Welche Bewegungs- und Entspannungsübungen
sind während des Fastens besonders geeignet

Bewegungs- und Entspannungsübungen sind elementare Bausteine jedes Fastens: als aktive fastenunterstützende Maßnahmen sowie als Selbsthilfemittel bei Befindlichkeitsstörungen.

Im folgenden Beitrag werden Richtlinien aufgezeigt, die vor dem Hintergrund der großen Bedeutung jeglicher Körperarbeit im Fasten auf sportwissenschaftliche Erkenntnisse Bezug nehmen. Sie stützen sich auf Erfahrungen aus der Praxis der Fachklinik für Naturheilverfahren Bad Elster (bisher ca. 3000 Fastenpatienten) und beziehen sich auf die motorischen Hauptbeanspruchungsformen sowie deren Anwendbarkeit in den verschiedenen Fastenphasen. Angaben bezüglich Eignung und Nichteignung konkreter Übungen lassen sich aufgrund differierender gesundheitlicher und konstitutioneller Eingangsbedingungen jedes Fasters nicht machen.

Einstieg in eine gesunde Lebensführung

Fasten ist eine hervorragende Möglichkeit, sich auf sich selber zu besinnen und den eigenen Körper (neu) zu entdecken. Grundlage jedes Tuns ist dabei die Körperwahrnehmung: ob in Form von sensitiven Spielen, beim Wandern, Entspannungsübungen oder bei täglicher Fastenroutine wie Leberwickel und Einlauf. Findet eine Sensibilisierung für Körperreaktionen über alle Sinne statt, ist eine Motivationsgrundlage für eine längerfristige Verhaltensänderung gegeben (lifestyle management).

Bewegungs- und Entspannungsübungen im Fasten sollten also nicht nur fastenunterstüzend wirken und Selbsthilfemaßnahmen sein, sondern auch Körperwahrnehmung schulen und zu langfristigen Verhaltensänderungen motivieren. Dies ist eine gute Voraussetzung zum (Wieder-)Einstieg in eine gesunde Lebensführung im Sinne der modernen Ordnungstherapie. Ein strukturiertes Gesundheitstraining (Information, Motivation und Kompetenzvermittlung) kann ein erfolgreicher Weg dahin sein. Im Fasten sind somit alle Bewegungs- und Entspannungsübungen geeignet, die das Fasten funktionell untertstützen: kreislaufanregende Morgenbewegung, Wandern, Meditationen, Massageelemente, Atemübungen etc. Daneben ist der Einsatz von Körperwahrnehmungselementen sinnvoll, wobei es weniger auf die Übung selbst als vielmehr auf die Art der Anleitung ankommt: Alle Übungen sollen einen motivierenden Charakter haben, z. B. durch verschiedene Spielformen, Natur- und Gruppenerlebniselemente ... Dabei ist jede Körperarbeit übergreifend zu betrachten: funktionelle (Durchblutungssteigerung), emotionale (Stimmung, Freude), soziale (social support) und kognitive (Kreativität) Gesichtspunkte wirken zusammen (sich bewegen, geistig beweglich sein, emotional bewegt sein ...) und bedürfen einer Balance und Rhythmisierung.

Wirkung von Bewegung

Bewegung im Fasten bewirkt eine vermehrte Durchblutung, die für die Ver- und vor allem Entsorgungsmechanismen des Gewebes sehr wichtig ist. Daneben ist die Elimination saurer Stoffwechselmetabolite über die Lungen gesteigert, und der Sauerstoffmehrbedarf für die Fettverbrennung kann besser gedeckt werden. Bewegung schützt die Skelett- und Herzmuskulatur vor übermäßiger Proteolyse, und es kommt zu einer Blutdruckstabilisierung und Wärmeentwicklung. Neben diesen physiologischen Wirkungen sind vor allem die Unterstützung der psychovegetativen Gesamtumstimmung, Reduktion der vegetativen Spannung sowie eine in der Praxis deutlich zu beobachtende Stimmungsaufhellung (Endorphinausschüttung) nennenswert. Bei Hungergefühlen, Kreislaufbeschwerden, Frösteln, Stimmungstief und Appetit erweist sich Bewegung immer wieder als hervorragendes Selbsthilfemittel.

Bewegungs- und Entspannungsformen im Fasten

Fast alle Bewegungs- und Entspannungsübungen sind sehr übergreifend zu betrachten: Kleine Spiele enthalten z. B. Ausdauer-, Schnelligkeits-, Kraft-, Beweglichkeits-, Koordinations- und auch Wahrnehmungs- und Entspannungsaspekte, Bewegung kann auch Entspannung sein und Wahrnehmungsaspekte sind in jedem Tun bedeutsam.

1. Ausdauertraining
Das Ausdauer"training" hat im Fasten einen besonderen Stellenwert. Die allgemeine aerobe Langzeitausdauer mit Ziel der Gesundheitswirksamkeit steht hierbei im Vordergrund. Bewährt hat sich - unter Berücksichtigung individueller Gesichtspunkte (Trainingszustand, Konstitution und Fastenverlauf) - eine Belastungszeit von mindestens 30 Minuten pro Tag in Form der extensiven Dauermethode (niedrige Intensität und hohe Dauer). Geeignete Formen sind Wandern, Walken, Schwimmen etc. Sportarten im Freien sind aufgrund der Bedeutung von Atmung zu bevorzugen. Zur Intensitätssteuerung kann der Richtwert der Herzfrequenz: 180 minus Lebensalter gelten. Jedoch müssen krankheits- und fastenbedingte Variabilitäten eingerechnet werden. Somit empfiehlt sich die Anlehnung an Parameter wie "sich noch gut unterhalten können" oder Schrittfrequenz (je 4 Schritte ein- und ausatmen). Besonders bewährt hat sich neben Wanderungen eine halbstündige Morgenbewegung zur Kreislaufanregung.

Ausdauerbeanspruchungen sollten nie rein funktional betrachtet werden: Die Ganzheitlichkeit spielt auch hier eine wesentliche Rolle: gruppendynamische Elemente, Körperwahrnehmung (z. B. Gehen auf verschiedenen Bodenarten, mit und ohne Schuhe), Atemübungen, kognitive Elemente, z. B. Verbalisierung der Selbsterfahrungsmomente, Naturerleben etc. sollten sonnvoll intergriert sein. Ziel des Ausdauertrainings im Fasten ist nicht ein Trainingseffekt im Sinne morphologischer Adaptationen, sondern eine Reizsetzung im Sinne der Naturheilkunde zur Anregung und Kräftigung körpereigener Selbstheilungs- kräfte sowie Motivation zur eigenaktiven Weiterführung eines "Gesundheitsoptimalprogrammes" im Alltag. Bei langfristig regelmäßigem Training (2-6 x pro Woche mit einer Bruttobelastungszeit von 2-4 Stunden und mind. 30 Minuten pro Trainingseinheit) kommen folgende Anpassungserscheinungen zum Tragen: Ökonomisierung der Herzarbeit, Begünstigung des oxidativen Stoffwechsels, Zunahme des Fettstoffwechselanteils bei der Energiebereitstellung sowie herabgesetzte Thrombusbildung im Blut. Somit sollte die Motivation zu dauerhaftem Bewegungstraining im Vordergrund stehen.

Inwieweit Ausdauerbelastungen Umstellungsprozesse Richtung Fastenstoffwechsel beschleunigen, auf hormonale Vorgänge im Fasten Einfluß nehmen, zur Verbesserung von Trainingseffekten hinsichtlich des Fettstoffwechsels beitragen können und inwieweit ausdauertrainierte Faster einen veränderten Fastenstoffwechsel haben, ist noch nicht hinreichend geklärt.

2. Koordinationsfähigkeit
Koordinationsfähigkeit ist bei allen Bewegungen erforderlich. Ein erweitertes Bewegungsrepertoire wirkt sich positiv auf sämtliches Bewegungslernen und -verhalten sowie auf die Bewegungsökonomie aus. Koordinationsübungen machen - richtig angeleitet - viel Spaß bei einer fastenangemessenen Beanspruchung des Stoffwechsels und haben einen erfrischenden und konzentrationssteigernden Effekt (jede Bewegung beginnt im Kopf (geistige Beweglichkeit). Der Phantasie sind bei Koordinationselementen, z. B. bei Kombination verschiedenster Bewegungen der einzelnen Extremitäten keine Grenzen gesetzt.

3. Beweglichkeit
Die Beweglichkeit wird im Fasten häufig allein schon durch den Masseverlust verbessert. Als gezielte Dehnübungen sollte die Methode des passiven statischen Dehnens (Stretching) im Vordergrund stehen - sinnvoll ist dies entweder nach Belastungen wie Walking, Wandern etc. oder als Wahrnehmungs- bzw. Entspannungseinheit. Das Stretching bedarf einer sachgerechten Anleitung und kann mit Atemtechniken kombiniert auch den Abtransport von Stoffwechselendprodukten optimieren.

4. Schnelligkeits- und Kraftübungen
Schnelligkeits- und Kraftübungen sind aufgrund des hohen Milchsäureanfalls und Glucoseverbrauchs nicht geeignet. Entsprechende Belastungen führen eher zu Frustrationen und können somit nicht zu langfristigen Verhaltensänderungen motivieren. Hervorzuheben ist jedoch die Notwendigkeit von ausgewogener Bewegung und Beanspru- chung der Muskulatur zur Vorbeugung zu starker Proteolyse. Dazu reichen jedoch die Belastungen beim Ausdauertraining sowie spielerische Elemente mit kurzzeitigen Mehrbelastungen aus.

5. Entspannung
Körperwahrnehmungsübungen, Entspannungsverfahren, Atem- und Achtsamkeitsübungen sowie Körperarbeit im erweiterten Sinne bis hin zur Meditation sind im Fasten elementare Bestandteile: "Die größte Offenbarung ist die Stille" (Laotse). Ob in Form von Progressiver Muskelentspannung nach Jacobson, Autogenem Training, Reisen durch den Körper (auch body-scan), Genußreisen mit Integration aller Sinne, Körpererfahrung durch Differenzbildungen und kinästhetische Erfahrungen, Phantasiereisen, Imaginationen, Visualisierungen und (Bilder-, Klangschalen-)Meditationen, Elementen aus Yoga, Stretching, Atemtherapie, Feldenkrais, Alexander-Technik, Tai-Chi oder Qi-Gong: Alle Methoden tragen - bei fachkundiger Anleitung - in der Zeit des Fastens wesentlich zur Innenschau sowie zum "Neu-Erleben" des eigenen Körpers bei. Auch das Erfahren eines ausgeglichenen Tages mit Elementen der Ruhe und Innenschau sowie einliebevoller Umgang mit sich selber (sich annehmen können auch mit Schwächen) kann Impulsgebung für neue Schwerpunkte und Elemente im - heute oft verkopften - Leben sein und damit Regulationsprozesse Richtung Ausgleich und Harmonisierung (Rhythmisierung, Lebensordnung) auslösen.

In diesem Zusammenhang ist es auch sinnvoll, Streßfaktoren im Fasten gering zu halten, eine wohltuende, genußvolle Atmosphäre zu schaffen, z. B. "Mahlzeiten" in Stille einzunehmen, wohltuende Musik und kulturelle Elemente zu integrieren, eine "Glocke der Achtsamkeit" einzuführen, Zeit für sich selber einzuplanen etc.

Besonderheiten in den Fastenphasen

In den Entlastungstagen steht wie in den ersten Fastentagen das Thema des Loslassens im Vordergrund. Neben Informationen über Ablauf sind "Ankommensmeditationen" mit Einstimmung auf die Fastenzeit empfehlenswert: schon hier beginnt die Tagesstrukturierung hinsichtlich Bewegung und Entspannung (Ordnungstherapie): Beginn des Tages mit Morgenbewegung an der frischen Luft, Entspannungseinheiten vor dem Mittagessen, eine Nachmittagswanderung nach dem Leberwickel, Körperarbeit am Abend sowie die Integration von Atem-, Dehn- und Bewegungseinheiten über den Tag verteilt. Noch nicht hinreichend diskutiert ist die Annahme, daß durch moderates Ausdauertraining die Umstellungsprozesse in dieser Phase beschleunigt werden können. Intensitäten sollten hier eher gering gehalten werden, da diese zusätzlich zur ergotropen Sympathikotonie zum Fastenbeginn Streß für den Körper bedeuten. Wichtiger ist die Stimmungsaufhellung und Einleitung des Umstellungsprozesses: "Aus dem völlig Außer-sich-sein von der Hektik des Lebenskampfes wird der Faster über eine wohltuende Leibfühlung wieder in die Mitte seiner selbst geführt." (Fahrner)

Ab dem 3. Fastentag können Belastungen individuell gesteigert werden. Varianten der Körperwahrnehmungs- und Entspannungstechniken unterstützen "das Finden der eigenen Mitte". Vom 7.-14. Fastentag stabilisieren sich die Stoffwechselprozesse (zunehmende Fettverbrennung), die sich in der dritten Fastenwoche weiter ökonomisieren. Ab dem 14. Fastentag ist ein Anstieg der körperlichen und kardialen Belastbarkeit zur verzeichnen (Jungmann). Für die Praxis ist die Respektierung der Körpersignale Voraussetzung. Mit der häufig beobachtbaren steigenden Bewegungslust sind ohne weiteres auch individuelle Intensitätssteigerungen möglich.

Das Fastenende geht abermals mit Umstellungsprozessen einher, die zu berücksichtigen sind. Während die Belastungsfähigkeit abnimmt, ist diese Phase der Annäherung an das Alltagsverhalten prädestiniert für Zielformulierungen bezüglich des Bewegungs- und Entspannungsverhaltens im Alltag.

Zusammenfassung

Voraussetzung für eine positive Fastenerfahrung ist die Berücksichtigung der Individualität der Teilnehmer in Bewegungs- und Entspannungserfahrungen, Konstitution, Alter, Rhythmen, psychischer Verfassung sowie vegetativer Ausgangslage (den Faster da abholen, wo er steht). Elementare Aufgabe des Fastenleiters ist es, einen motivierenden Rahmen zu schaffen (lustvolles Dürfen statt Müssen, Rahmen einer Gruppe als "social support"), um Verhaltensveränderungen auch über die Fastenzeit hinaus zu begünstigen (Hilfe zur Selbsthilfe!). Es bedarf einiger Erfahrung, die vielen verschiedenen Elemente der oben dargestellten Körperarbeit im Sinne des Fasters zu verbinden und eine Ausgewogenheit von Information, Erfahren, Spüren und Einüben zu erzeugen. Selbsterfahrung sowie Kenntnisse in den verschiedenen Bereichen ist Grundvoraussetzung für deren Anwendung. Bei geringer Erfahrung in der Fastenbegleitung empfiehlt sich die Anwendung von sehr einfachen Elementen (Wandern, gymnastische Übungen und Zeiten der Stille mit Musik), die von Fastern als sehr wohltuend empfunden werden. Mit kompetenter Anleitung können Bewegungs- und Entspannungsübungen das Fasten unterstützen und durch das Fasten Verhaltensänderungen in den Bereichen der Bewegung und Entspannung eingeleitet werden.

Quelle: UGB-Tagung "Fasten aktuell", 6.-8.05.1999

Der Verband für Unabhängige Gesundheitsberatung bildet kompetente FastenleiterInnen aus und hat ein spezielles Konzept für Fastenkurse entwickelt.
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LITERATUR:
FAHRNER, H.A.: Fasten als Therapie. Hippokrates, 1991
HOLLMANN; HETTINGER: Sportmedizin. Arbeits- und Trainingsgrundlagen. Schattauer, Stuttgart 1990
JUNGMANN H. u. a.: Einfluß von Nahrungskarenz und Bewegungstherapie auf die Blutfette und ihre Fraktionen. In: Klin. Wochenschrift 59, S. 1061, 1981
MELCHART; WAGNER (Hrsg.): Naturheilverfahren. Grundlagen einer autoregulativen Medizin. Schattauer, Stuttgart 1993
ZINTL: Ausdauertraining, BLV, München 1990

Dieser Beitrag ist dem UGB-Archiv entnommen.

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