Die Lymphe: Unverzichtbar fürs Immunsystem

Das Lymphsystem übernimmt im Stoffwechsel lebensnotwendige Aufgaben und ist doch kaum bekannt. Vor allem für die Arbeit des Immunsystems ist es unverzichtbar. Mit ein bisschen Know-how lässt sich das wichtige Filter- und Ableitungssystem ankurbeln.

Haben Sie schon einmal jemanden sagen hören: „Ich habe Wasser in den Beinen.“ Oder: „Meine Lymphknoten am Hals sind ganz angeschwollen, ich hoffe, ich werde nicht krank.“ Diese anatomischen Veränderungen hängen mit dem Lymphsystem zusammen. Wenn es durch das Auftreten von Beschwerden zu spüren ist, arbeitet es gerade auf Hochleistung.

Das Lymphsystem ist ein Netz aus Gefäßen und untrennbar mit dem Blutkreislauf verbunden. Wie das Wurzelgeflecht eines Baumes, liegen haarfeine Lymphkapillaren wie ganz kleine Wurzeln im Gewebe, werden immer größer, bis sie zu Lymphstämmen zusammenfließen. Die Lymphstämme leiten die Lymphflüssigkeit an den rechten und linken Venenwinkel, an dem sich die großen Venen zu einer vereinigen. Von dort gelangt die Lymphe schließlich ins Blut. Die Venenwinkel befinden sich anatomisch etwa unter den beiden Schlüsselbeinen....

Lymphknoten als Filter

Der Zusammenschluss mehrerer kleiner Lymphgefäße erfolgt oft an den Lymphknoten. Verteilt über den ganzen Körper gibt es etwa 600 bis 700 Knoten, die zwischen 3 und 30 Millimeter groß und im Fett- oder Bindegewebe eingebettet sind. Sie üben eine besondere Filter-funktion aus und sind für die Aktivierung von bestimmten weißen Blutkörperchen, den Lymphozyten, zuständig; zudem enthalten sie Makrophagen, auch als Fresszellen bekannt. Beide Zelltypen erfüllen wichtige Aufgaben im Immunsystem.

Verschiedene Organe beziehungsweise lymphatische Gewebe arbeiten eng mit dem Lymphsystem zusammen. Dazu zählen die Mandeln, die Milz und die Thymusdrüse. Die Mandeln mit ihrem hohen Gehalt an weißen Blutkörperchen kontrollieren als Wächter die über Nase, Mund, Ohren und Augen eindringenden Krankheitserreger. Die Milz reinigt das Blut, indem sie alte, beschädigte und nicht mehr funktionstüchtige Zellen entfernt und abbaut. In ihr reifen zudem die sogenannten T-Lymphozyten aus; auch Vorstufen von Makrophagen werden dort gebildet, die dann in die Lymphbahnen gelangen. Die Thymusdrüse spielt nur in der Kindheit als Bildungsort für T-Lymphozyten eine Rolle. Bei Erwachsenen bildet sie sich weitgehend zurück.

Die Darmwand stellt eine riesige Oberfläche zur Außenwelt dar. Deshalb liegt in ihr ein dichtes Geflecht von Lymphknoten und Lymphfollikeln, um den Körper vor Krankheitserregern und Fremdkörpern zu schützen. Lymphfollikel sind kugelige Kolonien von B-Lymphozyten, in denen die Vermehrung und Differenzierung der B-Lymphozyten zu Plasmazellen stattfindet. Dieses Gewebe nennt man darmassoziiertes, lymphatisches Gewebe (GALT), zu dem auch die im Dünndarm angelagerten Peyer-Plaques gehören.

Abwehr und Entwässern

Das Lymphsystem ist als Teil des Immunsystems dafür verantwortlich, dass möglichst keine Krankheitserreger und Fremdstoffe ins Blut gelangen. Es leitet zur Reinigung des Gewebes alles ab, was durch den Blutkreislauf nicht abtransportiert werden kann. Auch für die Regelung des Flüssigkeitshaushalts ist die Lymphe zuständig. Zwischen den Körperzellen besteht ein reger Stoffaustausch. Dieser Austausch findet zwischen drei Flüssigkeitsräumen statt: den Blutkapillaren (kleinste Verästelungen der Arterien und Venen), dem Zellzwischenraum (interstitieller Raum) und den Zellen. Von den Kapillaren werden überlebenswichtige Stoffe in den interstitiellen Raum gebracht, von wo sie in die Zellen gelangen. Umgekehrt geben die Zellen Abfallstoffe an den Zellzwischenraum ab, die die Kapillaren aus dem Gewebe abtransportieren.

Durch den hohen Gehalt von Eiweiß im Blut wird das Wasser durch den dadurch entstehenden osmotischen Sog in den Blutkapillaren gehalten. Trotzdem treten bei diesem Austausch gewisse Mengen an Flüssigkeit und Zellen in den interstitiellen Raum über. So können pro Tag etwa zwei bis fünf Liter in das Gewebe gelangen. Bei körperlicher Belastung steigt die Menge wegen der erhöhten Stoffwechselleistung sogar auf 20 bis 25 Liter an. Damit unser Gewebe nicht anschwillt, transportiert die Lymphe dieses Wasser ab und wird daher auch als Drainagesystem bezeichnet. Ein großer Teil der Flüssigkeit wird in den Lymphknoten rückresorbiert, gereinigt und ins Blut abgegeben; der Rest gelangt in den Venenwinkeln wieder ins Blut. Unter normalen Bedingungen tritt kaum eine messbare Volumenschwankung auf, obwohl bis zu fünf Liter filtriert werden. Erst eine Zunahme von etwa 100 Prozent des Normwertes macht sich als interstitielles Ödem klinisch bemerkbar.

Lymphatische Last

Mit der Flüssigkeit transportiert die Lymphe außerdem alle Stoffe und Zellen ab, die nicht im interstitiellen Raum bleiben sollen, aber aufgrund ihrer Größe oder ihrer Menge nicht durch die Kapillaren abtransportiert werden können. Das sind zum Beispiel Eiweiße, Fette, Stoffwechselabbauprodukte, Zellbruchstücke, Blut-oder Krebszellen. Außerdem werden körperfremde Stoffe wie Bakterien, Viren, Ruß oder Schmutzpartikel wie Tätowiertinte entfernt und so vom Blutsystem ferngehalten. Zusammengefasst wird dies als lymphpflichtige Last bezeichnet, die aus dem Gewebe abtransportiert werden muss.

Im Bereich des Darms kommt die nächste wichtige Aufgabe hinzu: Hier werden Fette und fettlösliche Vitamine als sogenannte Chylomikronen zusammengefasst. Sie können aufgrund ihrer Größe nicht in die Blutkapillaren des Darms aufgenommen werden und wandern durch die Darmwand in die Lymphe, bis sie schließlich ins Blut gelangen.

In den Lymphbahnen kommen Immunzellen wie Lymphozyten, Leukozyten und Makrophagen zum Einsatz, um die Lymphe vor dem Übertritt ins Blut zu reinigen. Vor allem in den Lymphknoten sitzt eine geballte Ladung immunaktiver Zellen, die Krankheitserreger, Abfallprodukte und Fremdkörper bei der Passage durch den Knoten unschädlich machen und herausfiltern. Die Fließgeschwindigkeit der Lymphe ist hier deutlich verlangsamt, die Passage durch die Lymphknoten dauert bis zu 20 Minuten. Ohne diese Reinigung könnten sonst aus dem Gewebe transportierte Schadstoffe und Erreger über das Blut mit wenigen Herzschlägen im ganzen Körper verteilt werden. Die Hochleistungsarbeit der Lymphknoten am Hals oder in den Mandeln erkennt man daran, dass sie anschwellen oder sich entzünden, wenn ein Infekt im Anmarsch ist.

Atmen regt die Lymphe an

Das Lymphsystem kann nicht bewusst beeinflusst werden, lässt sich aber durch äußere Reize aktivieren. Dazu gibt es viele einfache, alltagstaugliche Möglichkeiten. Die wichtigste Unterstützung des Lymphflusses ist Bewegung. Bei abends angeschwollenen Beinen oder Füßen hilft ein Spaziergang. Der Mechanismus der Gelenk- und Skelettmuskelpumpen wirkt auf die tiefen Lymphbahnen zwischen den Muskeln. Die oberflächlichen Bahnen sind dadurch kaum beeinflussbar, obwohl diese an den Extremitäten eine größere Rolle im Abtransport spielen als das tiefe System. Zusätzlich wird das venöse System angeregt, es findet eine bessere Rückresorption von Wasser statt, wodurch eine geringere lymphpflichtige Wasserlast entsteht. Bewegung aktiviert zudem stets die Pulsation von Arterien, die den Lymphfluss benachbarter Lymphgefäße anregt.

Auch tiefes Atmen ist förderlich. Der Sog des Zwerchfells beim Ausatmen aktiviert die Lymphgefäße der Bauchorgane. Das Gute: Atemübungen lassen sich überall und jederzeit durchführen. Weitere physikalische Unterstützung bekommt die Lymphe durch Wassertreten (Kneippen), Kalte- oder Wechselgüsse oder Trockenbürsten der Haut. Schwimmen und Saunagänge fördern einen vermehrten Lymphfluss und unterstützen so die Reinigung des Gewebes.

Flüssigkeit unterstützt

Ausreichend trinken ist das A und O für ein gutes Drainagesystem. Die Blutgefäße führen so mehr Flüssigkeit und es kann ein reger Stoffaustausch stattfinden, wodurch Fremdstoffe und Krankheitserreger abtransportiert und durch das Immunsystem in der Lymphe eliminiert werden. Auch die Ernährung kann die Reinigung des interstitiellen Raums durch die Lymphe unterstützen. Eine moderate Proteinzufuhr ist wichtig für das Gleichgewicht der Flüssigkeitsräume. Außerdem kann das Gewebe durch ausreichend basische Valenzen wie Gemüse, Obst und Nüsse durchlässig und flexibel gehalten werden. Es wird vermutet, dass das Gewebe durch eine stark säurebildende Ernährung „verklebt“, das heißt der interstitielle Raum wird durch Säureablagerungen schlechter durchlässig. Dadurch kann die Lymphe nicht mehr so gut Fremdstoffe und Krankheitserreger aus dem Zellzwischenraum abtransportieren. Regelmäßiges Fasten oder Intervallfasten trägt zur Entgiftung des Körpers bei und erleichtert die Arbeit der Lymphe.

Am effektivsten lässt sich die Lymphe jedoch durch Lymphdrainage aktivieren. Bei dieser speziellen Massage wird durch die Verschiebung der Haut der Lymphfluss bis auf das Zehnfache verstärkt. Der Effekt kann bis zu zwölf Stunden anhalten. Am besten führt die Behandlung ein Physiotherapeut oder eine ausgebildete Fachkraft für Lymphdrainage durch. Sie kennen auch mögliche Kontraindikationen und können zu dem Thema beraten. Es gibt inzwischen auch Lymphkliniken, die auf diese Thematik spezialisiert sind. Eine andere Möglichkeit sind Geräte, die eine Drainage an den Extremitäten durchführen können und in immer mehr Gesundheitszentren zu finden sind. Neben der Reinigung wirkt sie entspannend und wohltuend. Besonders in den Wintermonaten ist es wichtig, die Abwehrkräfte mit einem gesunden Lymphsystem gegen Krankheitserreger aktiv zu unterstützen. Denn bei kalten Temperaturen ist es weniger aktiv als bei warmen.

Bild © Alexander Raths/123RF.com

Stichworte: Lymphsystem, Immunsystem, Abwehrkräfte, Lymphknoten, Entwässern, Lymphdrainage, Lymphe


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