Nicht-alkoholische Fettlebererkrankung: Die unterschätzte Volkskrankheit

Bis vor wenigen Jahren dachte man beim Stichwort „Fettleber“ sofort an Alkohol als Übeltäter. Inzwischen ist klar: Auch der Lifestyle der westlichen Welt ist als Verursacher einer Fettlebererkrankung anzusehen. Diese steht als häufigste chronische Lebererkrankung immer mehr im Fokus von Ärzten und Ernährungsberatern.

Bewegungsmangel, kohlenhydrat- und fettreiche Ernährung und die tägliche XXL-Portion führen im Zusammenspiel mit genetischen Faktoren zu Übergewicht und Stoffwechselveränderungen. Diese ziehen Fetteinlagerungen in der Leber nach sich und begünstigen die Entstehung der nicht-alkoholischen Fettlebererkrankung, auf Englisch die non-alcoholic fatty liver disease, kurz NAFLD.

In unseren Wohlstandgesellschaften sorgen heute also vor allem die Ernährung und Lebensweise dafür, dass bereits jeder dritte bis vierte Erwachsene über 40 Jahren eine verfettete Wohlstandsleber unter dem rechten Rippenbogen trägt. In den besonders gefährdeten Gruppen wie stark adipösen Menschen oder Personen mit Typ-2-Diabetes sind es laut Studien sogar bis zu 90 Prozent der Erkrankten. Alarmierend sind dabei insbesondere die Zahlen bei Kindern und Jugendlichen: Schätzungsweise 30 Prozent der stark übergewichtigen Kinder in Deutschland haben bereits in jungen Jahren eine Fettleber. Eine NAFLD gilt daher heutzutage nicht mehr als harmlose Fettansammlung in der Leber, sondern als eine ernsthafte Volkskrankheit mit zum Teil erheblichen Folgen für Stoffwechsel und Herz-Kreislauf-System.

Entgiftungszentrale des Stoffwechsels

Die Leber ist ein zentrales Organ mit vielfältigen Funktionen für den menschlichen Organismus. In keinem anderen Organ des menschlichen Körpers finden gleichzeitig so viele verschiedene und lebenswichtige Stoffwechsel- und Speicherprozesse statt. Täglich strömen über 2000 Liter Blut durch unsere Leber, um auch zu Spitzenzeiten die vielfältigen Funktionen Tag und Nacht auf vollen Touren laufen zu lassen. Die Leber ist der leistungsstarke Motor unseres Energiehaushaltes und stellt dem Körper durch die Aufnahme und Verarbeitung von Nährstoffen rund um die Uhr Kohlenhydrate, Fette und Eiweiße zur Verfügung. Zudem reguliert sie die Versorgung mit Vitaminen und Mineralstoffen sowie unseren Hormonhaushalt. Das heißt, sie steuert Gesundheit und Wohlbefinden.

Gleichzeitig bekommt die Leber mit dem Blutstrom auch alles ab, was im Körper an Schadstoffen zirkuliert, wie Alkohol, Medikamente oder Abbauprodukte des körpereigenen Zellstoffwechsels. Die Leber ist dabei Kläranlage und Entgiftungszentrale des Körpers, die diese schädlichen Substanzen aus dem Blut herausfiltert. Zudem spielt die Leber durch die Produktion von Eiweißen eine wichtige Rolle für unsere Abwehrkräfte und die Blutgerinnung.

Wie kommt das Fett in die Leber?

Kalorienreiche Ernährung und Bewegungsarmut führen dazu, dass neben Fett vor allem mehr Kohlenhydrate in die Leber gelangen – mehr als dort gespeichert oder durch körperliche Bewegung verbraucht werden können. Sind die Vorratsspeicher der Leber voll, steigt der Zuckerspiegel im Blut und es kommt zu einer dauerhaft vermehrten Ausschüttung des Hormons Insulin. Dieses Überangebot an Insulin führt zu einer Stoffwechsellage, die wir Insulinresistenz nennen. Die Folge: Die Leber bildet aus den überschüssigen Nährstoffen selbst Fette und lagert sie ein.

Durch Insulin werden aus dem Fettgewebe unseres Körpers zudem vermehrt Fettsäuren freigesetzt, die in die Leber gelangen und sich dort einlagern. Schätzungen gehen davon aus, dass 60 Prozent der Fettablagerungen in der Leber aus dem Bauchfett kommen. Patienten mit viel Bauchfett – sogenannten viszeralem Fett – und einem erhöhten Taillenumfang scheinen also ein erhöhtes Risiko für eine nicht-alkoholische Fettleber zu haben.

Dieser Beitrag ist erschienen im UGBforum 3/18 Leber – das stille Organ

Normalerweise enthält unsere Leber weniger als fünf Prozent Fett. Wenn jedoch mehr als die Hälfte der Leberzellen sichtbare Fetttropfen aufweisen, spricht man von einer Fettleber. Nehmen die Fetteinlagerungen immer weiter zu, bekommt die Leber auch eine von außen sichtbare gelbe Farbe und wird schwerer und größer. Die Fettablagerungen in unserer Leber sind dabei kein harmloses Depot: Hier werden die Weichen für Entzündungs- und Stoffwechselprozesse gestellt, die Auswirkungen auf den gesamten Organismus und unsere Gesundheit haben. Die Folgen reichen bis hin zu Leberzirrhose – unumkehrbare Zerstörung von Lebergewebe – und Leberkrebs. Aber auch das Risiko für Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen wird durch eine Fettleber deutlich erhöht.

Fetteinlagerungen bleiben lange unbemerkt

Die Verfettung der Leber verursacht zunächst keine Schmerzen oder körperliche Beschwerden. Die meisten Patienten wissen daher gar nicht, dass sie eine Fettleber haben. Oftmals ist die Diagnose Fettleber ein Zufallsbefund, der von Arzt und Patient erst durch eine Erhöhung der Leberwerte im Blut oder durch Ultraschall bei einer Routine-Untersuchung festgestellt wird. Der Grund dafür liegt in der Bauweise der Leber. Das Lebergewebe enthält weder Nervenfasern noch Schmerzrezeptoren. Daher können trotz zunehmender Überlastung durch Fettablagerungen keine Schmerz- oder Warnsignale an den Körper gesendet werden.

Die Leber leidet jedoch zunehmend unter der Fettbelastung und macht durch andere Symptome auf sich aufmerksam: Müdigkeit, Erschöpfung, Konzentrationsstörungen, Verdauungsbeschwerden, Migräne und nachlassende Vitalität des Körpers sind Hilferufe der Leber. Die alte Mediziner-Weisheit „Die Müdigkeit ist der Schmerz der Leber“ hat hierbei durchaus ihre Berechtigung. Erst wenn Fetteinlagerungen oder Entzündungsprozesse zu einer deutlichen Größenzunahme der Leber geführt haben, kann es manchmal durch den Dehnungsschmerz der Leberkapsel zu Beschwerden im rechten Oberbauch kommen.

Bei ungefähr 20 Prozent der NAFLD-Patienten kommt es mit zunehmenden Fetteinlagerungen zu ernsthaften Komplikationen: Einer von fünf Patienten entwickelt im weiteren Verlauf eine Entzündung der Leber, die in der Fachsprache NASH – englische Abkürzung für nonalcoholic steatohepatitis, nicht-alkoholische Fettleberentzündung – genannt wird. Die Leberzellen brechen dabei langsam aber sicher unter der Fettlast zusammen, wodurch es zu Entzündungen in den Leberzellen, Zellschädigungen und Umbauprozessen kommen kann. Das Lebergewebe wird dabei nach und nach zu funktionslosem Bindegewebe umgebaut; den Vorgang bezeichnet man als Fibrose. Wissenschaftler gehen derzeit davon aus, dass für diese Umbauprozesse verschiedene Schädigungsmechanismen verantwortlich sind: genetische Faktoren, Ernährung, Entgleisungen des Blutzuckerspiegels, eine veränderte Darmflora oder die Freisetzung von entzündlichen Botenstoffen des Immunsystems. Sie scheinen in dem verfetteten vorgeschädigten Organ zusätzliche Entzündungsreaktionen in Gang zu setzen, die die Leber nachhaltig schädigen.

Fettleber rechtzeitig gegensteuern

So lange sich der Patient im Stadium einer reinen Fettleber oder einer Fettleberentzündung befindet, steht die Warnlampe noch auf Orange: Dieser Zustand der Leber kann, wenn er rechtzeitig erkannt und behandelt wird, noch rückgängig gemacht werden; er ist also reversibel. Durch Umstellung von Ernährung und Lebensstil gelingt es vielen Patienten, die Entzündung zu bekämpfen und die Leberfunktionen zu erhalten. Eine Fettleber kann sich also unter der entsprechenden Lebensstiländerung regenerieren.

Bei 10 bis 20 Prozent der Patienten mit einer NASH können Bindegewebsvermehrung und Entzündung jedoch weiter voranschreiten und sich zur gefürchteten Leberzirrhose entwickeln. Dieser Zustand ist nicht reversibel. Denn ist das Lebergewebe durch den Umbau in Bindegewebe erst einmal vernarbt, kann dieser Prozess nicht rückgängig gemacht werden. Von einer Leberzirrhose spricht man, wenn die normale Architektur der Leber komplett zerstört ist und das gesunde Lebergewebe zum Großteil durch Narbengewebe ersetzt ist. Das Narbengewebe kann die Aufgaben des gesunden Lebergewebes nicht mehr übernehmen und es kommt nach und nach zum Funktionsausfall des Organs – Gerinnungsstörungen, Blutungen, Wassereinlagerungen im Gewebe oder Stoffwechselstörungen können die Folge sein. Bei Patienten mit einer NAFLD ist zudem das Risiko für die Bildung von Leberkrebs erhöht – und das nicht nur im fortgeschrittenen Stadium einer Leberzirrhose. Das steigende Problem der Fettleber-Erkrankungen wird in Zukunft aus diesem Grund wohl auch zu einer Zunahme von Krebserkrankungen in der Leber führen.

Studien der letzten Jahre geben zudem Hinweise darauf, dass die Veränderungen bei einer NAFLD nicht auf die Leber begrenzt sind. Vielmehr können diese auch Auswirkungen auf weitere Organe und die Entstehung anderer Erkrankungen haben. Patienten mit der Diagnose einer NAFLD haben unabhängig von ihrem Gewicht ein deutlich erhöhtes Risiko, in den nächsten zehn Jahren an Typ-2-Diabetes oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu leiden. Eine schwedische Langzeitstudie konnte zeigen, dass 78 Prozent der Patienten mit einer NAFLD/ NASH im weiteren Krankheitsverlauf von 14 Jahren einen Diabetes beziehungsweise Störungen im Zuckerstoffwechsel entwickelten.

Lebensstiländerung statt Arznei

Für die Behandlung einer Fettleber gibt es bis heute leider noch keine Wunderpille. Kein zugelassenes Medikament ist derzeit in der Lage, die Leber schnell von ihrem Fett zu befreien und die fettigen Problemzonen in Luft aufzulösen. Zahlreiche pharmakologische Wirkstoffe werden derzeit im Rahmen von Studien auf ihre Wirkung bei NAFLD, NASH und Fibrose untersucht und werden in Zukunft sicherlich neue Behandlungsmöglichkeiten aufzeigen.

Die wichtigste Therapie besteht derzeit jedoch darin, die Ursachen für die Fettleber zu stoppen: Bei der alkoholischen Fettleber bedeutet dies den Verzicht auf Alkohol, bei der nicht-alkoholischen Variante die Gewichtsreduktion und die konsequente Umstellung von Ernährung und Lebensstil. Oberstes Ziel der Therapie ist es, Komplikationen wie eine Fettleberentzündung oder eine Leberzirrhose zu vermeiden und die Risiken für die Entstehung eines Typ-2-Diabetes sowie Herz-Kreislauf-Erkrankungen so gering wie möglich zu halten. Nur wenn die Leber sprichwörtlich ihr Fett weg kriegt, kann der Stoffwechsel wieder ins Gleichgewicht kommen.

Gewicht regulieren das A und O

Für übergewichtige Patienten mit einer NAFLD konnte gezeigt werden, dass ein Gewichtsverlust von mehr als fünf Prozent des Ausgangsgewichts zu einem deutlichen Rückgang des Fettgehalts in der Leber führt und dadurch die Entzündungs- und Umbauprozesse in der Leber aufgehalten werden können. Daher kommt der geeigneten Ernährungsweise und körperlichen Aktivität eine zentrale Rolle zu. Auch normalgewichtige Patienten mit einer Fettleber profitieren nachweislich von einer ernährungsmedizinischen Therapie, das heißt von einer lebergesunden Vitalkost, und der Vermeidung von Risikofaktoren. Patienten mit einer Fettlebererkrankung sollten daher neben einer fachärztlichen Behandlung und Diagnostik insbesondere eine Ernährungsberatung mit Unterstützung bei der Lebensstilmodifikation anstreben. Stark adipöse Patienten mit Fettlebererkrankungen können gegebenenfalls auch von einer bariatrischen Operation profitieren, das heißt von einem operativen Eingriff zur Gewichtsreduktion.

Buchtipp: So kriegt die Leber ihr Fett weg

Prof. Dr. med. Julia Seiderer Nack (2017): So kriegt die Leber ihr Fett weg.
Prof. Dr. med. Julia Seiderer Nack, Regina Rautenberg (2018): So kriegt die Leber ihr Fett weg. Kochbuch.
Beide Bücher: südwest Verlag, München, je 16,99 Euro

Quelle: Seiderer-Nack J. UGBforum 3/18, S. 114-117

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Leber - das stille Organ Dieser Beitrag ist erschienen in:
UGBforum 3/2018
Leber - das stille Organ


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