UGB-Tagung

Viel gelacht und viel gelernt

Dass es bei den Tagungen des UGB nicht nur bierernst zugeht, bestätigte sich auch in diesem Jahr wieder: Vor allem Dr. Hajo Schumacher und Prof. Claus Leitzmann wussten mit ihren humorvollen Vorträgen das Publikum zu begeistern.

Weitere Fotos

Der Journalist Hajo Schumacher provozierte die teilnehmenden Ernährungsberater eingangs mit der Aussage: „Essen Sie lieber Burger und Pommes als einsam alt zu werden. Einsamkeit kostet sieben Lebensjahre.“ Angesichts des demografischen Wandels und durch eigene Probleme mit dem Älterwerden hat Schumacher lebenswerte Wohnformen für Senioren recherchiert. Das Bewusstmachen der eigenen Bedürfnisse, eine rechtzeitige Planung der gewünschten Wohnform und die Pflege von sozialen Kontakten sieht er als Voraussetzungen für ein zufriedenes Altwerden an.

Essen im Tagesrhythmus

Mit Tempo, Takt und Rhythmus des Essens beschäftigte sich Dr. Michael Boschmann. Heute würde viel zu viel nebenbei gegessen und dem Körper keine Zeit gelassen, die Nahrung überhaupt zu verwerten. Der Mediziner der Charité Berlin plädierte für mindestens vier Stunden Abstand zwischen den Mahlzeiten und dafür, den Tagesrhythmus wieder stärker zu berücksichtigen. Denn die meisten Organe arbeiten in einem circadianen Rhythmus. „In den nächsten 20 Jahren ist mit einer Verdoppelung der Flugimporte von Lebensmitteln zu rechnen“, prognostizierte Dr. Markus Keller. Nach seinen Recherchen steht Frischfisch aus afrikanischen Ländern an erster Stelle der Flugimporte, gefolgt von Gemüse, Obst und Fleisch. Konsumenten empfahl der UGB-Dozent, auf die Herkunft der Ware zu achten. Eine verbindliche Kennzeichnungspflicht für Flugware gebe es allerdings nicht.

Über die Vorteile regelmäßiger Fastenintervalle berichtete Dr. med. Rainer Stange vom Immanuel Krankenhaus in Berlin. Er präsentierte Studien, die ein verlängertes Leben, eine bessere Wirksamkeit von Chemotherapie bei Krebspatienten und einen Rückgang von Entzündungsmarkern belegen. Er räumte allerdings ein, dass es kaum aussagefähige Untersuchungen am Menschen gebe. In einem zweiten Referat berichtete der Arzt über die Zusammenhängen zwischen Multipler Sklerose und Ernährungsfaktoren. So zeigten sich Erfolge bei einer verminderten Zufuhr von tierischem Eiweiß, wie beispielsweise bei der Budwig-, Swank- oder Ewers-Diät. Zudem verdienten einzelne Nährstoffe wie Omega-3-Fettsäuren und Vitamin D besondere Aufmerksamkeit.
Der renommierte Placeboforscher Prof. Paul Enck deckte auf, was sich hinter Medikamenten ohne Wirkstoff, also Placebos, verbirgt. Der sogenannte Placeboeffekt beruhe auf verschiedenen Wirkungen: der positiven Erwartung der Patienten sowie natürlichen Schwankungen im Krankheitsverlauf. Als besonders entscheidend bezeichnete Enck die Empathiefähigkeit des Arztes.

Grünkohl statt Goji

Den zweiten Veranstaltungstag läutete Prof. Claus Leitzmann ein. In der Pose des tags zuvor aufgetretenen Dr. Hajo Schumacher setzte er sich auf der Bühne auf die Tischkante und erntete für seine betont lockere Haltung neben dem Gelächter der Zuhörer auch tosenden Beifall. In seinem Vortrag über Empfehlungen zur Proteinzufuhr machte er deutlich, dass pflanzliche Proteine vermutlich stärkere positive Effekte aufwiesen als tierische. „Möglicherweise liegt das aber auch an den Begleitsubstanzen wie sekundären Pflanzenstoffen, Vitaminen und Ballaststoffen“, vermutet der Gießener Ernährungswissenschaftler.

Superfoods: regional statt exotisch

Dass viele Verbraucher die sogenannten Superfoods überschätzten, machte UGB-Dozentin Johanna Feichtinger klar. Oft würden Chiasamen, Moringapulver oder Goji-Beeren mit scheinbar sensationellen Nährstoffgehalten für Kalium, Vitamin C, Eisen oder Ballaststoffe beworben. „Bei genauerem Hinsehen stellt sich aber heraus, dass diese Nährstoffe problemlos auch mit heimischen Früchten und Gemüse erreichbar sind“, rechnete die Ernährungswissenschaftlerin vor. Leinsamen, Hirse oder Grünkohl seien hier mehr als ebenbürtig und hätten zudem einen klaren Heimvorteil. Der Schweizer Umweltnaturwissenschaftler Claudio Beretta begeisterte die Zuhörer mit seinem Plädoyer für weniger Lebensmittelverschwendung. Mit überzeugenden Zahlen und Diagrammen veranschaulichte er, dass die privaten Haushalte den größten Anteil an der Lebensmittelverschwendung haben. Damit hätten sie auch die größte Chance, etwas daran zu verändern. Beretta empfahl, bewusster einzukaufen, Reste geschickt zu verwerten, auch mal krumme Möhren oder Brot vom Vortag zu akzeptieren und weniger tierische Produkte zu essen.

Frauenherzen schlagen anders

Weltweit versterben die meisten Frauen an Herz-Kreislauf-Erkrankungen, mehr noch als Männer. Dr. Birgit-Christiane Zyriax führte den Teilnehmern eindrucksvoll vor Augen, wie gefährdet Frauen hinsichtlich Herzerkrankungen sind. Rauchende Frauen hätten beispielsweise ein höheres Risiko für Herzprobleme als rauchende Männer, auch das Herz von Diabetikerinnen sei stärker gefährdet. Eine wichtige Rolle spiele zudem die Gewichtsentwicklung. Bedenklich sei, wenn sich das Gewicht im Laufe der Jahre um 10-12 Kilogramm erhöhe.

Mit ihrem engagierten Vortrag führte Dr. Stefanie Gerlach von der Deutschen Diabetes-Hilfe in Berlin deutlich vor Augen, dass gegen die wachsende adipöse Gesellschaft auch die Politik endlich handeln müsse. Die Informationsüberfrachtung auf vielen Verpackungen, unrealistische Portionsgrößen und gezielte Desinformation seien von der Lebensmittel­industrie gewollt, um eine gesunde Produktwahl zu erschweren. Ein effektiver Ansatz wäre es, Verbrauchssteuern so zu verändern, dass gesunde Lebensmittel nicht besteuert würden, ungesunde dagegen deutlich.

Warum man mit dem Essen doch spielen sollte, zeigte die Ernährungswissenschaftlerin und Theaterpädagogin Dr. Stephanie Hoy. Über spielerische Elemente könnten Emotionen in der Beratung viel besser ausgedrückt werden. Wenn Teilnehmer beispielsweise Hunger oder Völlegefühl als Rollenspiel oder Standbild darstellen, könnten sie anschließend viel besser ihr eigenes Essverhalten reflektieren. Auch den eigenen Körper wieder zu spüren, lasse sich auf diese Weise erreichen.