Natürliche Süße mit Charakter

Wenn es um den Genuss beim Essen geht, dann stehen für viele der süße Geschmack und damit süße Speisen ganz hoch im Kurs. Dabei geht es auch ohne hochverarbeiteten Industriezucker. Als Alternativen hat die Vollwertküche einiges zu bieten.

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Quasi als krönendes i-Tüpfelchen einer Mahlzeit darf ein süßes Getränk, Dessert oder Gebäck nicht fehlen. Die Vollwert-Ernährung rät zu regionalen, ökologisch erzeugten und gering verarbeiteten Lebensmitteln. Ideal ist es demnach, auf die natürliche Süße von heimischen Früchten oder eingeweichten, ungeschwefelten Trockenfrüchten zurückzugreifen. Allerdings sind diese nicht für jede küchentechnische Verarbeitung gleich gut geeignet. Daher stellt sich die Frage, welche der vielen alternativen Süßungsmittel auf dem Markt noch für die Verwendung in der Vollwertküche empfohlen werden können.

Aroma spart Menge

In ihrer Herkunft und Konsistenz durchaus recht unterschiedlich, zeichnet die natürlichen Süßungsmittel gemeinsam aus, dass sie nicht einfach nur süß schmecken. Sie alle haben zusätzlich ein ganz charakteristisches Aroma, das man wie bei Gewürzen in Speisen und Getränken gezielt einsetzen kann. Mit dem Ergebnis, dass sie den Geschmack der Gerichte über das Süße hinaus bereichern. Oft sind dadurch auch kleinere Mengen an Süßungsmitteln ausreichend. Ein Pluspunkt, denn auch die naturnahen Süßungsmittel enthalten ähnlich viele Kalorien wie die raffinierten Produkte und sollten nur in kleinen Mengen zum Einsatz kommen. Ein einfacher Eins-zu-eins-Austausch, also die gleiche Menge Ahornsirup statt Zucker, kommt meist nicht in Frage. Vielmehr bedarf es etwas Know-how, ein bisschen Fingerspitzengefühl und letztendlich Erfahrung, um die Zuckeralternativen zufrieden-stellend einzusetzen. Am besten ist es, jeweils Produkte in Bio-Qualität zu verwenden.

Süßes von der Biene

Honig hat eine lange Tradition und ist Bestandteil verschiedener Esskulturen. Von den in der Natur vorkommenden süßen Lebensmitteln hat er den höchsten Anteil an Süßkraft und besteht vorwiegend aus Frucht- und Traubenzucker. Je nachdem, welche Blüten den Bienen Nektar und Pollen geliefert haben, erhält der Honig sein charakteristisches Aroma. Akazien-, Orangen-, Lavendel- und Lindenblütenhonig sind nur eine kleine Auswahl der angebotenen Sorten. Sie unterscheiden sich farblich und in ihrer flüssigen bis cremig-zähflüssigen Konsistenz. Enzyme im nicht-wärmebehandeltem Honig gilt in der Vollwert-Ernährung als sehr empfehlenswert. Denn als Bienenprodukt enthält Honig viele Enzyme und andere gesundheitsfördernde Substanzen, die temperaturempfindlich sind. Aus diesem Grund sollte dieser Honig auch nur unerhitzt in der Küche zum Einsatz kommen. Wärmebehandelter Honig bleibt noch eingeschränkt empfehlenswert. Er lässt sich zum Beispiel gut zum Backen und Karamellisieren einsetzen.

Bei der Verwendung von nicht-wärmebehandeltem Honig können die darin noch aktiven Enzyme die stärkebasierten Bindungen von Cremes, Soßen und Puddings etc. wieder lösen. Für diese Zubereitungen ist es besser, entweder wärmebehandelten Honig oder andere Süßungsmittel einzusetzen. Honig neigt dazu, beim Erhitzen zu karamellisieren. Daher werdem die mit Honig gesüßten Backwaren schneller braun und von der Konsistenz eher kross.

Bei unerhitztem Honig kann niemand garantieren, dass er keine Bakterien enthält. Daher sollten Kinder bis zum ersten Lebensjahr keine Speisen mit diesem Süßungsmittel bekommen. Die Darmflora der Säuglinge ist noch nicht so stabil, dass sie eine wirksame Barriere für die Besiedelung durch ungünstige Bakterien bieten kann.

Dicksäfte aus Früchten

Für die Herstellung von süßen Dicksäften und Sirupen werden die entsprechenden Pflanzensäfte eingedickt. Das heißt, unter Wärmeeinwirkung wird vor allem Äpfeln und Birnen Wasser entzogen. Dadurch entstehen dünne bis zähe Flüssigkeiten mit einer hohen Konzentration ihres charakteristischen Zuckergehalts und dem damit verbundenen Aroma. Trotz Wasserentzug besitzen sie einen höheren Feuchtigkeitsanteil als Zucker. Daher sollten die in den Rezepten vorgesehenen Flüssigkeitsmengen reduziert werden, um ein gutes Backergebnis zu bekommen.
Apfel- und Birnendicksäfte weisen einen hohen Anteil an Fruchtzucker auf. Sie sind unter den natürlichen Süßungsmitteln sicherlich diejenigen, die nach Früchten und Honig für die Vollwert-Ernährung am ehesten empfehlenswert sind. Denn Äpfel und Birnen für den eingedickten Saft können regional erzeugt und verarbeitet werden. Auch lassen sich so Überangebote an Obst sinnvoll verwenden.

Sirup aus der Wüste

Dicksaft wird auch aus dem Saft der mexikanischen Agave gewonnen, die mit einem bis zu zwölf Meter hohen Fruchtstand beeindruckt. Agavendicksaft besteht im Wesentlichen aus Fruchtzucker, der eine etwas stärkere Süßkraft als normaler Haushaltszucker hat und daher geringer dosiert werden kann. Von den aufgeführten natürlichen Süßungsmitteln hat er den geringsten Eigengeschmack und eignet sich als dezente, nicht vorschmeckende Süße. Aus ökologischer Sicht ist er wegen der langen Transportwege im Vergleich zu den Obstdicksäften allerdings die schlechtere Wahl.

Süßkraft von Bäumen

Aus dem Saft des nordamerikanischen Zuckerahorns wird der dünnflüssige Ahornsirup hergestellt. Je nach Erntezeitpunkt fällt seine Farbe hell bis dunkel und sein Aroma mild bis kräftig aus. Der in den USA und Kananda sehr beliebte Sirup schmeckt charakteristisch nach Karamell und harmoniert beispielsweise hervorragend mit Teigen und Nüssen. Traditionell essen Nordamerikaner Ahornsirup gern zu Frühstückswaffeln oder Pfannkuchen. Auch hier fällt die Beurteilung aufgrund der langen Transportwege in ökologischer Hinsicht weniger gut aus. Ähnlich wie bei Agavensaft ist die Herstellung zudem energieaufwendiger als bei Fruchtdicksäften aus heimischen Gefilden.

Weniger bekannt ist Reissirup. Ihn gewinnt man aus gemahlenem Reis, der mit Wasser und Enzymen erwärmt wird. Im Zuge der Fermentation wird die Reisstärke in Mehrfachzucker, Malzzucker und Traubenzucker aufgespalten. Nach dem Herausfiltern der festen Bestandteile wird die Flüssigkeit wiederum eingedickt. Durch den hohen Anteil an Mehrfachzuckern schmeckt Reissirup weniger süß; sein Aroma erinnert dezent an Nüsse. Da Reissirup im Gegensatz zu den anderen Süßungsmitteln keine Saccharose und keinen Fruchtzucker enthält, können auch Menschen mit einer Fruchtzucker-Unverträglichkeit ihn gut zum Süßen nutzen. Dementsprechend setzen ihn die Hersteller auch in speziellen Lebensmitteln für diese Zielgruppe ein.

Lecker und vollwertig süßen

Honig ist als Brotaufstrich, für Müslis, Getreidebrei oder warme Getränke in der Vollwertküche besonders beliebt. Er rundet lieblich-würzige Dressings, zum Beispiel zusammen mit Senf oder Meerrettich, geschmacklich perfekt ab und eignet sich zum Glasieren und Karamellisieren von stärkehaltigen Gemüsen, Braten u. a.

Apfel- und Birnendicksaft ist als süßer Brotbelag oder für süße Getreidegerichte bestens geeignet. Sie schmecken lecker als fruchtig-süße Komponente für süß-saure Gerichte, zum Beispiel mit Sauerkraut, und runden süße Auflaufgerichte und Obstkuchen aromatisch ab.

Agavendicksaft verfeinert säuerliche Obstdesserts ebenso wie Milchshakes oder Smoothies. Zum Süßen von Heißgetränken, Joghurts und süß-fruchtigen Dressings ist er aufgrund des geringen Eigengeschmacks ideal.

Ahornsirup schmeckt in süßen Backwaren und passt in süße Desserts und Shakes. Auch zum Glasieren von Braten oder stärkehaltigen Gemüsen wie Möhren, kleinen Kartoffeln oder Süßkartoffeln ist er geeignet.

Reissirup kann als Brotaufstrich solo oder mit Kakao und Nüssen handelsgängige Nuss-Nougat-Cremes ersetzen. Er ist ebenso zum Süßen von Müsli und Milchprodukten zu verwenden und besonders bei Fruchtzuckerunverträglichkeit geeignet.

Vollrohrzucker und Vollrübenzucker bieten sich als volumengebende Zutat in Backwaren an. Sie eignen sich auch gut zur Herstellung von Crunchy-Müsli oder Müsliriegeln, zur Karamellisierung von Walnüssen oder Mandeln für Gebäcke und Desserts.

Zuckerrübensirup wird gerne als Brotaufstrich oder regional zu Reibekuchen gegessen. Traditionell süßt und färbt er Weihnachtsgebäck, Pumpernickel und Soßen (z. B. zum Rheinischen Sauerbraten).

Öko-Zucker-Varianten

Um den kristallinen Vollrohrzucker herzustellen, wird Zuckerrohr mechanisch ausgepresst. Der gewonnene Saft wird zunächst nach dem Pressen separiert und gefiltert. Durch Kochen dickt er zu Sirup ein und wird anschließend getrocknet und gemahlen. Das Endprodukt ist ein grobes Pulver, das dazu neigt, in der Verpackung Klumpen zu bilden. Chemische Substanzen, wie in der Produktion von raffiniertem weißen Zucker, kommen hier nicht zum Einsatz.

Weltweit werden 80 Prozent des Zuckers aus Zuckerrohr produziert. Deutschland gehört dagegen zu den Hauptproduzenten von kristallinem Rübenzucker, der sich chemisch nicht von Rohrzucker unterscheidet. Dafür werden die Wurzelknollen der Zuckerrübe geschnetzelt, ihr Saft ausgepresst, eingedickt und die Zuckerkristalle unter Zusatz verschiedener Stoffe isoliert. Der Rübenzucker wird hauptsächlich in der Lebensmittelproduktion eingesetzt, in Bio-Qualität auch in vielen gesüßten Bio-Produkten. Als Süßungsmittel wird er im Bio-Einzelhandel viel seltener angeboten als der Rohrzucker. Bekannter ist da schon der dunkelbraune Zuckerrübensirup, auch Rübenkraut genannt. Er wird in den ersten Schritten ähnlich hergestellt wie der Rübenzucker, enthält jedoch noch alle löslichen Bestandteile der Zuckerrübe, die ihm auch seine markante Farbe und den leicht bitteren Nachgeschmack verleihen.

Aufgrund des geringeren Verarbeitungsgrades sind Vollrohr-, Vollrübenzucker und -sirup in kleinen Mengen für die vollwertige Ernährung gerade noch empfehlenswert. Rohrohrzucker und Brauner Zucker gelten dagegen als nicht empfehlenswert. Aufgrund der heimischen Produktion und der kürzeren Transportwege ist Vollrübenzucker als ökologisch-nachhaltiger einzustufen als Vollrohrzucker.

Weniger süß als Ziel

In der Vollwert-Ernährung geht es vor allem um das Absenken einer überhöhten Geschmacksschwelle für süß. Die alternativen Süßungsmittel sollten daher ebenfalls mit Bedacht und nur in Maßen zum Einsatz kommen – dafür mit viel Genuss.

Quelle: UGB-FORUM 3/2013, S. 121-123
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