Mikroplastik auf dem Vormarsch

In Muscheln, Fischen oder Honig und auch im Trinkwasser tauchen immer öfter kleinste unsichtbare Plastikteilchen auf. Sie stammen aus Kosmetika, Zahnpasta oder Plastikverpackungen. Was das für unsere Gesundheit und die Umwelt bedeutet, ist noch wenig erforscht. Klar ist schon heute, dass wir vor einem Riesenproblem stehen, das nicht schnell zu lösen ist.

Mikroplastik

Als Mikroplastik werden Partikel bezeichnet, die bis maximal fünf Millimeter groß sind. Damit sind sie deutlich größer als Feinstaub, beispielsweise Ruß, oder Nanopartikel wie Titandioxid in Sonnencreme. In vielen Produkten des täglichen Gebrauchs stecken bis zu zehn Prozent solcher winzigen Plastikkügelchen aus Polyethylen (PE) oder Poly­propylen (PP), primäres Mikroplastik genannt. Sie dienen in Kosmetika als Bindemittel oder Füllstoffe; in Zahnpasten, Kontaktlinsen- oder Haushaltsreinigern wirken sie als Schleifmittel, in Peelings und Duschgels entfernen sie abgestorbene Hautzellen. Natürliche Inhaltstoffe mit ähnlicher Wirkung, zum Beispiel Mandelkleie bei Peelings, haben ausgedient. Aus Herstellersicht ist der synthetische Rohstoff hautfreundlicher, mikrobiologisch einwandfrei und kostengünstiger. Manchen Plastikkügelchen werden sogenannte Additive zugesetzt, um die Eigenschaften des Plastiks zu verändern, vor allem Weichmacher, die ihrerseits als gesundheitsproblematisch eingestuft werden. Das Mikroplastik aus dem Haushalt gelangt mit dem Abwasser in die kommunalen Klärwerke. Dort lässt es sich nur in den seltensten Fällen herausfiltern und gelangt folglich in Bäche und Flüsse. Laut einer aktuellen Studie der Universität Wien sind im Donauabschnitt zwischen Wien und Bratislava mehr Plastikteilchen als Fischlarven unterwegs. Das große Problem: Plastik zersetzt sich erst nach 100 bis 500 Jahren.

Plastikmüll auf den Weltmeeren

Ende der 1990er Jahre entdeckte man den ersten Müllstrudel im Pazifik. Diese teppichartigen Gebilde treiben an sowie unter der Wasseroberfläche und bestehen aus nur langsam zerfallenden Plastikabfällen wie Verpackungen, Tüten und anderem mehr. Sie werden durch Wellengang und Sonneneinstrahlung immer weiter zu sogenanntem sekundären Mikroplastik zerrieben. Mittlerweile sind vier Müllstrudel bekannt, darunter der Great Pacific Garbage Patch mit einer geschätzten Größe von ganz Mitteleuropa. Salzwasser und Sonne lösen auch Zusatzstoffe wie die Weichmacher aus dem Plastik, was seine Verwitterung fördert. Zu den besonders schädlichen zählen Bisphenol A und die Phthalate. Sie stehen im Verdacht, verantwortlich für die Verweiblichung von Fischbeständen und den abnehmenden Anteil an männlichen Tieren zu sein.

Ein Großteil der Teilchen sinkt auf den Meeresboden und lagert sich im Sediment ab. Über die dort lebenden Würmer und Kleinstlebewesen gelangt das Mikroplastik in die Nahrungskette, wie Plastikfunde in Kotproben ergaben. Bei der Nahrungssuche verwechseln Meerestiere Mikroplastik außerdem mit ähnlich großen Kleinstlebewesen, dem Zooplankton. Ihr Magen füllt sich mit den unverdaulichen Plastikteilchen, die ihnen Sättigung vorgaukeln und die Tiere letztlich verhungern lassen. Größere Plastikteile können sie zudem innerlich verletzen. Mikroplastik und auch die Weichmacher sind fettlöslich und reichern sich im Fettgewebe der Tiere an. Je weiter am Ende der Nahrungskette sich ein Organismus befindet, desto mehr Schadstoffe nimmt er auf (Bioakkumulation).

Außerhalb der Organismen wirkt das Mikroplastik wie ein Kristallisationspunkt für andere Schadstoffe. So zieht es aufgrund seiner Oberfläche DDT, PCB oder Nonylphenole an, die sich anhaften und aufkonzentrieren. Die Wirkungen werden derzeit noch erforscht. Auffallend ist eine Zunahme der Leberschäden bei Fischen sowie ein drastischer Rückgang der marinen Artenvielfalt.

Auf Mikroplastik verzichten

Führende Forscher wie der Meereschemiker Prof. Gerd Liebezeit von der Universität Oldenburg und Umweltverbände wie der BUND fordern einen freiwilligen Verzicht auf primäres Mikroplastik. Die Erhaltung der Biodiversität wird zwar in einer verbindlichen EU-Richtlinie ausdrücklich als Ziel definiert. Ein Verbot zur Herstellung und Verwendung von Produkten mit primärem Mikroplastik ist darin aber nicht enthalten. Für eine Verschärfung der Gesetze sind der Regierung die aktuellen, wissenschaftlichen Erkenntnisse nicht eindeutig genug, so dass sie keine Notwendigkeit für gesetzliche Vorgaben sieht. Ein von Bündnis 90/Die Grünen einberufenes Fachgespräch im Bundestag im Mai 2014 endete mit der Forderung nach Konsequenzen aus den bestehenden wissenschaftlichen Erkenntnissen. Es machte aber deutlich, dass ein nachträgliches Herausfiltern von Mikroplastik sehr teuer und aufwendig würde. Für manche Kunststoffe müssten erst noch Verfahren entwickelt werden.

Die Hersteller reagieren sensibler auf die Sorgen der Verbraucher und die Forderungen der Umweltverbände. Bekannte Kosmetikmarken wie Nivea, L‘Oreal, Garnier, Aok, Pearls & Dents stellen einen freiwilligen Ausstieg für das Jahr 2015/2016 in Aussicht, der sich allerdings nur auf feste Mikroplastikbestandteile beschränken soll. Als denkbare Alternativen für Kosmetika sind Sand, Wachse, Holzmehl oder Walnussschalen im Gespräch. Das Fraunhofer Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik UMSICHT arbeitet derzeit an Partikeln aus Biowachsen, die biologisch abbaubar sind und sich in verschieden Größen herstellen lassen. Für einen Ersatz der Kunststoffe in Ölen und viskösen Flüssigkeiten besteht jedoch noch viel Forschungsbedarf.

Was bleibt zu tun?

Um den Eintrag an Mikroplastik in die Umwelt zu reduzieren, sollten Verbraucher beim Einkauf von Kosmetik- und Reinigungsprodukten auf die Inhaltsstoffe achten. Die Nennung von Polyethylen und Polypropylen weist auf den Einsatz von Mikroplastik hin. Der BUND hat dazu eine Produktliste erarbeitet. Fürs Peeling eignen sich Massagehandschuhe, die es auch aus natürlichen Materialien gibt oder Produkte auf Basis von Mandelkleie. Körperreinigung funktioniert auch ohne Duschgel mit Seife. Haushaltsreiniger ohne Scheuermilch erfordern lediglich etwas mehr Handarbeit. Generell gilt es, beim Einkauf so gut es geht, auf Plastik zu verzichten. Ein kompletter Ausstieg aus der komplexen Plastikwelt, die weit über Kosmetika und Verpackungen hinausgeht, erscheint aus heutiger Sicht als sehr schwierig. Dafür ist Plastik viel zu sehr fester Bestandteil unseres Alltags. Das Umweltproblem mit Mikroplastik wird sich daher vermutlich noch verschärfen.

Quelle: Gaster, C: UGBforum 4/14, S. 204-205
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