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Zitronensäure: Auf den Zahn gefühlt

Sie ist in Lebensmitteln aus dem Supermarkt fast allgegenwärtig. Zitronensäure ist einer der wichtigsten Zusatzstoffe der Nahrungsindustrie. Die Substanz selbst ist eigentlich harmlos. Doch durch ihre künstliche Herstellung und den großindustriellen Einsatz ist sie längst zu einem Problem für die Volksgesundheit geworden.

Zitronrsäure-Flasche

Zitronensäure kann die Zähne angreifen und dazu führen, dass der Zahnschmelz aufgelöst wird. Weil sie die Blut-Hirn-Schranke leicht durchqueren kann, kann sie auch das Leichtmetall Aluminium ins Gehirn transportieren. Das Metall steht im Verdacht langfristig die Geistestätigkeit zu beeinträchtigen, Lern- und Gedächtnisstörungen hervorzurufen, aber auch bei sogenannten neurodegenerativen Erkrankungen wie Morbus Alzheimer oder Morbus Parkinson eine Rolle zu spielen. Ebenso können Erkrankungen der Nieren und der Leber die Folge sein.

Ein reizender Stoff

Zitronensäure ist ein in der Natur weit verbreiteter Stoff. Er kommt nicht nur in Zitrusfrüchten vor, sondern auch in Äpfeln und anderem Obst, ja sogar im menschlichen Körper. Als Zwischenprodukt des Energiestoffwechsels (Zitronensäurezyklus) ist Zitronensäure Bestandteil jeder lebenden Zelle. Der menschliche Stoffwechsel setzt täglich ein Kilogramm davon um. Mittlerweile wird Zitronensäure industriell hergestellt, weltweit jährlich in einer Menge von 1,6 Millionen Tonnen. Das entspricht mehr als dem Zehnfachen des Säuregehaltes der gesamten Welt-Zitronenernte. Sie dient als Konservierungsstoff und geschmacksgebende Substanz, insbesondere wegen ihres frisch-fruchtigen Aromas. So ist Zitronensäure vor allem in Softdrinks enthalten, kommt aber auch in Süßigkeiten, Margarine, Marmeladen oder tiefgekühlten Früchten vor und ist ebenso in manchem Obst- und Gemüsebrei für Babys oder in Backwaren und Fertiggerichten zu finden. Neben ihrer Funktion als meistgebrauchtes Säuerungsmittel wird Zitronensäure in der Lebensmittelindustrie für eine Reihe weiterer technologischer Anwendungen genutzt: Wegen ihrer Fähigkeit, mit Schwermetallen Komplexe zu bilden, schützt sie als Antioxidationsmittel Fette, Farben, Aromen und den Vitamingehalt vieler Lebensmittel. Beim Sterilisieren von Sahne und Milch sowie beim Schmelzen von Käse verhindert sie das Gerinnen des Eiweißes. Zudem unterstützt Zitronensäure die Umrötung von Fleisch und verbessert die Backeigenschaften von Teigen und Mehlen. Als Zusatzstoff ist sie allgemein zugelassen, auch für Bioprodukte.

Dieser Beitrag ist im UGB-FORUM mit dem Schwerpunktthema
Voll krass: Jugend entdeckt Gesundheit
erschienen.

Die Säure wird industriell mithilfe des Schimmelpilzes Aspergillus niger produziert, der auf einer Nährlösung aus Glucose oder Melasse wächst. Nicht auszuschließen ist, dass die Bakterien oder auch die Nährlösung gentechnisch gewonnen werden. Eine Kennzeichnung mithilfe von Gentechnik hergestellter Zitronensäure ist nicht vorgeschrieben. Die aggressive Säure kommt auch als Entkalker für Kaffeemaschinen oder als WC-Reiniger zum Einsatz. Dann sind von Gesetzes wegen Warnhinweise vorgeschrieben: „Haut- und augenreizend“ steht daher auf den Packungen, und: „Darf nicht in die Hände von Kindern gelangen“.

Zitronensäure: Angriff auf den Zahnschmelz

Zahnschäden (Zahnerosionen) durch Zitronensäure sind ein schwerwiegendes Problem, da die Säure in vielen bei Kindern beliebten Lebensmitteln enthalten ist: Sie ist in Eis- und Kindertees zu finden, kommt in Limonaden und anderen Fruchtsaftgetränken vor und steckt ebenso in Bonbons und Gummibärchen. Im fortgeschrittenen Stadium bleiben von den Zähnen nur noch dunkel gefärbte kleine Stummel übrig. Der Zahnmediziner Professor Willi-Eckhard Wetzel aus Gießen untersuchte mit seinen Mitarbeitern den Säuregehalt von 44 Eisteesorten, die sich allesamt als wahre Säurebomben entpuppten. Allein in seiner Gießener Klinik verdoppelte sich in nur einem Jahr die Anzahl der Kinder, die wegen stark säuregeschädigter Zähne behandelt werden mussten.

Die staatliche Lebensmittelaufsicht hat ein ambivalentes Verhältnis zu dem Zusatzstoff. Im Jahre 2004 hatte die höchste deutsche Behörde zur Beurteilung von Lebensmittelrisiken, das Berliner Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR), Warnhinweise auf Produkten gefordert, die Zitronensäure enthalten. Softdrinks, wie Limonaden oder industriell hergestellter Eistee, seien durch Zusatz von Zitronensäure ein mögliches Risikoprodukt und viele zitronensäurehaltige Süßigkeiten seien „regelrechte Kinderzahn-Killer“, schrieb das Institut in einer Stellungnahme vom 9. Januar 2004: „Die vorliegenden Daten erlauben es nicht, für Süßwaren und Getränke einen Zitronensäuregehalt festzulegen, der den Zähnen nicht schadet. Das BfR schlägt deshalb vor, säurehaltige Süßwaren und Getränke mit einem Warnhinweis zu versehen.“ Solche Warnhinweise müssten auf die Folgen für die Zähne aufmerksam machen: „Aus dem Warnhinweis sollte hervorgehen, dass die Zahngesundheit bei übermäßigem Verzehr solcher Produkte gefährdet ist. Übermäßig heißt hier schon mehr als zwei Mal pro Tag. Nach Meinung des BfR müsste außerdem darauf hingewiesen werden, dass derartige Produkte für Säuglinge und Kleinkinder nicht geeignet sind.“
Die behördliche Forderung nach Warnhinweisen hielt nur ein Jahr, dann verschwand sie in der Schublade. Eine aktualisierte Stellungnahme vom 24. Februar 2005 enthielt die Forderung nach Warnhinweisen nicht mehr. Die Säure wurde zwar genauso kritisch bewertet wie zuvor: „Der Verzehr von Lebensmitteln mit hohem Zitronensäuregehalt kann dazu führen, dass der Zahnschmelz angegriffen wird.“ Nur die Forderung nach Warnhinweisen fehlte. Dabei gab es keinerlei neue entlastende Erkenntnisse, die die Kehrtwendung rechtfertigen könnten. Jedenfalls sind in der Literaturliste am Ende der BfR-Stellungnahme keine neuen wissenschaftlichen Studien aufgeführt.

Künstliche Preise für künstlichen Stoff

Der Lebensmittelzusatz Zitronensäure zeigt, dass die industrielle Produktion von Nahrungsmitteln zu einem eigenständigen Faktor bei den Gesundheitsrisiken geworden ist. Ein eigentlich ungefährlicher, ja lebensnotwendiger Stoff wird durch die industrielle Massenproduktion beinahe allgegenwärtig und dadurch zu einer Bedrohung der menschlichen Gesundheit, weil jeder Supermarktkunde praktisch täglich mit ihr in Berührung kommt. Der Stoff in seiner industriellen Existenzform hat auch ökonomische Reize. So hatten sich Hersteller der Zitronensäure, das heißt weltweit agierende Konzerne, zeitweilig mit erheblicher krimineller Energie in einem Kartell jahrelang die Preise künstlich hochgehalten, rund um den Globus. Die amerikanische Regierung und die Europäische Union verhängten Strafen in mehrstelliger Millionenhöhe.
Wer industriell hergestellte Lebensmittel kauft, muss damit rechnen, Zitronensäure in größeren Mengen zu sich zu nehmen. Um die Aufnahme zu begrenzen, ist es am sinnvollsten, auf möglichst gering und unverarbeitete Produkte zurückzugreifen. Zwar enthält auch frisches Obst wie Zitrusfrüchte und Beeren Zitronensäure, doch sind hier bei verzehrsüblichen Mengen keine gesundheitlichen Schädigungen bekannt.

Onlineversion des Beitrags: Grimm H-U. Zitronensäure: Auf den Zahn gefühlt. UGB-Forum 5/11, S 256-257
Foto: D. Race/Fotolia.com