Ernährungssurvey -
Den Deutschen auf den Mund geschaut

Die Deutschen essen derzeit mehr frisches Gemüse und Obst, mehr Ballaststoffe und weniger Fett. Das zeigt der kürzlich veröffentlichte Ernährungssurvey des Robert-Koch-Instituts. Obwohl viele Menschen gesundheitsbewusster essen als in den zurückliegenden Jahren, gibt es nach wie vor Schwachstellen im Ernährungsverhalten.

Ernährungsverhalten

Heute essen die Deutschen im Wesentlichen gesünder als noch in den 80er Jahren. Das zeigen die Ergebnisse des aktuellen Ernährungssurveys. So gehen die Bundesbürger mittlerweile erheblich sparsamer mit Fett um. Gleichzeitig verzehren sie heute mehr Kohlenhydrate und Gemüse als noch vor 15 Jahren. Vermutlich erzielte die breit angelegte Ernährungsaufklärung eine gewisse Wirkung. Darüber hinaus dürfte eine Veränderung des Lebensmittelangebotes, zum Beispiel fettärmere ("Light-")Produkte, hierzu beigetragen haben. Und dennoch: Unser Ernährungsverhalten könnte sich noch in vielen Punkten verbessern.

Ernährungsverhalten: Jeder dritte Mann trinkt zu viel Alkohol

Von einem Großteil der jüngeren Erwachsenen wird nur wenig Obst und Gemüse gegessen, und ab dem Alter von 35 Jahren steigt der Anteil an Übergewichtigen deutlich an. Der Alkoholkonsum ist bei Männern mittleren Alters (45-54 Jahre) am höchsten. Etwa 31 % der Männer und 16 % der Frauen trinken Alkoholmengen, die über der tolerierbaren Zufuhr von 20 g Alkohol pro Tag für Männer (ca. 500 ml Bier) und 10 g für Frauen (ca. 125 ml Wein) liegen. Viele Senioren nehmen zu wenig Energie auf, wodurch sie zugleich auch mit zahlreichen Vitaminen und Mineralstoffen unterversorgt sind. Auch das Trinken kommt bei vielen Älteren zu kurz. Der durchschnittliche Energieanteil von Fetten in der Ernährung ist erfreulicherweise erkennbar gesunken. Derzeit nehmen die Deutschen etwa 33 % der Energie in Form von Fett auf. Vor mehr als zehn Jahren ermittelte die VERA-Studie noch 40 %. Dies sollte dennoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass etwa jeder zehnte Bundesbürger einen sehr hohen Fettkonsum aufweist.

Ernährungsverhalten: Trotz weniger Fett viele Übergewichtige

Der enorm angestiegene Verzehr von Pommes Frites - seit 1991 hat sich der Appetit auf Fritten annähernd verdoppelt - trägt nur zu einem geringen Teil (unter 4 %) zur erhöhten Fettaufnahme bei. Das meiste Fett nehmen die Deutschen über Milchprodukte auf, gefolgt von Streich-, Brat- und Backfetten sowie Wurstwaren.

Unter der maximal empfohlenen Cholesterinzufuhr von höchstens 300 mg am Tag bleibt nur die Mehrheit der jungen und älteren Frauen. Frauen mittleren Alters und Männer liegen hier zum Teil deutlich über den Empfehlungen. Am meisten Cholesterin nehmen junge Männer auf, mit durchschnittlich 450 mg am Tag. Zwar essen die Menschen hierzulande mehr pflanzliche als tierische Fette. Dennoch wäre es wünschenswert, wenn der Verzehr tierischer Fette zu Gunsten der pflanzlichen noch stärker eingeschränkt würde.

In der Altersklasse der 25- bis 34-Jährigen sind bereits über die Hälfte der Männer übergewichtig, das heißt, sie haben einen Body-Mass-Index (BMI) von 25 oder mehr. Ab einem Alter von 45 Jahren überschreiten mehr als 75 % der Männer und über 50 % der Frauen diese Grenze. Der BMI errechnet sich aus dem Körpergewicht in Kilogramm geteilt durch die Körpergröße in Metern zum Quadrat (kg/m2). Personen mit einem BMI-Wert unter 18,5 gelten als untergewichtig, von 18,5-25 als normalgewichtig, von 25-30 als übergewichtig und von 30 oder mehr als stark übergewichtig (adipös). Nach dieser Klassifizierung sind zwei Drittel der deutschen Männer und fast die Hälfte der Frauen übergewichtig. Nur 0,4 % der Männer haben Untergewicht; bei den Frauen sind dies 1,5 %. Betroffen sind vor allem Frauen zwischen 18-24 Jahren (ca. 4 %). Nur etwa die Hälfte der Frauen und lediglich ein Drittel der Männer sind normalgewichtig.

Junge Frauen öfter mit Eisen unterversorgt

Da ein erheblicher Anteil jüngerer Frauen und älterer Menschen zu wenig Nahrung zu sich nimmt, sollten insbesondere diese Personen Lebensmittel mit hoher Nährstoffdichte konsumieren. Beispielsweise ist bei einigen Mikronährstoffen - wie Eisen bei jungen Frauen - eine potenzielle Unterversorgung zu beobachten. Das kann die körperliche Leistungsfähigkeit mindern und die Immunabwehr beeinträchtigen. Die Versorgung mit dem Knochenbaustein Calcium ist im Durchschnitt ausreichend. Dennoch liegt die Aufnahme bei etwa einem Drittel der Bevölkerung unter der Empfehlung (siehe Abb. 2). Betroffen sind vor allem 18- bis 24-jährige Frauen. Gerade aber in dieser Gruppe ist eine bedarfsgerechte Calciumversorgung wichtig, da bereits in jungen Jahren die Calciumzufuhr zum Aufbau der Knochendichte entscheidend ist und einer späteren Osteoporose vorbeugen kann.

Ernährungsverhalten - Ernährungsgewohnheiten

Insbesondere die Zufuhr an Folsäure ist weder bei Frauen noch bei Männern im Mittel ausreichend. Hier liegen weit über 80 % der Deutschen unter den Empfehlungen. Vor allem Schwangere sind wegen der für sie höheren Refe-renzwerte deutlich unzureichend versorgt. Gute Lieferanten für dieses Vitamin sind viele Gemüsearten wie Brokkoli, Endiviensalat, verschiedene Kohlsorten, Spinat und andere dunkelgrüne Blattgemüse. Bei der Folatversorgung spielen überraschender Weise auch Milchprodukte eine wichtige Rolle, obwohl sie deutlich weniger verfügbare Folsäure enthalten. Sie fallen aber wegen ihres mengenmäßig höheren Verzehrs im Vergleich zu Gemüse so stark ins Gewicht.

Auch bei Vitamin D liegen über 80 % der Deutschen unter den Referenzwerten. Über die Hälfte erreicht für Vitamin E nicht die empfohlene Zufuhr. Allerdings ist bei allen diesen Beurteilungen zu berücksichtigen, dass die Referenzwerte mit dem Ziel festgelegt wurden, den Bedarf von nahezu allen (98 %) gesunden Personen im Durchschnitt zu decken. Diese Zielgrößen haben präventiven Charakter, beinhalten einen erheblichen Sicherheitszuschlag und sind so kalkuliert, dass eine gewisse Körperreserve angelegt werden kann. Somit bedeutet eine Unterschreitung für den Einzelnen nicht automatisch, dass er unterversorgt ist oder gar an einem Nährstoffmangel leidet. Lediglich die Gefahr für eine Unterversorgung ist erhöht.

Ernährungsverhalten: Ballaststoffe im Trend - aber noch zu wenig

Hinsichtlich der Lebensmittelauswahl scheinen Frauen im Durchschnitt etwas gesundheitsbewusster zu sein als Männer. Bedingt durch ihren höheren Energiebedarf nehmen Männer zwar generell größere Mengen an Lebensmitteln zu sich, Frauen verzehren jedoch mehr Obst und anteilmäßig am Gesamtverzehr auch mehr Gemüse als Männer. Frauen essen deshalb ballaststoffreicher. Weil sie insgesamt weniger Energie aufnehmen, ist die absolute Zufuhr an Ballaststoffen jedoch geringer als bei Männern. So erreicht die Mehrheit der Frauen und auch mehr als die Hälfte der Männer nicht den empfohlenen Referenzwert von 30 g am Tag. Je nach Alter und Geschlecht schwankt die durchschnittliche Aufnahme von Ballaststoffen zwischen etwa 22-28 g täglich. Verglichen mit länger zurückliegenden Erhebungen zeigen diese Ergebnisse aber einen deutlich positiven Trend.

Vitamine aus der Apotheke

Mit ihrer Kampagne "5-a-day" empfiehlt die Deutsche Gesellschaft für Ernährung mindestens fünf Portionen Obst und Gemüse täglich zu essen. Das entspricht etwa 650 g pro Tag (inklusive Kartoffeln). Diese Menge wird derzeit nur unter Berücksichtigung von Obst- und Gemüsesäften von 30-40 % der Bevölkerung erreicht. Insgesamt essen die Deutschen heute aber mehr Obst und Gemüse als noch vor 10-15 Jahren. Statt zu Konserven greifen sie inzwischen häufiger zu frischem und rohem Gemüse. Diese Entwicklung könnte am größeren Gesundgbeitsbewusstsein der Menschen liegen. Denn eine gute Versorgung mit Vitaminen und Mineralstoffen scheint für die Verbraucher eine immer größere Rolle zu spielen. Jede vierte Frau und jeder fünfte Mann nehmen regelmäßig, das heißt mindestens einmal pro Woche, Vitamin- und/oder Mineralstoffsupplemente ein. Besonders junge Männer und Sportler, die mehr als zwei Stunden pro Woche trainieren, greifen häufig zu den Präparaten. Auch adipöse Frauen nehmen öfter Supplemente als Normalgewichtige. Paradoxerweise sind Konsumenten von Nahrungsergänzungen bereits über Lebensmittel besser mit Nährstoffen versorgt als Personen, die keine Supplemente nehmen. Beispielsweise ist die Zufuhr über die Nahrung an Vitamin C und E sowie bei Frauen zusätzlich die Aufnahme von Biotin und Folat deutlich höher als bei Personen, die nicht zu Präparaten greifen.

Für viele Vitamine sichert bereits die Ernährung weitgehend den Bedarf. Erwartungsgemäß ist die Versorgung bei Menschen, die regelmäßig Nahrungsergänzungsmittel schlucken, besser als bei Nichtnehmern. Allerdings erreichen auch diese nicht für alle Vitamine die von der DGE empfohlenen Referenzwerte. Trotz Präparaten bleiben viele unter den Empfehlungen für Pantothensäure, Vitamin E, Biotin und insbesondere Folsäure. In speziellen Lebenssituationen wie Schwangerschaft oder im hohen Alter können Nahrungsergänzungen sinnvoll sein. Ob für andere Personen eine Ergänzung notwendig ist, sollte individuell genau geprüft werden. Ansonsten kann auf Vitamin- und Mineralstoffpräparate verzichtet werden. Schließlich beschreibt bereits das Wort Nahrungsergänzungsmittel sehr treffend auch seine Funktion - nämlich die Ergänzung der Nahrung und nicht etwa deren Ersatz. In vielen Fällen führt sicher schon eine geringe Änderung der Lebensmittelauswahl zu einer ausreichenden Versorgung mit Vitaminen.

Ernährungsverhalten: Risikogruppen individuell beraten

Männer essen mit zunehmendem Alter, mitbedingt durch ihren verminderten Energiebedarf, weniger. Auch bei Frauen geht der Konsum der meisten Lebensmittel zurück, allerdings erst ab Mitte 40. Somit gelten ältere Personen im Hinblick auf eine ausreichende Nährstoffversorgung weiterhin als besonders gefährdet.

Obwohl für fast alle Nährstoffe die durchschnittliche Aufnahme ausreicht, gibt es praktisch für jeden Nährstoff Gruppen in der Bevölkerung, bei denen eine mehr oder weniger ausgeprägte Unter- oder auch Überversorgung festzustellen ist. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass Teile der Bevölkerung wie Hochbetagte oder Nichtsesshafte nicht in den Ernährungssurvey einbezogen wurden. Beratungs- und Präventionsangebote müssen daher speziell auf die jeweiligen Risikogruppen ausgerichtet werden. Nur so lassen sich durch Fehlernährung bedingte Gesundheitsrisiken langfristig vermeiden.

Quelle: Mensink, G.: UGB-Forum 2/03, S. 95-98