UGB-Tagungsbericht: Essen ohne Risiko?

Auf der Frühjahrstagung des UGB, die vom 09.-10. Mai 2003 in der Aula der Justus-Liebig-Universität Gießen stattfand, erfuhren rund 320 Teilnehmer die ernüchternde Erkenntnis: "Essen ist immer ein Risiko". Informierte Verbraucher können die Belastung jedoch gering halten.

Die neue Schadstoffgeneration

Eine relativ neu entdeckte Gefahr in unseren Lebensmitteln ist Acrylamid. Erst seit gut einem Jahr ist bekannt, dass sich der problematische Stoff vor allem beim Backen, Braten und Frittieren bildet. Dr. Norbert Haase von der Bundesanstalt für Getreide-, Kartoffel- und Fettforschung, stellte klar, dass Acrylamid zwar ein zusätzliches Krebsrisiko mit sich bringe, die Gefahr derzeit aber hoch gespielt werde. Dennoch sollte die Aufnahme an Acrylamid möglichst niedrig gehalten werden. Das gelingt am besten, wenn Backwaren und Pommes frites möglichst hell und nicht zu kross zubereitet werden.

Positives wusste Dr. Hermann Kruse, renommierter Toxikologe von der Universität Kiel, zu berichten. Die "Oldies" unter den Schadstoffen wie DDT oder PCB sind in der Nahrung aufgrund gesetzlicher Verordnungen um 30-40 % zurückgegangen. An ihre Stelle treten allerdings neuartige Substanzen wie Moschusduftstoffe, Weichmacher oder Flammschutzmittel, über deren Toxizität bisher wenig bekannt ist. Auch bei der Lebensmittelzubereitung im Haushalt entstehen teilweise hochgradig Krebs erregende Stoffe. Als ganz wichtig erachtet der Toxikologe, dass die Futtermittel streng kontrolliert werden, um eine Belastung der Nahrung auf diesem Weg auszuschließen.

Krankheiten auf dem Vormarsch

Immer mehr Kinder leiden an Allergien. Gleichzeitig wird die Diagnose Aufmerksamkeitsdefizit-Syndrom (ADS) immer häufiger gestellt. Die Psychologin Christa Müller berichtete, dass hier ein Zusammenhang bestehe: 70 Prozent der Kinder mit ADS zeigten allergische Symptome. ADS könne man auch als Allergie des Gehirns bezeichnen, als Hirnstoffwechselstörung. Bei etwa der Hälfte der Betroffenen verbessere sich das Syndrom durch eine oligoantigene Diät, in der die häufigsten Allergene gemieden werden. Dass die Vermeidung von Allergenen jedoch nicht der einzige Weg bei der Vorbeugung von Allergien ist, zeigte Ernährungswissenschaftlerin Birgit Wi-ckenkamp anhand neuester Studien aus der Allergieforschung. Auch die Toleranzfähigkeit des Körpers spiele eine wichtige Rolle. Scheinbar werde diese gestärkt, wenn man auf dem Land wohne, am besten in der Nähe eines Tierstalls.

Problematische Zusätze

Der bekannte Buchautor Hans-Ulrich Grimm outete sich als praktizierender Feinschmecker, der hauptsächlich am guten Geschmack interessiert ist. Aus diesem Grund sind ihm besonders Aromastoffe ein Dorn im Auge. Sie setzten den Geschmack als Kontrollsinn außer Kraft und täuschten gute Lebensmittelqualität lediglich vor. Besonders häufig werde Zitronensäure als Zusatzstoff eingesetzt, was zwar harmlos klinge, aber gravierende Folgen haben könne. Denn Zitronensäure erleichtere den Transport von Schwermetallen ins Gehirn. Über die Problematik, die Jod-Allergiker mit jodierten Lebensmitteln haben können, berichtete Dagmar Braunschweig-Pauli aus Trier. Sie forderte, dass es auch in Deutschland bestimmte Lebensmittel geben muss, die eindeutig als jodfrei deklariert sind.

Trotz aller Diskussionen über Schadstoffe sind bei den Teilnehmern der Gießener Vollwert-Studie keine gesundheitlich bedenklichen Konzentrationen im Blut gefunden worden. Dr. Gesa Schönberger fand in ihren Auswertungen aber Unterschiede zwischen Vollwert- und Mischköstlern: Während Vollwertköstler über den hohen Anteil pflanzlicher Lebensmittel höhere Konzentrationen an Cadmium aufwiesen, zeigten die Misch-köstler höhere Werte bei Hexachlorbenzol, (HCB) durch Fleisch, Wurst, Alkohol, Fisch und Schalentiere. Auch die Belastung mit Quecksilber über Fisch und Schalentiere war höher. Alle Werte lagen aber unter den gesetzlichen Grenzwerten. Ziel muss dennoch sein, die Schadstoffeinträge in die Umwelt weiter zu minimieren. Nicht um Schadstoffe, sondern um den Erhalt der Fischbestände ging es der Meeresbiologin Andrea Cederquist. Anschaulich stellte sie dar, wie unangepasste Fangquoten und industrielle Methoden die Fischbestände weltweit massiv bedrohen. "Das Fischereimanagment hat versagt", so die Greenpeace-Aktivistin. Aufgeklärte Verbraucher sollten nur noch Fisch aus nicht bedrohten Beständen kaufen. Dazu zählen lediglich Hering und Makrele aus der Nordsee sowie Lachs, Hering und Karpfen aus Öko-Aquakulturen.

Unsichtbare Belastungen

Handys, Computer und andere Elektrogeräte sind im beruflichen wie privaten Umfeld weit verbreitet. Dass ihre Gefahr für die Gesundheit nicht unterschätzt werden sollte, betonte der Ganzheitsmediziner Dr. Karl-Heinz Braun-von Gladiß aus Lüneburg. Denn Mobilfunkstrahlung setze langfristig die körpereigenen Abwehrkräfte herab. "Das spezifische Problem des Elektrosmogs ist, dass er nur unspezifische Symptome verursacht", erläuterte Braun-von Gladiß. Dazu zählen Leistungsabfall, Schlafstörungen oder Kopfschmerzen. Er riet den Teilnehmern, insbesondere am Schlafplatz die Belastung mit elektrischen Geräten möglichst gering zu halten und Handys gar nicht zu benutzen, sondern in den Müll zu werfen. Ein eher unproblematisches Lebensmittel in Deutschland ist das Trinkwasser. Das machte Ernährungswissenschaftler Rüdiger Lobitz vom aid infodienst in Bonn deutlich. Dennoch muss es kontrolliert und zum Teil aufbereitet werden. Noch immer sind beispielsweise Pflanzenschutzmittel darin nachweisbar, die mittlerweile längst verboten sind.

Fett im Brennpunkt

Prof. Dr. Hans-Ulrich Klör und Dr. Nicolai Worm waren sich einig, dass heute weniger die Fettmenge ein Problem darstellt als vielmehr die Fettzusammensetzung. Zahlreiche Studien hätten belegt, dass eine fettmodifizierte Diät bei Übergewichtigen und auch bei Diabetikern den Stoffwechsel positiver beeinflusse als eine fettarme und kohlenhydratreiche Kost. Worm berichtete beispielsweise vom "amerikanischen Paradoxon": US-Amerikaner würden immer weniger Fett essen und trotzdem steige die Zahl der Übergewichtigen weiter an. Ähnliche Ergebnisse liefere auch die DONALD-Studie aus Deutschland: Von 1985 bis 2000 nahmen Jugendliche bei gleicher Kalorienzufuhr weniger Fett und mehr Kohlenhydrate auf und dennoch gebe es immer mehr Übergewichtige in dieser Altersgruppe. Sein Fazit: "Fettarm macht nicht schlank". Günstig wirke sich vielmehr ein hoher Anteil an Omega-3-Fettsäuren aus, deren Anteil in der Kost deutlich gesteigert werden sollte.
Ulrike Becker