Abnehmen mit Online-Coaches

Ob mit einer App, über tägliche E-Mails oder zusammen mit anderen in Online-Foren – Internet und Smartphone ermöglichen ganz neue Formen, überschüssigen Pfunden den Kampf anzusagen. Doch was bringen die verschiedenen Angebote? Sind sie wirklich nützlich oder eher eine Spielerei?

online-ernaehrungsberatung

Ein Jahr ist es schon her, dass Mia fünf Kilogramm abgenommen hat. „Innerhalb von zehn Wochen waren sie runter. Und seitdem halte ich das Gewicht“, freut sich die 24-Jährige. Die kostenlose App FatSecret hat sie im Play Store ihres Smartphones gefunden. Unter dem Stichwort „abnehmen“ kann man hier zwischen mehr als 250 Apps wählen. Die Handhabung von FatSecret ist einfach: Zu Beginn hat Mia ihre Größe, ihr aktuelles Gewicht sowie ihr Alter und das Wunschgewicht eingegeben. Im Laufe der Diät zeigte ihr die App dann immer an, wie viel Kilogramm jeweils noch bis zum Ziel fehlen. In einem Gewichtsdiagramm konnte sie ihre Erfolge übersichtlich ablesen. Darüber hinaus musste sie täglich in das Ernährungstagebuch eintragen, was sie jeweils gegessen hat. Da das Programm die verzehrten Kalorien direkt berechnet, wusste sie immer, wie viel sie am Tag noch essen durfte. Im Bewegungstagebuch konnte sie ihr Sport- und Aktivitätspensum eingeben und das Programm hat dann automatisch die verbrannten Kalorien berücksichtigt.

E-Mail statt Ernährungsberater?

Neben den Gadgets, also den technischen Spielereien, für die Hosentasche gibt es auch zahlreiche Online-Angebote. Ob Fernsehsender, Frauenzeitschrift oder Krankenkasse – mittlerweile bietet fast jeder auch ein Online-Programm zum Abnehmen an. Immer mehr Verbraucher nutzen diese Angebote. Einige Programme sprechen von 80.000, andere von 600.000 Nutzern pro Woche. Der Großteil von ihnen ist weiblich und zwischen 30 und 40 Jahre alt. Der Anteil der Männer liegt bei nur 10 bis 20 Prozent.

Wer sich auf der jeweiligen Homepage anmeldet, bekommt regelmäßig per E-mail, über Facebook oder Twitter motivierende Nachrichten mit Alltagstipps und Informationen rund um Ernährung, Lebensmittel und sportliche Aktivitäten. Bei einigen Online-Diäten gibt es zusätzlich die Möglichkeit, sich in einem Forum Beistand von Gleichgesinnten zu holen und mit ihnen die eigenen Erfolge zu feiern, beispielsweise bei slimcoach.de. Die meisten Programme kosten allerdings Geld. Während Apps einmalig maximal ein Paar Euro kosten, zahlt man für die dreimonatige Teilnahme auf den Internetseiten zwischen 20 und 60 Euro.

Ernährungswissen auf einen Klick

Die elektronischen Abnehmhelfer können mittlerweile weit mehr als nur Kalorien zählen. Sie zeigen auf den ersten Blick, wie viel Fett, Kohlenhydrate und Proteine die Lebensmittel und Mahlzeiten enthalten. Wer es genauer wissen will, kann mit einem Klick auch Ballaststoffgehalt, Zuckeranteil und die Menge der gesättigten Fettsäuren abrufen. Dafür greifen die Programme auf riesige Lebensmitteldatenbanken zurück und verfügen über Informationen von gängigen Fertigprodukten sowie Gerichten aus Restaurant-Ketten. Bei einigen können die Nutzer die Lebensmittellisten selbst ergänzen. Andere schlagen Rezepte zum Abnehmen vor, die zusätzlich noch in Kategorien wie Saisonalität (EatSmarter), Klima-freundlichkeit (Food-Navi) und natürlich Kaloriengehalt eingeteilt sind. Manche Anbieter kennzeichnen die Lebensmittel mit dem Ampelsystem oder schlagen direkt nach dem Eintippen der Mahlzeiten Verbesserungen vor. Barcode-Scanner oder Einkaufszettel helfen, bereits beim Einkaufen die richtige Wahl zu treffen.

Kalorienaufnahme immer im Blick

Die täglich verzehrte Nahrung kann man in eine vorgegebene Liste gängiger Lebensmittel eintragen. Das macht das Protokollieren am Anfang etwas zeitaufwändig. Viele Programme verfügen aber über eine Favoritenliste, in der man häufig verwendete Lebensmittel und Mahlzeiten speichern kann. Die Mengen werden dabei in Gramm oder haushaltsüblichen Portionen angegeben, wie beispielsweise ein Esslöffel oder eine Tasse. Mia trägt immer direkt in das mobile Ernährungstagebuch ein, was sie gerade gegessen hat. So hat sie ihre prozentuale Kalorienaufnahme sofort im Blick. „Wenn man erst am Ende des Tages alles eintippt, passiert es schnell, dass man einige Lebensmittel vergisst und das Ergebnis ungenau wird“, weiß Mia aus Erfahrung. Nur am Wochenende nimmt sie es mittlerweile nicht mehr so genau, weil sie da mehr und unregelmäßiger isst als unter der Woche.

Bei der Fülle an Angeboten ist es schwer, das richtige Programm für sich zu finden. Manch einer möchte rund um die Uhr mit Tipps versorgt werden oder genießt es, mit Gleichgesinnten in Kontakt zu stehen und sich gegenseitig zu unterstützen. Anderen wiederum reicht es, einmal am Tag das E-Mail-Postfach zu öffnen, um ins Ernährungstagebuch zu schauen. Auch die Wissenschaft hat sich mittlerweile mit dem Online-Abnehmen beschäftigt. Eine britische Studie kam zu dem Ergebnis, dass eine App effektiver beim Abnehmen hilft als ein Online-Tagebuch oder ein Tagebuch auf dem Papier. Von 128 übergewichtigen Personen nahm nach sechs Monaten diejenige Untergruppe am meisten ab, die die App My Meal Mate nutzte. Danach folgte das klassische Tagebuch, wohingegen das Online-Tagebuch am wenigsten effektiv war. Die Forscher der Studie folgern, dass die App ein besseres Verständnis von Portionsgrößen, Nährwerten und der Wirkung von Sport vermitteln kann.

Programme fördern Spaß am Abnehmen

Für viele besteht das größte Problem beim Abnehmen darin, die eingefahrenen Gewohnheiten zu ändern. Wer dauerhaft sein Gewicht reduzieren möchte, muss nachhaltig etwas an seinem Ernährungsverhalten verändern. Genau hier greifen die Online-Coaches. Eine tägliche E-Mail mit Rezeptvorschlägen und eine aufbauende Nachricht motivieren zum Durchhalten. Der spielerische Charakter der Programme erhält zudem den Spaß am Abnehmen. Diesen Effekt nennen die Entwickler Gamifizierung. Ein weiterer Vorteil ist, dass sich zumindest die kostenlosen Angebote ohne Zeitlimit nutzen lassen. Sie sind also nicht für eine Radikaldiät gedacht, sondern unterstützen den Nutzer auch über die eigentliche Abnehmphase hinaus, wenn er das möchte. Auch Mia nutzt FatSecret noch weiter, um den Jojo-Effekt zu vermeiden. Sie mag an der Abnehm-App, dass sie ihr einen guten Überblick über ihre Ernährung und ihr Gewicht liefert: „Ich hab einfach eine bessere Übersicht, was ich über den Tag verteilt alles zu mir nehme. Man achtet irgendwann auch automatisch darauf, was man am Ende des Tages noch essen sollte oder lieber nicht.“ Diese Wirkung der E-Coaches bestätigen auch Ernährungspsychologen: Eine intensive Beschäftigung mit seinem Ess- und Bewegungsverhalten führe automatisch zu einer positiven Veränderung.

Nicht für jeden das Richtige

Das Online-Coaching eröffnet einen ganz neuen Markt und kann sehr hilfreich sein, das Wissen über eine ausgewogene Ernährung zu erweitern. Dennoch kann es eine professionelle Ernährungsberatung von ausgebildeten Fachkräften nicht ersetzen. Bei einem persönlichen Gespräch kann ein Berater individuell auf den jeweiligen Klienten und seine Probleme eingehen. Darüber hinaus kann er im Gegensatz zu einer standardisierten App oder einem Mailservice bestehende Stoffwechselstörungen und andere klinische Parameter in die Behandlung mit einbeziehen.

Programme, die von den Nutzern selbst ergänzt werden, enthalten zudem potenzielle Fehlerquellen, wenn beispielsweise der Verzehr ungenau angegeben wird. Der Grundumsatz und die beim Sport verbrauchten Kalorien sind ebenfalls immer nur Schätzwerte. In der persönlichen Beratung können Körperfett- und Muskelmasse gemessen und der tägliche Kalorienverbrauch genauer berechnet werden. Auch Essstörungen fallen in einer persönlichen Beratung viel eher auf. Online-Programme verstärken eine solche Erkrankung dagegen eventuell noch. Besonders Jugendliche könnten sie dazu verleiten, sich gegenseitig beim Abnehmen überbieten zu wollen. Die ständige Beschäftigung mit Essen, Ernährung, Kalorien und Sport kann zudem den Einstieg in eine Essstörung erleichtern oder eine schon bestehende fördern.

In einer Gruppe fällt den meisten das Abnehmen leichter. Die Online-Foren sollen zwar einen gewissen Austausch und Zusammenhalt zwischen den Abnehmwilligen fördern. Gruppenprogramme, in denen sich die Teilnehmer persönlich begegnen und einander Halt geben, können sie aber nicht ersetzen. Ein gutes Abnehmprogramm sollte Ernährung, Bewegung und Verhalten gleichermaßen berücksichtigen. Die Online-Coaches sind hier in der Regel zu einseitig. Einige beschäftigen sich nur mit dem Kaloriengehalt, andere legen den Fokus hauptsächlich auf Sport. Für einen gewissen Zeitraum können sie zwar Erfolg bringen, für eine nachhaltige Verhaltensänderung sind sie aber weniger geeignet.

Professionalität oft nicht ersichtlich

Bei vielen Apps fehlt die Angabe, wer hinter den Ernährungstipps und Rezepten steckt. Selten stammen die Informationen von echten Ernährungsexperten. Da sind die Online-Programme im Vorteil. Impressum und Literaturangaben lassen oft erkennen, ob hier wirklich Fachgesellschaften mit Ernährungswissenschaftlern und Medizinern für die Inhalte verantwortlich sind. Ein gutes Angebot darf dann durchaus auch etwas kosten, Qualität hat eben ihren Preis.

Kritisch ist zudem, wie sorglose viele Nutzer mit ihren persönlichen Angaben umgehen. So kann man in einigen Abnehmforen jedes verlorene Gramm mitteilen, samt Name und Foto. Da man sich bei einigen Foren noch nicht einmal anmelden muss, sind die Daten für jedermann sichtbar. Mia hat sich daher bewusst dagegen entschieden, ihre Daten öffentlich in einem Online-Forum preiszugeben.

Quelle: Fischer J. UGB-Forum 1/14, S. 35-37
Foto: Picture-Factory/Fotolia.com