Nährstoffversorgung auswirkt.

Um eine gesundheitsfördernde Ernährung bei geringem Haushaltsbudget sicherzustellen, schlägt das Autor:innenteam insbesondere verhältnispräventive Maßnahmen vor, wie niedrigere Preise für ernährungsphysiologisch günstige Lebensmittel.

Verarbeitete Lebensmittel im Fokus

Die Arbeitsgruppe „(Stark) verarbeitete Lebensmittel“ der DGE beschäftigte sich für den aktuellen Ernährungsbericht sowohl mit den verschiedenen Klassifizierungssystemen als auch mit der wissenschaftlichen Evidenz, inwiefern ein hoher Konsum stark verarbeiteter Lebensmittel die Entwicklung von Krankheiten beeinflusst. Ihr Anteil in der täglichen Ernährung liegt inzwischen bei 30 bis 60 Prozent und steigt weltweit weiter an, ebenso wie der Anteil an übergewichtigen Menschen. Daher wird ein möglicher Zusammenhang diskutiert. Eine systematische Übersichtsarbeit der Arbeitsgruppe fand heraus, dass ein hoher Verzehr hochverarbeiteter Lebensmittel mit einem höheren Erkrankungsrisiko für Übergewicht und Adipositas, Bluthochdruck, Typ-2-Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen im Erwachsenenalter zusammenhängt.

Warum Hochverarbeitetes der Gesundheit schadet, ist aus den Daten noch nicht klar herauszulesen. Als Wirkmechanismen werden Energiedichte, Lebensmittelstruktur und -matrix, Kontaminanten des Verarbeitungsprozesses, Zusatzstoffe und/oder eine Kombination der verschiedenen Faktoren diskutiert. Einheitliche Kriterien für die Einstufung von hochverarbeiten Lebensmitteln und mehr Studien sind für die weitere Abklärung notwendig.

Neue Proteinquellen ökologisch sinnvoll

Etwa 60 Prozent des Nahrungsproteins der deutschen Bevölkerung stammen aus tierischen Quellen. Angesichts der hohen Umweltbelastung durch diesen Konsum gewinnen alternative Proteinquellen zur Deckung des Proteinbedarfs an Interesse. Oft handelt es sich dabei um Proteine aus Insekten, Algen und Pilzen, für die es neue Aufbereitungsprozesse gibt, oder um Proteine aus biotechnologischer Herstellung. Darüber hinaus können sie auch durch Fermentation, Kultivierung von Zellen oder andere innovative Biotechnologien hergestellt werden. Generell könnten alternative Proteinquellen zu einer umwelt- und tierfreundlicheren Ernährung führen. Die Konkurrenzfähigkeit hinsichtlich Geschmack, Proteingehalt und Herstellungskosten könne mittlerweile mit dem Original mithalten, doch stellt die gesellschaftliche Akzeptanz derzeit noch eine Herausforderung dar.

Plastikteilchen potenziell schädlich

Weltweit gelangt enorm viel Plastik in die Umwelt. Die möglichen Auswirkungen von kleinsten Plastikteilchen wie Mikro- und Nanoplastik auf die Gesundheit rücken erst in den letzten Jahren in den Fokus der Wissenschaft, da mit Hilfe neuer Analysetechniken ein sicherer Nachweis möglich ist. Sie zeigen, dass sich Mikro- und Nanoplastik über Luft und Wasser in der Umwelt anreichern und über die Nahrungskette auch in Lebensmittel gelangen. Mikro- und Nanoplastik wurde unter anderem in Mineralwasser aus Plastikflaschen, insbesondere in PET-Flaschen, und Mikroplastik in Spuren auch im Leitungswasser nachgewiesen. Das größere Mikroplastik dringt bei einer intakten Darmbarriere vermutlich nicht in den Organismus ein. Wie es nach Aufnahme über die Luft oder die Nahrung im Körper wirkt, ist noch nicht vollständig aufgeklärt. Zudem kann es sich in der Umwelt weiter zersetzen und chemisch verändern.

Aus Mikroplastik wird im Laufe der Zeit Nanoplastik. Es findet sich aber auch in kosmetischen Produkten oder Lebensmittelverpackungen. Die möglichen Risiken von Nanoplastik sind zwar noch völlig unklar. Die Expert:innen des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR), die dieses Kapitel verfasst haben, stufen sie aber als möglicherweise relevant ein. Denn kleinere Nanoplastikpartikel könnten biologische Barrieren überwinden und wären somit bioverfügbar. Möglicherweise könnten sie über Entzündungsprozesse Botenstoffe freisetzen und dann in anderen Organen unerwünschte Wirkungen vermitteln. Aufgrund der möglichen Gesundheitsrisken und Umweltbelastungen durch Plastik sollte der Einsatz von Kunststoffen insgesamt viel kritischer hinterfragt werden.

Politische Maßnahmen dringend erforderlich

Der aktuelle Ernährungsbericht zeigt, dass der Wandel zu einer nachhaltigeren und gesünderen Ernährung begonnen hat. Dennoch gibt es laut der Autor:innen weiterhin erhebliche Herausforderungen, insbesondere im Bereich der Ernährungsgerechtigkeit, beim Vermeiden ernährungsbedingter Erkrankungen und der Reduktion der Umweltbelastung durch die Lebensmittelproduktion. Politische Maßnahmen, Bildungskampagnen und wirtschaftliche Anreize könnten dabei helfen, diese Ziele zu erreichen.

Die Transformation des Ernährungssystems fordere nicht nur gesellschaftliche und politische, sondern auch von jedem Einzelnen Unterstützung. So appellieren die Autor:innen, dass Offenheit und gegenseitige Wertschätzung, Neugier und Flexibilität Voraussetzungen seien, um die Herausforderungen zu bewältigen. Nur so könne die Welt für gegenwärtige und zukünftige Generationen lebenswert bleiben.

Bild © NewAfrica/depositphotos.com

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Stille Entzündungen – alles auf Abwehr Dieser Beitrag ist erschienen in:
UGBforum 2/2025
Stille Entzündungen – alles auf Abwehr


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