UGB-Tagung 2017

Von Abnehmen bis Wohlbefinden

Rund 380 Teilnehmer kamen vom 12. bis 13. Mai 2017 zur UGB-Tagung nach Gießen. Beim Wiedersehen alter Bekannter gab es ebenso strahlende Gesichter wie bei den aufschlussreichen Vorträgen. Neben vielen aktuellen Ernährungsthemen ging der Blick natürlich auch dieses Mal wieder über den Tellerrand hinaus.

In gewohnt unterhaltsamer Art eröffnete Prof. Claus Leitzmann (Foto) die UGB-Tagung. Er berichtete ausführlich über die „China-Study“, die oftmals als Begründung für eine vegane Ernährungsweise genannt wird. Dabei machten die Erkenntnisse der China-Studie in dem viel zitierten Buch gerade einmal zehn Prozent aus. Zudem lehne der Verfasser Dr. Colin Campell den Begriff vegan sogar als ideologisch überfrachtet ab, wie Leitzmann aus persönlichen Kontakten mit dem amerikanischen Wissenschaftler zu berichten wusste.

Einen Überblick über das komplexe Thema, wie Inhaltsstoffe aus der Nahrung mit Arzneimitteln reagieren, gab der Arzt und UGB-Dozent Dr. Günther Schwarz. So schalte beispielsweise der Genuss von Grapefruit und Pomelo Enzyme in der Leber und Darmschleimhaut aus, die zur Entgiftung beitragen. Auch viele Mineralstoffe aus der Nahrung bildeten Komplexe mit Wirkstoffen, so dass deren Wirkung beeinträchtigt werden könne. Patienten sollten unbedingt die Beipackzettel genau studieren, rät Schwarz.

Nachhaltig abnehmen

Mit den UGB-Ernährungsprogrammen Besser essen und PrimaGleichgewicht soll eine dauerhafte Verbesserung des Ess-, Trink- und Bewegungsverhaltens erreicht werden. Erwünschtes Verhalten muss in der Regel modelliert, einstudiert und verstärkt, aber nicht erklärt werden, betonte Elke Männle, Diätassistentin und Ernährungsberaterin UGB. Bei den Programmen ginge es vor allem um das Wecken von Lust und Emotionen – ganz nach dem Motto „train, eat, sleep, repeat“.
Essen ist ein Beziehungsthema und von Anfang an in zwischenmenschliche Interaktionen eingebunden, führte UGB-Dozentin Edith Gätjen (Foto) aus, die den systemischen Ansatz für die Ernährungsberatung weiterentwickelte. Jeder Mensch sei Teil mehrerer Systeme eines übergeordneten Systems, verschiedener Subsysteme und Subsystemen in sich selbst. Der systemische Ansatz gehe davon aus, dass der Klient der Symptomträger ist, selber aber nicht gestört ist, sondern das System. Die systemische Essberatung setze deshalb bei der Verbesserung der Beziehungen an.

Karies ist die größte Volkskrankheit in Deutschland. Hauptursache sei der Zuckerkonsum und vor allem das „Nuckeln aus der Flasche mit niedermolekularen Kohlenhydraten“, erklärte Zahnarzt Dr. Norbert Krämer. Als eine neue Herausforderung sieht er die schlechte Zahngesundheit vieler Flüchtlinge, die nach Deutschland gekommen sind.

Der wahre Preis der Lebensmittel

Mit der Kampagne nature & more macht der Niederländer Volkert Engelsman den wahren Preis unserer Lebensmittel transparent. Das Vorstandsmitglied der Internationalen Vereinigung der ökologischen Landbaubewegungen (IFOAM) klärte darüber auf, warum konventionell erzeugte Lebensmittel deutlich teurer sein müssten als Biolebensmittel. Denn ökologische und soziale Kosten, die ein Lebensmittel bei der Herstellung verursache, etwa für die Nutzung von fruchtbarem Boden und sauberem Wasser oder durch den Ausstoß giftiger Chemikalien, spiegelten sich nicht im Preis wider.
Dr. Katja Schneider, Leiterin der Vernetzungsstelle Schulverpflegung in Hessen, stellte Möglichkeiten vor, das Essen in Schulen zu verbessern. So sind inzwischen die DGE-Qualitätsstandard für die Schulverpflegung durch Standards für „Snacks an weiterführenden Schulen“ ergänzt worden.

Für eine erfolgreiche Umsetzung sei es ganz entscheidend, die Wünsche und Bedürfnisse der Schüler mit einzubeziehen und auch mal bei der Zusammenstellung des Essens Kompromisse einzugehen. „Wir brauchen keine Kuschelpädagogik“, stellte Dr. Ernst Fritz-Schubert (Foto) klar. Als Lernziel für Wohlbefinden sieht der Begründer des Schulfachs Glück unter anderem, positive Emotionen und Beziehungen zu schaffen, Ressourcen zu erkennen und persönliches Wachstum zu erreichen. Das gelte gleichermaßen auch für alle Lebensbereiche außerhalb der Schule.

Lebhaft und überzeugend berichtete UGB-Gourmet­koch Herbert Thill von seinem Engagement für eine appetitliche und nährstoffreiche Versorgung der Bewohner in Alten- und Pflegeheimen. Menschen mit Kau- und Schluckstörungen müssten keinen braunen Einheitsbrei essen. Smoothfood, die weiterentwickelte Form der passierten Kost, könne den Betroffenen wieder ein Stück Lebensfreude vermitteln. Thill plädierte vor allem dafür, mit den Menschen wertschätzend in Kontakt zu treten, ihnen ungewohntes Essen zu erklären und ihre Bedürfnisse zu berücksichtigen.
Über die gesundheitlichen Gefahren und das Vorkommen von Aluminium berichtete Gudrun Köster von der Verbraucherzentrale Schleswig-Holstein. Zu hohe Aluminiumgehalte würden beispielsweise in Säuglingsnahrung, Schokolade und Kräutern festgestellt. Ihr Fazit: Jede zusätzliche Aufnahme sollte vermieden werden, denn die tägliche Zufuhr über verschiedene Quellen wie Umwelt, Verpackungen oder Arzneien übersteige bei vielen bereits die tolerierbaren Mengen.

Putzplan für die Zellen

Spannende und aufschlussreiche Neuigkeiten aus der Ernährungsforschung lieferten auch die Dozenten der UGB-Akademie. Die Ernährungswissenschaftlerin Johanna Feichtinger stellte verschiedene Varianten des intermittierenden Fastens vor. Sie sieht darin einige gesundheitsförderliche Effekte und auch Chancen zum Abnehmen für Übergewichtige. Die beeindruckenden Forschungsergebnisse des Medizin-Nobelpreisträgers Yoshinori Ohsumi zur Autophagie brachte Hans-Helmut Martin eindrucksvoll den Zuhörern näher. Danach schaltet die Zelle bei Energiedefizit, beispielsweise beim Fasten, einen automatischen Putzplan ein. Fehlerhafte Strukturen, Proteine oder komplette Zellorganellen werden abgebaut, abtransportiert oder zum Aufbau neuer Körpersubstanz genutzt. Dabei verjünge sich die Zelle und sei besser gegen Stress und Infekte geschützt.

Das Besondere alter Getreidesorten liegt vor allem in ihrer guten Verträglichkeit und dem gesundheitlichen Wert. Gleichzeitig bieten Emmer, Einkorn und Dinkel Chancen für die biologische Landwirtschaft und Biobäckereien, berichtete Katrin Lehmann aus ihrer Studie über Marktchancen dieser selten gewordenen Getreide. Einerseits seien diese am besten unter extensiven Bedingungen anzubauen, andererseits erfordere ihre Verarbeitung handwerkliche Kenntnisse und Fertigkeiten, über die heute vor allem Biobäcker verfügten. Biokunden seien bereit, diesen Mehraufwand auch entsprechend zu bezahlen.


Text: Ulrike Becker, Franziska Horvat, Stefan Weigt