Lust auf Linsen

„Die Linsen, wo sinsen?“, beginnt ein alter Kinderreim. „Im Dippen, sie hippen“ – geht es weiter – und das in immer mehr Kochtöpfen. Denn die gesunden Hülsenfrüchte sind unglaublich vielseitig und lecker.

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Bei den runden, fast scheibenförmig flachen Linsen handelt es sich um die Samen einer der ältesten Kulturpflanzen Lens. Schon im Alten Testament wird berichtet, Esau, der Sohn Isaaks, habe sein Erstgeburtsrecht für ein Linsengericht an seinen jüngeren Bruder Jakob verkauft - ganz sicher ein Hinweis darauf, wie unwiderstehlich groß der Appetit auf Linsen sein kann. Die zu den Schmetterlingsblütlern gehörende Hülsenfrucht wird in Deutschland heute nur noch in kleinen Mengen angebaut. Ihre Ernteerträge sind zu gering, um den Anbau wirtschaftlich lohnend zu machen. Der Stickstoffsammler gedeiht gut auf kargen Böden beispielsweise in Niederbayern und auf der Schwäbischen Alb, wo die bekannte Alblinse herkommt. Die meisten Linsen, die bei uns auf dem Teller landen, stammen jedoch aus der Türkei, den USA und Kanada. Deutsche und französische Ware findet man noch am ehesten beim Bioangebot.

Kleine Kraftpakete

Wie alle Hülsenfrüchte sind Linsen echte Eiweißpakete. Mit ihren 24 Prozent sind sie nicht nur für Veganer eine wichtige Proteinquelle. Da Linsen nicht alle essenziellen Aminosäuren enthalten, ist es sinnvoll, sie in der Küche mit Getreide zu kombinieren. Zahlreiche traditionelle Gerichte zeigen, wie das gelingt, beispielsweise die legendären schwäbischen Linsenspätzle, indisches Linsencurry mit Reis oder deutscher Linseneintopf mit einer Scheibe Brot. Mehr als die Hälfte einer Linse besteht aus Kohlenhydraten, der Fettanteil ist dagegen mit nur etwa 1,4 Prozent verschwindend gering. Doch nicht nur das: Die unscheinbaren Samen warten auch mit reichlich Eisen, Kalium, Magnesium und Calcium auf und liefern die Vitamine A, B1, B6 und E. Mit rund 10 Gramm Ballaststoffen pro 100 Gramm bieten sie zwar weniger der unverdaulichen Nahrungsbestandteile als andere Hülsenfrüchte, ein gut gefüllter Teller Linseneintopf kann aber bereits ein Viertel des Tagesbedarfs von 30 Gramm decken. Auch die Liste an bioaktiven Substanzen wie Saponinen, Flavonen und Phenolsäuren kann sich sehen lassen. Sie tragen zu dem hohen antioxidativen Potenzial und dem cholesterinsenkenden Effekt der Hülsenfrucht bei. Linsen sollten daher in einer herzgesunden Kost nicht fehlen. Selbst den lange Zeit als schädlich eingestuften Protease-Inhibitoren und Lektinen werden heute positive Eigenschaften zugeschrieben. Sie sollen den Blutzuckerspiegel regulieren und die Krebsentstehung erschweren. Durch Erhitzen werden diese in größeren Mengen unbekömmlichen Inhaltsstoffe allerdings größtenteils zerstört.

Richtig garen

Der hohe Gehalt an unverdaulichen Kohlenhydraten ist für den Ruf als schwere Kost verantwortlich und kann Blähungen verursachen. Bekömmlicher werden Linsen, wenn man sie vorher einweicht oder keimt. Deshalb macht es durchaus Sinn, auch die Sorten, die laut Packungsaufdruck nicht eingeweicht werden müssen, vor dem Kochen gründlich zu wässern. Anschließend werden die Linsen je nach Sorte in 15 bis 30 Minuten gar gekocht. Sehr hartes Leitungswasser, Salz und Säure können das Weichwerden erschweren. Besser ist es daher, die Gerichte erst nach dem Garen zu salzen und mit Essig oder Wein abzuschmecken. Getrocknete Gewürze wie Lorbeer, Kümmel oder Kreuzkümmel können dagegen durchaus mitkochen. Sie geben dann ihr würziges Aroma an die mehligen Samen weiter.

Kleine Sortenkunde

Beluga-Linsen
Klein, rund und glänzend schwarz erinnert die Beluga-Linse an Kaviar. Ihr nussartiges Aroma und die festere Konsistenz passen in Salat oder als Beilage.
Puy Linsen
Aus Frankreich kommen die etwas kleineren, oliv-grünen Linsen. Sie haben nach dem Kochen noch Biss – ideal für feine Linsensalate und Gemüse- oder Reispfannen.
Berglinsen
In Italien und der Türkei wachsen die aromatischen, braunen Berglinsen. Sie sind etwas kleiner als Tellerlinsen und lecker in Suppen, Bratlingen und als Keimlinge.
Tellerlinsen
Die preiswerten grün-braunen Tellerlinsen stecken in den meisten Konserven. Sie sind leicht mehlig und die richtige Wahl für Eintöpfe, Aufläufe und Brotaufstriche.
Rote Linsen
Sie sind ideal für die schnelle Küche. Da sie geschält in den Handel kommen, verkochen sie innerhalb weniger Minuten zu einem sämigen Brei.
Gelbe Linsen
Die gelben kommen wie die roten Linsen geschält in den Handel und zerfallen beim Kochen. Praktisch für Suppen und Soßen.

Schwarz, rot, gelb

Es gibt unzählige Linsensorten von gelb über rot, grün und braun bis schwarz. Vor allem in Indien, wo die Hülsenfrucht nahezu täglich auf den Tisch kommt, ist die Vielfalt enorm. Hierzulande bieten vor allem Naturkostläden eine größere Auswahl. Dort gibt es viele verschiedene Linsensorten zu entdecken, die sich in Größe und Farbe unterscheiden. Da das Aroma vor allem in der Schale sitzt, sind kleinere Sorten meist geschmacksintensiver als größere. Getrocknete Linsen sind jahrelang haltbar, müssen allerdings trocken, kühl und dunkel gelagert werden. Je älter sie sind, desto trockener werden sie, deshalb brauchen ältere Linsen meist mehr Wasser und müssen länger gekocht werden, als vielleicht im jeweiligen Rezept angegeben.

Raffiniert gewürzt

Linsen lassen sich ganz vielfältig variieren, sodass es sich lohnt, immer wieder einmal neue Kombinationen auszuprobieren. Im Nahen und Mittleren Osten zum Beispiel werden Linsensuppen oft mit Kreuzkümmel, Curry, Zitronensaft und Koriander gewürzt. Für einen Hauch Exotik sorgen Ingwer und Kokosmilch. Aus weichgekochten Linsen lassen sich mit fein gehackten Zwiebeln und Kräutern sowie etwas Grieß oder Vollkornmehl leckere Brat­linge herstellen. Und mit Essiggurken und Majoran abgeschmeckt verwandelt sich die Hülsenfrucht zu einem sämigen Brotaufstrich. Last but not least sind noch die knackigen Linsensprossen zu erwähnen, die so manches Gericht um wertvolle Nährstoffe bereichern können. Sie lassen sich aus eingeweichten Linsen, die täglich gespült werden, ganz einfach auf der Fensterbank ziehen. Mit unseren praktischen Zubereitungstipps gelingen die Früchtchen aus der Hülse garantiert besser als am Ende des eingangs zitierten Kinderreims: „Sie kochen vier Wochen und sind noch wie Knochen.“

Quelle: Erckenbrecht, I.: UGBforum 5/14, S. 233-234