Carbo-Loading - Kraftstoff für die Muskeln

Ob Nudeldiät oder Carbo-Loading-Parties vor Wettkämpfen – Kohlenhydrate nehmen in der Sportlerernährung eine herausragende Stellung ein: Sie sind schnell verfügbar, können im Muskel gespeichert und kurzzeitig sogar ohne Sauerstoff genutzt werden.

Carbo-Loading

Wissenschaftler sind sich einig: Durch körperliche Arbeit verbrauchte Energie sollte vorrangig durch Kohlenhydrate wieder zugeführt werden. Intensiv trainierenden Sportlern wird daher mit 60-65 Prozent der Gesamtenergie oder 6-10 g/kg Körpergewicht eine höhere Kohlenhydratzufuhr empfohlen als der Allgemeinbevölkerung mit 50 Prozent. Denn Kohlenhydrate verfügen über Eigenschaften, die für die Energiegewinnung in den Muskelzellen besonders wichtig sind (s. Kasten). Experten empfehlen, dass dabei höchstens zehn Prozent der Gesamtenergie über Saccharose (Zucker) aufgenommen werden sollten. Intensiv trainierende Sportler halten diesen Wert jedoch selten ein. Häufig essen sie als Zwischenmahlzeit schnell resorbierbare Kohlenhydrate, oft in Form von Süßigkeiten. Leistungssportler verzehren deshalb oftmals einfache und komplexe Kohlenhydrate in einem ungünstigen Verhältnis von 60 zu 40. Gerade bei den Zwischenmahlzeiten sollten Sporttreibende jedoch eine vollwertige Alternative bevorzugen. Denn schnell verfügbare Kohlenhydrate sind nur während und vor allem direkt nach körperlicher Belastung sinnvoll.

Sauerstoffaufnahme ist begrenzt

Ausdauerleistungen sind durch die Kapazität des Organismus zur Sauerstoffaufnahme begrenzt. Da die Energieausbeute pro Liter aufgenommenem Sauerstoff beim Abbau von Kohlenhydraten größer ist als bei der Oxidation von Fettsäuren, sind Glykogen bzw. Glucose effiziente Energiequellen. Die Glykogenspeicher im Muskel mit ca. 300-500 Gramm und in der Leber mit etwa 100 Gramm liefern insgesamt rund 1600-2000 Kilokalorien. Verglichen mit den Fettspeichern ist dies jedoch nicht viel. Bei Normalgewichtigen hält das Körperfett ein Energiedepot von rund 80.000 Kilokalorien bereit. Die Größe der Glykogenspeicher stellt vor allem für Mittel- und Langzeitausdauersportler einen leistungsbegrenzenden Faktor dar.

Wenn sie erschöpft sind, erfolgt die Energiegewinnung zunehmend aus der Fettverbrennung. Weil die Fettverbrennung aber weniger effektiv ist, verlieren die Muskeln an Leistungsfähigkeit und ermüden schneller. In welchem Ausmaß die Kohlenhydratspeicher entleert werden, hängt ab von der Art der Belastung, ihrer Dauer und Intensität sowie vom Trainingszustand und der Zufuhr von Kohlenhydraten.

Carbo-Loading: Belastungszeit lässt sich verlängern

Während eines Marathonlaufs oder eines Radrennens aufgenommene Kohlenhydrate in Form von Getränken, aber auch von fester Nahrung, werden vom Körper bevorzugt verwertet. In Versuchen lässt sich mittels markierter Glucose nachweisen, wie stark sie am Energiestoffwechsel beteiligt sind. Fährt eine trainierte Versuchsperson auf dem Fahrradergometer mit 70 Prozent der maximalen Sauerstoffaufnahme, ist nach etwa 90 Minuten das Muskelglykogen verbraucht. Wenn der Proband während einer 20- bis 30-minütigen Pause Kohlenhydrate zu sich nimmt, kann die Belastungszeit um 15 Prozent verlängert werden, durch kontinuierliche Glucoseinfusionen sogar um 25 Prozent. Das heißt, ein konstanter Blutglucosespiegel trägt dazu bei, den Ermüdungszeitpunkt hinauszuschieben. Es ist daher wichtig, dass vor allem bei entleerten Glykogenspeichern die Muskulatur fortlaufend mit Glucose versorgt wird. Auch bei einem zweistündigen Belastungstest mit einem Skiroller mit ca. 75 Prozent der maximalen Sauerstoffaufnahme ließ sich die Leistung auf dem letzten Teilstück durch eine Kohlenhydratgabe verbessern. Die Sportler erhielten dabei ingesamt 100 Milligramm Saccharose gelöst in 600 Milliliter Wasser: je 200 Milliliter unmittelbar vor der Belastung sowie nach einem Drittel bzw. zwei Dritteln der 30 Kilometer Laufstrecke. Bei der Kontrollgruppe, die keine Saccharose aufnahm, musste knapp ein Viertel der Probanden wegen Unterzuckerung aufgeben.

Nahrung fürs Gehirn

Neben dem Muskel benötigt auch das Nervensystem ausreichend Energie. Die Energiegewinnung der Nervenzellen erfolgt in erster Linie über die Oxidation von Glucose. Ein ausreichend hoher Blutzuckerspiegel ist daher sowohl für körperliche als auch für geistige Prozesse von entscheidender Bedeutung. So zeigten Untersuchungen bei Motorsportlern oder Skispringern, dass durch Kohlenhydrate Konzentration und Koordination verbessert werden konnten. Entsprechend fand sich auch bei Versuchen im Fahrsimulator eine signifikant niedrige Fahrfehlerquote, wenn die Testpersonen zwischendurch Traubenzucker erhielten.
Eine erhöhte Konzentration des Neurotransmitters Serotonin im Gehirn kann ebenfalls eine zentrale Ermüdung hervorrufen und dadurch die Leistung schwächen. Unter Ausdauerbelastung steigt die Konzentration an Tryptophan im Blut an. Aufgrund des erhöhten Angebots wird Tryptophan im Gehirn dann verstärkt in den Botenstoff Serotonin umgewandelt. Während der Belastung zugeführte Kohlenhydrate führen jedoch zu einer Abnahme des freien Tryptophans. Diesen Effekt erklären Wissenschaftler folgendermaßen: Werden während der Belastung Kohlenhydrate aufgenommen, muss der Körper weniger auf seine Fettreserven zurückgreifen. Dadurch verringert sich die Bildung von freien Fettsäuren. Hohe Konzentrationen an freien Fettsäuren verdrängen Tryptophan aus seinen Bindungsstellen und lassen somit die Konzentration an freiem Tryptophan ansteigen, was die Serotoninproduktion fördert. Durch die Zufuhr von Kohlenhydraten vor bzw. während körperlicher Aktivität wird verhindert, dass sich der Serotoninspiegel erhöht, da dann weniger freie Fettsäuren vorliegen. Dieser Mechanismus könnte erklären, warum Kohlenhydrate die zentrale Ermüdung verringern und die Leistung verbessern. Tierexperimentelle Untersuchungen unterstützen diese Annahme; die Anzahl der hierzu vorliegendenden Studien mit Sportlern ist jedoch noch gering.

Carbo-Loading: Leere Speicher richtig auffüllen

Direkt nach der Belastung sollten Sportler ihre verbrauchten Glykogenspeicher rasch auffüllen, damit sie schnell wieder fit sind. Untersuchungen haben gezeigt, dass in den ersten 4-6 Stunden nach der sportlichen Leistung die Glucose besonders schnell in die Zellen aufgenommen wird. Denn der Körper bildet dann vermehrt Glucosetransporter (so genannte Glut-4-Transporter). Darüber hinaus steigt die Glykogensynthese, weil gleichzeitig die Aktivität der Glykogen bildenden Hormone zunimmt. Sportmediziner empfehlen daher, in den ersten 6 Stunden nach intensiver Belastung ca. 1 Gramm Glucose pro Kilogramm Körpergewicht pro Stunde aufzunehmen. Unmittelbar nach der Belastung sollte zudem auf einen hohen glykämischen Index der Kohlenhydrate geachtet werden. Das heißt, es sollten Lebensmittel und Getränke bevorzugt werden, die den Blutzuckerspiegel rasch erhöhen, z. B. Müsliriegel oder Bananen. Die Bauchspeicheldrüse schüttet daraufhin vermehrt Insulin aus, das die Glucoseaufnahme in die Muskelzellen verbessert. Ob die Kombination von Proteinen (auch einzelnen Aminosäuren) und Kohlenhydraten die Neubildung des Glykogens deutlich steigern kann, wird derzeit kontrovers diskutiert. Abgesehen von den ersten Stunden nach einer Belastung gibt es jedoch weder aus energetischer noch aus präventivmedizinischer Sicht nachvollziehbare Gründe, warum Sportler Nahrungsmittel mit einem hohen glykämischen Index verzehren sollten.
Diese Aussage trifft auch für lang andauernde, intensive Belastungen sowie für die so genannte Superkompensation zu. Hierunter versteht man gezielte Trainings- und Ernährungsmaßnahmen, um die Glykogenspeicher in den Tagen vor einem Wettkampf zu erhöhen. Vor allem Ausdauersportler nutzen diesen Effekt. In den vergangenen Jahren sind verschiedene Möglichkeiten der Superkompensation – auch „carbohydrate-loading“ genannt – beschrieben worden. Die derzeit favorisierte Methode empfiehlt, die Kohlenhydratzufuhr auf 9-10 Gramm Kohlenhydrate pro Kilogramm Körpergewicht am Tag zu erhöhen, während gleichzeitig die Trainingsintensität reduziert wird.

Hoher oder niedriger Glykämischer Index?

Ob der glykämische Index der konsumierten Kohlenhydrate einen messbaren Einfluss auf die Leistungsfähigkeit hat, wird derzeit intensiv untersucht. Aus ersten Ergebnissen ist ableitbar, dass Kohlenhydrate mit einem unterschiedlichen glykämischen Index den Blutzuckerspiegel und damit die Insulinantwort auch während körperlicher Aktivität unterschiedlich stark beeinflussen. Kohlenhydrate, die einen niedrigen glykämischen Index und eine niedrige insulinämische Antwort aufweisen, sind insbesondere direkt vor einem Wettkampf empfehlenswert. Sie führen zu höheren und konstanteren Blutglucosespiegel während Ausdauerbelastung und geringerer Reduktion der freien Fettsäuren. Zudem werden nach Beginn der Belastung mehr Fett und weniger Kohlenhydrate oxidiert und damit die Glykogenreserven für spätere Belastungsphasen geschont. Da einfache Kohlenhydrate nur unmittelbar nach der Belastung Vorteile bringen, sollten Sportler in der übrigen Zeit komplexe Kohlenhydrate – vor allem in Form von Stärke – aufnehmen. Denn stärkereiche Lebensmittel wie Getreide, Kartoffeln, Hülsenfrüchte und Gemüse versorgen uns gleichzeitig mit wichtigen Vitaminen, Mineral- und Ballaststoffen. Darüber hinaus sättigen stärke- und ballaststoffreiche Lebensmittel besser als zuckerhaltige Produkte.

Tipps für Breitensportler

Fazit für die Praxis: Breitensportler sollten auf einen hohen Kohlenhydratanteil von mindestens 50-55 Prozent in ihrer Ernährung achten. Insbesondere vor, während und nach dem Sport ist es sinnvoll, genügend Kohlenhydrate zuzuführen. Eine ideale Versorgung könnte beispielsweise folgendermaßen aussehen: 3-4 Stunden vor der Belastung 80-120 Gramm komplexe Kohlenhydrate in Form von Müsli, Brot, Nudeln oder Gemüse; als Energielieferanten während und nach körperlicher Aktivität kohlenhydratreiche Getränke (z. B. Apfelsaftschorle) sowie kohlenhydrat- und ballaststoffreiche Snacks.

Kohlenhydrate: Ideale Energiequellen

• Die unmittelbaren Energiequellen für die Muskelarbeit sind die energiereichen Phosphate. Diese Energiedepots werden durch den Abbau von Kohlenhydraten, der bereits in den ersten Sekunden der körperlichen Belastung einsetzt, rasch wieder aufgefüllt.

• Die Energieausbeute ist beim Abbau von Glucose bzw. Glykogen bezogen auf den verbrauchten Sauerstoff um 12-13 % größer als bei der Fettverbrennung; Kohlenhydrate weisen damit den günstigsten energetischen Wirkungsgrad unter Sauerstoffnutzung auf.

• Kohlenhydrate können in der Muskelzelle in Form von Glykogen gespeichert und für die Muskelarbeit bereitgestellt werden; im Gegensatz zu den anderen Nähr-stoffen kann hierbei auch kurzfristig unter anae-roben Bedingungen, das heißt ohne Sauerstoff Energie gewonnen werden.

• Für Gehirn und Nervenzellen ist Glucose durch kein anderes Substrat ersetzbar. In der Muskelzelle kann die Energiegewinnung durch Glucose auch nur zum Teil durch Fettsäuren, Aminosäuren oder anderes ersetzt werden. Steht zu wenig Glucose zur Verfügung, werden die Leistungsfähigkeit, neuromuskuläre und mentale Funktionen beeinträchtigt.

Onlineversion von: König D: UGB-FORUM Spezial 2017, S.23-25
Foto: yamix/Fotolia.com