UGB-Fachtagung - Perspektive Ernährungsberatung

Wie sich Beratungskräfte auf dem Gesundheitsmarkt behaupten können, darüber informierte die UGB-Tagung am 29. und 30. April 2005 in Gießen. Rund 350 Teilnehmer brachten sich inhaltlich und methodisch auf den neuesten Stand.

Motive und Wertestrukturen bestimmen unsere Persönlichkeit und unser Handeln. Nach dem Reiss-Profil ®, das Diplom-Psychologe Andreas Huber aus Aachen vorstellte, existieren 16 Lebensmotive, die individuell ausgeprägt sind. Dazu zählen unter anderem Macht, Unabhängigkeit, Familie und Essen. Wichtig ist, diese Motive sowie ihre Ausprägung völlig wertfrei zu betrachten.

Sind die Lebensmotive bekannt, lassen sich Diskrepanzen mit der aktuellen Lebenssituation aufzeigen. Die Chance liegt darin, so ganz individuell beraten zu können, unterstrich Huber. Berater können aber nicht immer nur nett sein. Irgendwann haben sie einfach keine Lust mehr, permanent Kraft und Energie in ihre Klienten hineinzupumpen. Bringt man Frechheit, Humor und Provokation (nach Frank Farelly) in die Beratung ein, profitieren beide Seiten, zeigte Dr. phil. Susanne Klein in ihrem erfrischenden Vortrag auf. "Sie sind ein hoffnungsloser Fall, bei Ihnen funktioniert das sowieso nicht". Eine solche Aussage provoziert die Klienten das Gegenteil zu beweisen. Ziel ist, dass der Patient die Verantwortung für sein Problem wieder selbst übernimmt und eine Lösung für sich entwickelt. Die entscheidende Voraussetzung, um frech zu sein, betonte Klein, ist ein guter Draht zum Klienten.

Ein guter Draht ins Internet versorgt uns mit einer Flut an Informationen. Um ihre Glaubwürdigkeit einschätzen zu können, sollte man sich die Quellen genau ansehen, riet Dr. oec. troph. Roy Ackmann. Selbst Meldungen in seriös wirkenden Newsgroups können von Firmen bewusst platziert sein. Auch Seiten mit viel Werbung seien nur mit Vorsicht zu genießen, empfahl der Internetspezialist. Eine aufschlussreiche Übersicht über Nährwert- und Ernährungsberatungssoftware bot Dipl.-Ing. Nina Rosenbaum von der Fachhochschule Sigmaringen. Sie gab den Teilnehmern konkrete Tipps für die Auswahl eines geeigneten Programms für die Beratung.

Low-Carb als neuer Wirtschaftszweig

In den USA, schätzt Ernährungsexpertin Dr. Maike Groeneveld, greifen mittlerweile rund 30 Millionen Menschen zu kohlenhydratarmen Produkten. Sie bescheren Eierproduzenten ungeahnte Erfolge und treiben Nudelhersteller in die Pleite. Ziel der Low-Carb-Diäten wie Atkins, South Beach, LOGI oder GLYX ist ein konstanter Blutzucker- und damit Insulinspiegel, was vor Übergewicht schützen soll. Dabei liegt der Eiweißanteil bei bis zu 1,5 Gramm pro Kilogramm Körpergewicht. Ob diese Menge sich nachteilig auf Nieren und Knochen auswirkt, wird derzeit sehr kontrovers diskutiert. Groeneveld plädierte dafür, dass es Slow-Carb statt Low-Carb heißen müsste, damit die langsam resorbierbaren komplexen Kohlenhydrate beispielsweise aus Vollkorn stärker thematisiert würden. Da der höhere Eiweißanteil offenbar dazu führt, dass eine Reduktionsdiät besser durchgehalten wird, sei "Low-Carb weder ein leeres Versprechen noch eine Diätrevolution", schlussfolgerte die Ernährungsexpertin.

Egal, ob Low-Carb oder Low-Fat - Abnehmprogramme bringen langfristig keinen Erfolg, so die ernüchternde Erkenntnis von Prof. Manfred Müller von der Universität Kiel. Auch die unübersichtliche Anzahl an Leitlinien zur Therapie von Übergewicht führe nicht weiter. Die Kieler Adipositasstudien belegten vielmehr, dass der größte Einfluss auf das Körpergewicht beim gesellschaftlichen Status und dem Elternhaus liege. "Übergewicht ist ein soziales Problem", betonte der Kieler Mediziner. Gesundheit müsse daher auf die politische Ebene gezogen werden, "aber nicht nur als Kostenfaktor, sondern als Wert an sich". Um die Zielgruppen zu erreichen, regte er die Arbeit von "Healthworkern" an, die als Teil einer Gruppe Ernährungswissen vermitteln. Das Fazit der Abnehmdiskussion brachte Hans Helmut Martin, stellvertrender Leiter der UGB-Akademie auf den Punkt: "Ob Low-Carb oder Low-Fat, ohne Low Cal und High Moves wird es nix mit Low Weight."

"Schnell pleite machen ist einfach", stellte Kommunikationsexperte Dr. Hermann Refisch aus Frankfurt trocken fest. Damit eine Existenzgründung erfolgreich wird, sollte man an seine Idee glauben und authentisch sein. Ehe man sich selbstständig macht, sind die eigenen Ziele genau zu überlegen und am besten schriftlich festzuhalten. Das Reden über das eigene Vorhaben bestärkt bei der Selbstmotivation und hilft Netzwerke aufzubauen. "Erobern Sie sich Mikrofone", motivierte Refisch in seinem humorvollen Beitrag die Teilnehmer. Mit Optimismus, positiven Ausstrahlung und einer Portion Mut, haben Berater die besten Karten für Erfolg. Für erfolgreiche Beratung ist auch einfühlsames Umgehen mit Klienten wichtig. Der Psychologe Dr. Ralf Demmel führte den Teilnehmern vor, wie Empathie nicht sein soll. Vorgetäuschtes Verständnis und nichts sagende Floskeln bringen keine Nähe zum Patienten. Aufmerksames Zuhören und eine kurze, nicht wertende Zusammenfassung des Gesagten, zeigt dagegen Empathie. Dieses reflektierte Zuhören fördert die Selbsterkenntnis des Patienten und reduziert seinen Widerstand gegenüber Veränderungen.

Aus der Praxis für die Praxis

Der UGB bildet seit über 20 Jahren interessierte Menschen zu Gesundheits-Trainern aus. Wie sich diese Ausbildung beruflich nutzen lässt, zeigten anschaulich die UGB-Gesundheits-Trainerinnen Annette Alfermann und Barbara Bäunker. "Netzwerkeln" heißt das Zauberwort für berufliche Kontakte, die sich bezahlt machen. So hat Annette Alfermann mit einem Gemüsehändler ausgehandelt, dass sie ihm Rezepte für seine Kunden erstellt, dafür liefert er frisches Gemüse für ihre Kochkurse. Da vielerorts eine Lehrküche fehlt, hat sie aus der Not eine Tugend gemacht und bietet ihren Kursteilnehmern "Front-Cooking". Die gute fachliche UGB-Ausbildung, gekoppelt mit einer positiven Ausstrahlung und authentischem Auftreten kommen bei Kursteilnehmern an, berichtete Barbara Bäunker. Und "der Geschmack muss überzeugen", ist sich die UGB-Gesundheits-Trainerin sicher.

Auf dem "Gesundheitsmarkt" mischen viele mit. Woher weiß man da, was eine gute Beratung ist? Dipl. oec. troph. Birgit Becke von QUETHEB, dem Institut für Qualitätssicherung in der Ernährungstherapie und Ernährungsberatung in München, unterstrich, dass nachweisbare Qualität der qualifizierten Fachkraft nutzt, um sich von unseriösen Anbietern abzugrenzen. Vor kurzem haben sich dazu wissenschaftliche Ernährungsgesellschaften und die zuständigen Fachverbände zusammengeschlossen und eine Rahmenvereinbarung "Qualitätssicherung in der Ernährungsberatung" unterzeichnet. "Schluss mit Abgrenzung, rein in die Kooperation", brachte Birgit Becke die neue Form der Zusammenarbeit auf den Punkt. Zu mehr Transparenz auf dem Markt der Ernährungsberatung trägt auch das Netzwerk Gesunde Ernährung bei, dem der aid infodienst, die Verbraucherzentrale NRW und der UGB angehören. Dr. oec. troph. Margret Büning-Fesel vom aid infodienst in Bonn betonte, dass die Netzwerkarbeit eine neue Ära der Zusammenarbeit begründet. Von gemeinsam entwickelten Medien, Fortbildungen und nachweislich qualifizierten Ernährungsberatern profitieren Verbraucher und Fachkräfte gleichermaßen. Dipl. oec. troph. Thomas Männle, Geschäftsführer des UGB, konnte in seinem Vortrag auf über 20 Jahre konsequente Qualitätssicherung beim UGB verweisen.

Quelle: Becker, U.: UGB-FORUM 3/05 S.146-147