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UGBforum

UGBforum 1/14 11 Tätigkeiten angeboten und werden seltener für eine Beförderung vor- geschlagen als Normalgewichtige. Ärzte zeigen sich oft unsensibel Eine weitere Erhebung der Leip- ziger Forscher belegt außerdem, dass medizinische Berufe trotz ihrer Kenntnisse adipöse Patien- ten ähnlich negativ bewerten. So schätzen Ärzte einen Patienten umso ungesünder und undiszi­ plinierter ein, je dicker er ist. Die Vorurteile können zu vorschnellen Diagnosen und einer unzureichen- den Behandlung führen. Erschre- ckenderweise sprechen nur 40 Prozent der Allgemeinmediziner das Thema Übergewicht und Ge- wichtsreduktion bei einem Arztbe- such überhaupt an. Den Ärzten mangelt es nach eigenen Angaben am Willen und sie haben weniger Geduld für eine Behandlung von Adipösen. Teilweise fühlen sich die Mediziner auch überfordert und kürzen ihre Besprechungszeit mit einem fettleibigen Patienten aus diesem Grunde ab. Kein Wun- der, dass sich Adipöse von Ärzten oft unzureichend betreut fühlen. Sie nehmen aus diesem Grund weniger oft an Vorsorgeuntersu- chungen teil oder meiden sogar den Arztbesuch. Scham über das eigene Gewicht, Hemmung sich auszuziehen oder berührt zu wer- den, spielen ebenso eine Rolle wie das Gefühl, unverstanden zu sein. Mehr Respekt gefordert Wissenschaftler beobachten, dass die Stigmatisierung über die Jahre weiter zugenommen hat und mehr Lebensbereiche davon betroffen sind: Das gilt für Bildungsein- richtungen, den Arbeitsplatz, das Gesundheitswesen und persönli- che Beziehungen. Die ablehnende Haltung ist für die Betroffenen fatal. Anders als lange an- genommen führt sie näm- lich nicht dazu, dass diese Gewicht verlieren. Im Ge- genteil – sie bewirkt, dass sich die Betroffenen weiter zurückziehen und eher zu Frustessen, Ängsten und Depressionen neigen. Gleichzeitig verringert sich die Bereitschaft, aktiv Hil- fe zu suchen – ein fataler Teufelskreis. Nicht selten werten sich adipöse Menschen selbst permanent ab, halten sich ebenfalls für willenlos und träge und leiden unter ihrem geringen Selbstwert- gefühl. Erstaunlicherweise gibt es selten Solidarität mit Gleichbetroffenen. Vielmehr wird die nega- tive Haltung sich selbst gegenüber auch auf andere Adipöse übertragen. Ein Ansatz für mehr Akzeptanz in der Gesell- schaft und bei Ärzten könnte sein, Adipositas als chronische Krankheit anzuerkennen. Dafür setzt sich das Kompetenzzent- rum Adipositas ein (siehe S. 20). Bisher gilt Adi- positas in der internatio- nalen Klassifikation von Krankheiten als „Endo- krine, Ernährungs- und Stoffwechselkrankheit“, wird aber grundsätzlich weder als medizinische Krankheit noch als psychi- sche Störung angesehen, Tipps für mehr Empathie Für einen empathischen Umgang mit adipösen Menschen kommt es auf eine nicht-stigmatisierende Grundhaltung an: • Gehen Sie sensibel mit den Themen Gewicht, Figur, Körperfett und Adipositas um. • Vermitteln Sie Wertschätzung unabhängig vom Gewicht der anderen Person. • Reflektieren Sie Ihr eigenes Verhalten gegenüber adipösen Men­ schen, sei es Ihr Partner, Kollege, Freund, Kunde, Kind, anderes Familienmitglied oder Schüler. • Fragen Sie sich, ob Sie vor allem einen Dicken sehen? • Würden Sie Ihr Gegenüber genauso behandeln, wenn er 20 Kilo­ gramm weniger wiegen würde? • Versuchen Sie, negative Rückschlüsse vom Gewicht auf Gesundheit, Lebensstil und Eigenschaften Ihres Gegenübers zu vermeiden. • Nehmen Sie wahr, dass Stigmatisierung und Diskriminierung negati­ ve Konsequenzen für die Betroffenen bedeutet. • Ergreifen Sie Partei für die betroffene Person, wenn Sie Stigmatisie­ rung oder Diskriminierung beobachten. Für Ärtzte, Therapeuten, Ernährungsberater u.a. empfiehlt sich: • Stellen Sie offene Fragen ohne Vorurteile. • Bitten Sie um Erlaubnis, die Adipositas anzusprechen. • Bringen Sie die Änderungsbereitschaft des Patienten in Erfahrung und verstärken Sie sie. • Motivieren Sie zu gesundheitsförderlichem Verhalten und verstärken Sie jeglichen Schritt in diese Richtung positiv. • Helfen Sie den Betroffenen, realistische Ziele anzustreben. nach Hilbert & Geiser, 2012, www.adipositasstigma.de Prof. Steffi Riedel-Heller, Jg. 1964, ist Fachärztin für Psychiatrie und Psychothe- rapie sowie Master of Public Health. Seit 2010 ist sie Direktorin des Instituts für Sozialmedizin, Arbeitsme- dizin und Public Health (ISAP) an der Medizinischen Fakultät der Universität Leipzig. Sie gibt zudem die Zeitschrift Psychiatrische Praxis (Thieme-Verlag) heraus. Dr. Claudia Sikorski, Jg. 1985, arbeitet als wissen- schaftliche Mitarbeiterin am Institut für Sozialmedizin, Arbeitsmedizin und Public Health (ISAP), wo sie über das Thema „Das Stigma von Übergewicht und Adipositas in der Allgemeinbevölke- rung und bei Menschen in Gesundheitsberufen“, promovierte. Ab April 2014 wird sie eine Nachwuchs- gruppe des IFB Adipositas­ Erkankungen zum Thema Stigma und Selbst-Stigma bei Adipositas leiten.

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