Polyphenole gegen Demenz

Durch den demografischen Wandel wird unsere Bevölkerung immer älter. Das Plus an Lebensjahren bedeutet aber auch eine Zunahme an altersbedingten Erkrankungen wie Demenz. Neueste Forschungsergebnisse zeigen: Polypheno­le aus pflanzlichen Lebensmitteln spielen in der Prävention eine besondere Rolle.

Alterungsprozesse können sich unter anderem durch neurologische Erkrankungen wie die unheilbare Alzheimer-Krankheit bemerkbar machen. Multimodale Ansätze, die Lebensstilfaktoren wie Ernährung, Bewegung und kognitive Stimulation integrieren, bieten nachweislichen Schutz vor Demenz. Gerade die Ernährung scheint eine wichtige Rolle bei der Prävention zu spielen. So existieren für die Ernährungsweise der mediterranen Diät, die in der Lebensmittelzusammenstellung der Vollwert-Ernährung sehr ähnlich ist, wissenschaftlich überzeugende Nachweise. Beide Ernährungsformen basieren auf viel Gemüse, Obst und Hülsenfrüchten, (Vollkorn-)Getreideprodukten, Nüssen und einem moderatem Konsum von Milchprodukten, Fleisch und Fisch. Der aktuellen Forschung gelingt es jetzt immer besser, die molekularen Wirkmechanismen von Inhaltsstoffen der mediterranen Diät aufzuklären – vor allem für pflanzliche Polyphenole.

Alterungsprozesse können sich unter anderem durch neurologische Erkrankungen wie die unheilbare Alzheimer-Krankheit bemerkbar machen. Multimodale Ansätze, die Lebensstilfaktoren wie Ernährung, Bewegung und kognitive Stimulation integrieren, bieten nachweislichen Schutz vor Demenz. Gerade die Ernährung scheint eine wichtige Rolle bei der Prävention zu spielen. So existieren für die Ernährungsweise der mediterranen Diät, die in der Lebensmittelzusammenstellung der Vollwert-Ernährung sehr ähnlich ist, wissenschaftlich überzeugende Nachweise. Beide Ernährungsformen basieren auf viel Gemüse, Obst und Hülsenfrüchten, (Vollkorn-)Getreideprodukten, Nüssen und einem moderatem Konsum von Milchprodukten, Fleisch und Fisch. Der aktuellen Forschung gelingt es jetzt immer besser, die molekularen Wirkmechanismen von Inhaltsstoffen der mediterranen Diät aufzuklären – vor allem für pflanzliche Polyphenole.

Eine wichtige Rolle bei der Entwicklung einer Demenz spielen die Mitochondrien. Denn bei Über­ernährung, Stress oder Bewegungsmangel leisten sie durch die vermehrte Entstehung von schädigenden Sauerstoffspezies (engl. reactive oxygen species – ROS) Alterungs- und Krankheitsprozessen Vorschub. Polyphenole und deren Stoffwechselprodukte wirken der sogenannten mitochondrialen Dysfunktion ent­gegen und beugen so Alterungs- und demenziellen Prozessen im Gehirn vor.

Diabetes und Adipositas erhöhen das Risiko

Unter einer Demenz versteht man den dauerhaften Verlust kognitiver Funktionen. Sie äußert sich primär im Verlust von Erinnerungen und wird durch den kontinuierlichen Abbau von Nervenzellen im Gehirn verursacht. Die häufigste und wohl bekannteste Form dieses Gedächtnisverlustes stellt der Morbus Alzheimer dar. Im Laufe der letzten Jahrzehnte wurden einige Risikofaktoren definiert, die zur Entwicklung einer Demenz beitragen. So erhöhen unter anderem ein hohes Lebensalter, eine familiäre Vorbelastung oder Mutationen bestimmter Gene das Risiko für eine Demenz. Aber auch Vorerkrankungen wie Diabetes mellitus, Hypercholesterinämie und Adipositas spielen eine Rolle. In Deutschland sind heute rund 1,7 Millionen Menschen an Demenz erkrankt, bis 2050 wird ein Anstieg auf knapp drei Millionen prognostiziert.

Diagnose Alzheimer oft zu spät

Bei der Entwicklung der Erkrankung handelt es sich um einen schleichenden Prozess. Er kann sich über Jahrzehnte hinziehen, während sich die neurologischen Funktionen langsam verschlechtern. Die Diagnose ist heute durch moderne bildgebende Verfahren und die kognitive Testung recht sicher zu stellen. Betroffene bekommen jedoch in aller Regel erst davon etwas mit, wenn es bereits zu spät ist und der Nervenverlust einen kritischen Wert überschritten hat. Meist wird erst ab diesem Zeitpunkt die Alzheimer-Krankheit diagnostiziert.

Das Gehirn eines durchschnittlichen Erwachsenen trägt in etwa zwei Prozent zum gesamten Körpergewicht bei. Es beansprucht jedoch in etwa 25 Prozent der dem Körper zur Verfügung stehenden Glucose und 20 Prozent des eingeatmeten Sauerstoffs zur Energiegewinnung. Diese Energiegewinnung wird in erster Linie von den Mitochondrien bewerkstelligt. Tatsächlich stellt eine mitochondriale Dysfunktion eines der deutlichsten und frühesten Anzeichen einer Alzheimer-Demenz dar. Heute ist sich ein Großteil der wissenschaftlichen Gemeinschaft darüber einig, dass die Mitochondrien eine zentrale Rolle bei der Entwicklung einer Alzheimer-Demenz oder ähnlichen Erkrankungen wie Morbus Parkin­son spielen.

Ursache: zu viele reaktive Sauerstoffspezies

Eines der prominentesten Kennzeichen einer mitochondrialen Dysfunktion stellt ein Ungleichgewicht zwischen reaktiven Sauerstoffspezies und der körpereigenen antioxidativen Abwehr dar. Dies führt langfristig zu Schäden an zellulären Bausteinen wie Fetten und Proteinen sowie zu Mutationen der DNA. Gemeinsam tragen sie vermutlich zur Entwicklung einer Demenz und dem Verlust von Nervenzellen bei. Die Sauerstoffradikale sind Nebenprodukte der in den Mitochondrien lokalisierten Atmungskette. Sie spalten Glucose letztlich in Wasser und CO2, um auf diese Weise zelluläre Energie in Form von ATP (Adenosintriphosphat) bereitzustellen. Eine Anhäufung von ROS führt langfristig zu strukturellen und genetischen Veränderungen der Zelle und vor allem der Mitochondrien selbst.

Dem Körper stehen verschiedene antioxidative Abwehrsysteme zur Verfügung. Zum Beispiel sind die Enzyme Superoxid­dismutase und Katalase oder Nährstoffe wie Vitamin C und E daran beteiligt, die entstandenen ROS zu beseitigen. Verlagert sich dieses Gleichgewicht aus oxidativen Substanzen und antioxidativer Abwehr zugunsten der ROS, begünstigen diese jedoch einen beschleunigten zellulären Alterungsprozess. Gründe für dieses Ungleichgewicht können unter anderem eine genetische Vorbelastung, eine Vorerkrankung, ein schlechter Lebensstil oder ein hohes Lebensalter selbst sein.

Ungleichgewicht fördert Demenz

Lange galten ROS als unvermeidbares Übel der Energiegewinnung und als Hauptschuldige im Entwicklungsprozess diverser Krankheiten. Tatsächlich leisten sie jedoch einen wesentlichen Beitrag zur Erhaltung der zellulären Homöostase, dem Gleichgewicht der biochemischen Abläufe. Dazu teilen sie der Zelle mit, wie es um ihre Energieversorgung steht. Auf diese Weise kann die Zelle selbst möglichen Missständen entgegenwirken, indem sie defekte Mitochondrien repariert oder entsorgt (Mitophagie). Zwar kann den ROS eine physiologische Funktion zugeschrieben werden, nichtsdestotrotz tragen erhöhte Konzentrationen nicht nur zum Alterungsprozess bei, sondern auch zur Entwicklung einer Demenz.

Darüber hinaus ist bei einer Alzheimer-Erkrankung zusätzlich eine beeinträchtigte Funktion und Neubildung (Biogenese) von Mitochondrien zu beobachten. Diese sind jedoch von elementarer Bedeutung, um geschädigte Mitochondrien zu eliminieren und genetische Information zwischen den Mitochondrien und dem Zellkern auszutauschen. Die mitochondriale Biogenese kann durch verschiedene Einflüsse wie Kälte, Fasten oder den Lebensstil beeinflusst werden. Sie aktivieren regulatorische Proteine (Transkriptionsfaktoren), die die mitochon­driale Biogenese steuern. Ein Defizit dieser wichtigen Transkriptionsfaktoren ist sowohl bei Alzheimer-Erkrankten als auch beim physiologischen Alterungsprozess bekannt.

Polyphenole im Fokus der Forschung

Medikamentöse Strategien zur Behandlung der Alzheimer-Demenz scheiterten wiederholt. Dagegen rückt in den letzten Jahren die Aufrechterhaltung der mitochon­drialen Funktion über Faktoren wie den Lebensstil und die Ernährung als präventive Maßnahme verstärkt in den Fokus der Forschung. Hierunter fallen auch die Polyphenole, die unter anderem für die Farbe vieler pflanzlicher Lebensmittel verantwortlich sind. Diese sekundären Pflanzenstoffe stehen als präventive Nahrungsinhaltsstoffe immer stärker im Blick der Wissenschaft. Auch in unseren Laboren wird daran geforscht. Der Körper benötigt die Stoffe zwar nicht für einen physiologisch reibungsfreien Stoffwechsel, aber er kann dennoch von ihnen profitieren.

Neben Omega-3-Fettsäuren sind es vor allem auch die Polyphe­nole, denen die mediterrane Diät ihren positiven Nutzen verdankt. Zu finden ist diese Substanzgruppe von mehr als zehntausend Einzelverbindungen vor allem in diversen Obst- und Gemüsesorten wie Äpfeln, Beeren, Oliven, Zwiebeln oder Tee, wo sie verschiedenste Funktionen erfüllen. So schützen sie die Pflanzen zum einen durch ihre milde Toxizität vor Fressfeinden, durch ihre antioxidativen Eigenschaften jedoch auch vor UV-Strahlen.

Lange galt die Hypothese, dass der Körper durch eine verstärkte Aufnahme von Polyphenolen mit ihren antioxidativen Eigenschaften besser in der Lage wäre, ROS zu neutralisieren. Auf diese Weise könnte folglich der Entstehung von Zellschäden sowie der damit verbundenen Entwicklung von Krankheiten entgegengewirkt werden. Dieses Konzept wird jedoch von einer neuen These immer mehr in Frage gestellt: dem Konzept der Hormesis.

Studien bestätigen neue Hypothese

Edward Calabrese, ein amerikanischer Toxikologe an der University of Massachusetts, argumentiert, dass hohe Konzentrationen eines Stressors oder Giftes den Körper zwar schädigten, eine geringe Konzentration jedoch zur Aktivierung körpereigener Abwehrmechanismen führe. Zwar ist es unumstritten, dass Polyphenole ein gewisses antioxidatives Potenzial besitzen. Fraglich bleibt jedoch, ob dieses ausreicht – selbst bei einer polyphenolreichen Diät – die ROS-Spiegel zu beeinflussen. Calabrese argumentiert, dass es in der Tat nicht die direkte antioxidative, sondern vielmehr die leicht toxische Wirkung der Polyphenole sei, der die gesundheitsfördernde Wirkung zugeschrieben werden müsse. Denn diese aktivierten körpereigene Schutzmechanismen.

Sekundäre Pflanzenstoffe wie die Polyphenole haben zusätzlich einen positiven Einfluss auf die Biogenese von Mitochondrien sowie die Aufrechterhaltung deren Dynamik. Polyphenole wie Oleuropein aus der Olive oder Resve­ratrol aus der Traube sind hierbei in der Lage, Signalkaskaden anzustoßen, die zur Bildung neuer Mitochon­drien führen.

Ergebnisse unserer eigenen Forschung belegen diese These. In einer Untersuchung aus dem Jahr 2018 sowie einer noch laufenden Studie untersuchten wir den Effekt verschiedener Phenolsäuren, einer Unterfamilie der Polyphenole, auf die mitochondriale Funktion. Im Fokus stand dabei insbesondere der Zusammenhang zwischen Energiestoffwechsel und dem Alterungsprozess, der bekanntlich als Hauptfaktor bei der Entstehung altersspezifischer Erkrankungen wie der Alzheimer-Demenz gilt. Zwar konnten wir keinen wesentlichen Effekt auf die Mitochondrien als Hauptproduzenten für besagte ROS feststellen. Eine Wirkung zeigte sich jedoch auf eine verlängerte Lebenserwartung in verschiedenen Modellorganismen wie Fadenwürmern und Mäusen. Weiterhin konnten unsere Studien zeigen, dass die Fütterung mit Polyphenolen aus Oliven die Lebensspanne verlängerte, den ATP-Spiegel im Gehirn erhöhte und die Gedächtnisleistung gealteter Labormäuse verbesserte.

Mit Vollwert-Ernährung vorbeugen

Übertragen auf den Menschen bedeutet das, dass wir sehr wohl einen Einfluss auf die Entwicklung einer Alzheimer-Demenz nehmen können. Zwar lässt sich über eine ausgewogene Ernährung wie die Vollwert-Ernährung, die reich an Gemüse und Obst mit ihren Polyphenolen ist, eine Alzheimer-­Demenz nicht behandeln oder heilen, wohl aber einen positiven Einfluss auf den Zeitpunkt und den Verlauf der Diagnose nehmen. Durch einen gesunden Lebensstil sind wir in der Lage, den Alterungsprozess zu verlangsamen und so einige beschwerdefreie Jahre im Alter dazu zu gewinnen. Darüber hinaus beschränkt sich der positive Einfluss einer gesunden Ernährung natürlich nicht nur auf die Entwicklung einer Demenz, sondern wirkt sich auch auf die meisten anderen altersbedingten Erkrankungen sowie den allgemeinen Gesundheitszustand positiv aus.

Auch wenn Polyphenole alleine nicht der Behandlung einer Alzheimer- Demenz dienen können, leisten sie dennoch einen wesentlichen Beitrag, gesünder zu altern und den Lebensabend aktiver genießen zu können.

Bild © Markus Mainka/stock.adobe.com

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