Endometriose: Die unterschätzte Schmerzerkrankung

Bei einer Endometriose wächst Gebärmutterschleimhautähnliches Gewebe außerhalb der Gebärmutterhöhle. Diese Läsionen verursachen oft sehr starke Schmerzen während der Periode und können sich auch auf andere Organe im kleinen Becken ausweiten. Eine stärkere Beachtung dieser Erkrankung ist dringend nötig.

An Endometriose leiden etwa zwei Millionen Frauen in Deutschland, weltweit sind es 190 Millionen. Typische Beschwerden sind sehr starke Menstruationsschmerzen, die ohne Schmerzmittel zu Bettlägerigkeit, Schul- oder Arbeitsunfähigkeit führen. Hinzu kommen zyklische und azyklische Unterbauchschmerzen, zyklisch gestörte Blasen- und Stuhlentleerung, Schmerzen beim Geschlechtsverkehr sowie Unfruchtbarkeit. Oftmals begleitet die Erkrankung Frauen während der gesamten reproduktiven Lebensphase und verursacht meist bereits vor dem 20. Lebensjahr Beschwerden. Eine aktuelle Analyse zeigt, dass die Häufigkeit in Deutschland seit 2014 stark ansteigt, ganz besonders in jüngeren Altersgruppen. Denn die Diagnose hat sich verbessert und es gibt weniger unerkannte Fälle.

Schmerzhafte Läsionen

Bei einer Endometriose kommt es zur Ansiedlung von Gewebe, das der Gebärmutterschleimhaut ähnelt, außerhalb der Gebärmutterhöhle. Solche Gewebeinseln, Endometriose-Läsionen genannt, können auch in die Muskelschicht der Gebärmutter (Myometrium) abwandern, dann wird von einer Adenomyose gesprochen. Da diese Absiedelungen auch tief in benachbarte Organe wie Darm, Blase oder Harnleiter wachsen oder sich auch am Zwerchfell oder Nabel ansiedeln können, ist das Beschwerdebild oft extrem komplex.

Inzwischen wird die Erkrankung dem Formenkreis der chronisch-entzündlichen Erkrankungen zugeordnet. Endometriose muss daher als chronische Schmerzerkrankung verstanden werden, die leider auch nach operativer Entfernung des Gewebes mit einer hohen Rezidivrate einhergeht.

Oft verspätete Diagnose

Bei der Diagnose von Endometriose ist es schwierig herauszufiltern, was eigentlich pathologischer Menstruationsschmerz ist (siehe Tab. 1). Denn 80 Prozent aller jungen Frauen geben Menstruationsschmerzen an, 10-15 Prozent entwickeln später eine Endometriose. Befragt man Frauen mit der späteren Diagnose, geben 90 Prozent an, bereits im ersten Jahr nach Blutungsbeginn schwerste Regelschmerzen entwickelt zu haben.

Wichtig ist eine gute Anamnese, die intensive gynäkologische Tastuntersuchung, die ausführliche Diagnostik (Ausschluss von Organschäden) und anschließend eine frühzeitige Einleitung der medikamentösen Therapie. Leider sieht im Moment die Versorgung von Betroffenen vollkommen anders aus: Viele Frauen berichten, dass ihre Symptome nicht ernst genommen werden. Obwohl die Anzeichen hinlänglich bekannt sind, wird die Erkrankung trotzdem im Mittel erst zehn Jahre nach Einsetzen der Beschwerden diagnostiziert. Bis dahin werden die Frauen oft nicht adäquat behandelt.

Schleichende Entwicklung

Aktuell vermuten Mediziner:innen, dass die Gebärmutter (Uterus) Ursprung dieser sich schleichend entwickelnden Erkrankung ist. Eine muskuläre Überaktivität (uterine Hyperperistaltik) führt zu einer Aktivierung von uterinen Stammzellen, die sich andernorts ansiedeln und Läsionen bilden. Anfangs können zwar bereits starke Regelschmerzen bestehen, es sind aber kaum Veränderungen im Uterus sichtbar. Erst fortgeschrittene ausgedehnte beziehungsweise tief infiltrierende Läsionen oder solche in der Muskelschicht der Gebärmutter sind im Ultraschall erkennbar. Dann ist aber die uterine Architektur bereits verändert. Daher muss in der Diagnostik die Schmerzanamnese führend sein. Denn letztlich berichten über 60 Prozent der Betroffenen über einen Beschwerdebeginn vor dem 20. Lebensjahr. Dabei besteht zwischen Dauer und Intensität der Beschwerden eine klare Korrelation zum Ausmaß der späteren Erkrankung.

Bleiben schwere Menstruationsschmerzen unbehandelt, kehren sie also monatlich wieder, so nehmen Betroffene anfangs noch wahr, dass der Schmerz auch wieder abflaut. Tritt dieser Schmerz jedoch wiederholt auf, greifen die körpereigenen Warnsignale, und der Körper reguliert diesen nicht etwa herunter, sondern verstärkt ihn noch. Es kommt zu einer herabgesetzten Schmerzschwelle und der Wahrnehmung von Schmerzen schon bei geringen Reizen wie bei Berührung. Die Patientinnen werden ängstlich, die Schmerzverarbeitung dadurch erschwert. Starke Krämpfe mit Schmerzen, auch von vegetativer Reaktion wie Übelkeit oder Erbrechen begleitet, führen zudem zu einer Schonhaltung, wodurch die Beckenbodenmuskulatur verkrampft und es zu einer Beckenbodenfehlfunktion kommt, die wiederum die Schmerzen verstärkt.

Es manifestiert sich eine Störung, die immer größere Ausmaße annimmt und nicht mehr nur zyklisch Probleme hervorruft, sondern sich zunehmend auch dauerhaft manifestiert. Das Phänomen erklärt die oft starken Schmerzzustände, die die Patientinnen begleiten, auch ohne dass ausgedehnte Befunde vorliegen. Es ist unerlässlich, dies zu verstehen und der Patientin Therapievorschläge anzubieten. Denn mit der Dauer der Schmerzen steigt das Risikio für Depressionen, weil Patientinnen zunehmend verzweifelter sind und nach Rat und Hilfe suchen, oft aber auf Unverständnis stoßen.

Vielschichtige Therapie

Da Endometriose grundsätzlich eine hormonelle Erkrankung ist, bildet die medikamentöse hormonelle Therapie die Basis. Die Endometriose-Läsionen reagieren genau wie die Gebärmutterschleimhaut auf den Östrogenanstieg im Blut, der zum Aufbau der Schleimhaut führt. Mit der Blutung kommt es dann auch in den Läsionen zur Freisetzung entzündungsfördernder Botenstoffe und Aktivierung von Schmerzrezeptoren. Daher macht eine hormonelle Therapie mit dem Ziel eines Ausbleibens der Menstruation (Amenorrhoe) Sinn.

Eine weitere wichtige Säule der Therapie ist die Operation, bei der Endometrioseherde entfernt werden. Auch die Schmerzen müssen behandelt werden. Denn chronifizierte Schmerzen führen zu sekundären Begleitreaktionen im Bewegungsapparat wie Fehlhaltungen oder Muskelverspannungen der Beckenbodenmuskulatur. Manuelle Therapie, Entspannungstechniken sowie Osteopathie sind weitere sinnvolle Maßnahmen. Auch eine interdisziplinäre stationäre Schmerztherapie kann erforderlich werden.

Rolle der Ernährung

Interessanterweise wird der Ernährung eine immer größere Rolle im Krankheitsgeschehen der Endometriose zugesprochen. Viele Patientinnen beobachten, dass ihre unspezifischen Darmbeschwerden, die sie selbst gar nicht als gynäkologisches Problem identifiziert haben, einem zyklischen Muster folgen. Dieses Phänomen hat als Endobelly bereits einen Eigennamen bekommen. Hier kommt es teilweise zu einem enormen Blähbauch, der Ausmaße höherer Schwangerschaftsmonate annehmen kann. Dies verursacht nicht nur Schmerzen, sondern auch Unwohlsein. Damit gehen auch funktionelle Darmentleerungsstörungen (Obstipation/Diarrhoe), Nahrungsmittelunverträglichkeiten und Schmerzen vor dem Stuhlgang einher.

Die Studienlage zu evidenzbasierten Ernährungsempfehlungen ist allerdings sehr begrenzt. Grundsätzlich gibt es Empfehlungen für eine ballaststoffreiche Ernährung mit viel Gemüse und Obst sowie einem reduzierten Konsum von Zucker und tierischen Produkten.

Im Internet werden verschiedene Empfehlungen gegeben, die den Eindruck vermitteln, die Wirkung sei belegt. Sie beruhen jedoch nicht auf studienbasiertem Wissen. Dennoch konnten auch wir beobachten, dass eine vegane Ernährung mit Verzicht auf Zucker und Gluten oftmals zur deutlichen Besserung führt. Hier besteht die Annahme, dass in der Darmschleimhaut und -wand zyklische Veränderungen vorkommen; dabei können das Mikrobiom, aber auch eine chronische Entzündung eine Rolle spielen. Dieses Phänomen muss in weiteren Studien geprüft werden. Hier gibt es verschiedene Ansätze, die Darmflora neben einer pflanzenbasierten Kost auch mit Probiotika aufzubauen und zu stabilisieren.

Antientzündliche Kost

Grundsätzlich ist bekannt, dass ein entzündliches Milieu freie Radikale hervorruft und damit oxidativer Stress besteht. Daher könnte grundsätzlich eine anti-entzündliche Ernährung sinnvoll sein. So konnte in einer prospektiven Studie gezeigt werden, dass die Einnahme von Fischöl mit Omega-3-Fettsäuren das Risiko für Rezidive verminderte. Dabei spielte auch ein günstiges Verhältnis ungesättigter zu gesättigten Fettsäuren eine Rolle. Die Vitamine C, E und A sowie Selen und Zink wirken antioxidativ. Vitamin D wird neben der antientzündlichen Wirkung auch ein wachstumshemmender und immunmodulatorischer Effekt zugesprochen und bewirkte in einer Studie sogar eine Schmerzreduktion, die vermutlich durch eine verminderte Histaminfreisetzung bedingt wurde.

Psyche beachten

Ein weiterer wichtiger Faktor im Krankheitsgeschehen und Erleben der Erkrankung ist die Psyche. Studien aus Österreich, Ungarn und Brasilien berichten, dass 15-87 Prozent der Frauen mit Endometriose unter depressiven Symptomen und 29-88 Prozent unter Angststörungen leiden. Detaillierte Analysen lassen vermuten, dass die Ursache nicht die Erkrankung als solches, sondern eher die damit verbundenen Schmerzen sind, vor allem wenn diese chronifizieren, psychischen Stress bewirken. Insbesondere Patientinnen mit starken Schmerzen zeigen signifikant häufiger depressive Symptome und Angststörungen als solche ohne Schmerzen. Daher ist eine psychologische Begleitung unerlässlich. Vielen ist nicht bekannt, dass es in Deutschland zertifizierte Rehabilitationskliniken gibt, die Patientinnen mit Endometriose betreuen (Klinik-Übersicht siehe www.Stiftung-Endometriose-Forschung.de).

Früher wurde die Erkrankung rein gynäkologisch betreut. Mit zunehmendem Verständnis um die komplexe Schmerzproblematik zeigt sich, dass diese multimodal und interdisziplinär zu behandeln ist. Die Patientinnen sind aufgrund ihres hohen Leidensdrucks für Therapieansätze hoch motiviert und werden mit guten Erfolgen belohnt.

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Stichworte: Endometriose, Läsionen, Diagnose, Therapien, Psyche, pathologisch, antientzündlich essen


Frauengesundheit: eine Frage der Hormone? Dieser Beitrag ist erschienen in:
UGBforum 1/2025
Frauengesundheit: eine Frage der Hormone?


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