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Gesünder Leben mit Wein?

Im Wein liegt bekanntlich Wahrheit. Doch wie die Wahrheit genau lautet, darüber streiten sich die Experten. Nachdem Alkohol lange Zeit als gesundheitsschädlich verurteilt wurde, kommen neuere Untersuchungen zu dem Ergebnis, daß eine mäßige Aufnahme vor Herzinfarkt schützt.

Rotweinphenole beugen vor

In den alten Streit zwischen Alkoholgegnern und Weinliebhabern ist neues Leben gekommen. Mehrere Studien belegen überzeugend: Ein mäßiger Alkoholkonsum senkt das Risiko für koronare Herzkrankheiten. Menschen, die zwischen 20 und 40 Gramm Alkohol pro Tag aufnehmen - das sind ein bis zwei Gläser Wein, haben ein geringeres Risiko für Herz-Kreislauferkrankungen und erleiden seltener einen Herzinfarkt als Zeitgenossen, die weniger trinken.

Spätestens das sogenannte französische Paradox hat Wissenschaftler darauf gebracht, daß sich Wein möglicherweise positiv auf die Gesundheit auswirkt. Obwohl die Franzosen stark rauchen und fett essen, leiden sie seltener unter verstopften Arterien und Herzinfarkt als Deutsche oder Amerikaner. Ein wesentlicher Unterschied in der Lebensweise der Franzosen ist die Vorliebe für Wein, insbesondere Rotwein. Und tatsächlich fanden die Forscher in dem vergorenen Traubensaft sekundäre Pflanzenstoffe, die für die gesundheitsfördernden Wirkungen verantwortlich gemacht werden können. Zu den sogenannten Polyphenolen zählen Substanzen wie Quercetin, Catechin, Epicatechin und Resveratrol. Als Antioxidantien hemmen sie die Bildung von Ablagerungen in den Blutgefäßen und beugen so einem Herzinfarkt vor.

Schach dem Herzinfarkt

Die Polyphenole allein reichen zur Erklärung der gesundheitsfördernden Wirkung von Wein allerdings nicht aus. Auch bei anderen alkoholischen Getränken wie Bier und Spirituosen beobachteten Wissenschaftler einen positiven Einfluß auf das Herz-Kreislaufsystem. Weitere Untersuchungen ergaben, daß der Alkohol selbst ebenfalls günstige Eigenschaften besitzt. Bei einer Aufnahme von 10-40 Gramm Alkohol pro Tag erhöht sich das günstige HDL-Cholesterin im Blut. Gleichzeitig sinkt die Thrombosegefahr, weil Alkohol die Verklumpung der Blutplättchen verringert. Dies ist besonders für Personen mit vorgeschädigten Arterien wichtig, da ein Blutgerinnsel die verengten Adern verstopfen und so einen Herzinfarkt oder Schlaganfall auslösen kann. Darüber hinaus entdeckten die Experten, daß geringe Mengen Alkohol die Blutgefäße erweitern und entspannen, wodurch der Blutdruck und das Risiko streßbedingter Gefäßkrämpfe sinkt.

Wieviel nutzt und wieviel schadet?

Die Erkenntnisse über die positiven Wirkungen von Alkohol ließen Weinfreunde und Biertrinker frohlocken. Nur selten kommt es vor, daß ein Genußmittel von Wissenschaftlern als gesund angepriesen wird. Doch - wie sollte es anders sein - die Sache hat einen Haken. Obwohl bestimmte Eigenschaften des Alkohols gesundheitsfördernd wirken, schaden andere wiederum. Neben dem akuten Kater mit den gefürchteten Kopfschmerzen kann zuviel Alkohol zu erheblichen Gesundheitsschäden beitragen: Blut-hochdruck und Schädigung von Organen, insbesondere der Leber, Bauchspeicheldrüse und Herz sind bekannte Folgen, an denen so mancher Schluckspecht leidet. Darüber hinaus löst Alkohol oxidativen Streß aus, der die körpereigenen Schutzsysteme überfordern kann. Wer zuviel trinkt, hat zudem ein höheres Risiko für Krebserkrankungen an Mund, Rachen, Kehlkopf, Speiseröhre, Magen und Leber. Bei Frauen erhöht sich außerdem die Gefahr für Brustkrebs. Alkohol während der Schwangerschaft kann den Fötus schwer schädigen. Nicht zuletzt ist Alkohol eine Droge, die zur Sucht mit schweren psychischen und physischen Störungen führen kann.

Ein Glas am Tag ist erlaubt

Angesichts der gegensätzlichen Eigenschaften stellt sich die Frage: Was ist zuviel und welche Mengen gelten noch als vertretbar? Die genaue Antwort blieb die Wissenschaft bisher schuldig. Forscher haben zwar herausgefunden, bis zu welcher Menge ein positiver Effekt auf das Herz-Kreislaufsystem zu erwarten ist, ab wieviel Gläser Wein und Bier Krebs und Leberschäden begünstigt werden, ist jedoch nicht bekannt. Generell gilt ein mäßiger Konsum als akzeptabel. Darunter werden zwei bis vier Drinks pro Tag verstanden, wobei ein Drink 250 Milliliter Bier, 100 Milliliter Wein oder 30 Milliliter Spirituosen entspricht.

Diese pauschale Angabe sagt jedoch wenig darüber aus, wieviel der einzelne verträgt. Die persönliche Grenze zwischen mäßigem und übermäßigem Alkoholkonsum ist sehr unterschiedlich. Geschlecht, Alter, Körpergewicht und Größe spielen hierbei ebenso eine Rolle wie das Vorliegen von Risikofaktoren, z. B. Rauchen, oder einer genetischen Veranlagung. Frauen vertragen in der Regel weniger als Männer. Ab wann Alkohol gefährlich wird, ist daher nicht einheitlich zu beantworten. So genügen bereits täglich 10 Gramm Alkohol, also ein halbes Glas Wein, um das Risiko für Brustkrebs zu erhöhen. Auch die Gefahr für Schlaganfall und hohen Blutdruck erhöhte sich in einigen Untersuchungen schon bei geringen Mengen. Aus diesen Gründen hat 1997 eine Konferenz namhafter Wissenschaftler bewußt davon abgesehen, Alkohol, egal in welcher Dosierung, zu empfehlen. Einig ist man sich hingegen darüber, wer auf jeden Fall keinen Alkohol trinken sollte: Schwangere, Kinder, Kranke und ehemalige Alkoholiker.

Deutsche trinken eher zuviel als zuwenig

In Deutschland ist eher das Zuviel an Alkohol ein Problem als das Zuwenig. Anders als in Frankreich wird hierzulande Wein nicht maßvoll zum Essen genossen, sondern Alkohol vor allem außerhalb der Mahlzeiten getrunken - überwiegend als Bier und in größeren Mengen. Mit einem Alkoholkonsum von durchschnittlich 30 Gramm pro Kopf und Tag übertrumpfen wir bereits jetzt Franzosen und andere Mittelmeeranrainer. Da in dieser Statistik Säuglinge, Kinder, Kranke und Nichttrinker enthalten sind, liegt der tatsächliche Verbrauch der alkoholtrinkenden Personen wesentlich höher. Bei uns stellt sich also eher die Frage, wie man den hohen Alkoholkonsum auf ein gesundheitsverträgliches Maß herunterschrauben kann. Zur Vorbeugung von Herz-Kreislauferkrankungen erscheinen andere Maßnahmen effektiver und sicherer als der Konsum von Alkohol. Auch hier können wir uns einiges von unseren südländischen Nachbarn abschauen: Mit viel frischem Obst und Gemüse, Olivenöl statt Butter und Sahne, weniger Fleisch, weniger Streß und mehr Gelassenheit lebt es sich einfach gesünder.

Quelle: Gaster, C.: UGB-Forum 5/98, S. 296-297


Dieser Beitrag ist dem UGB-Archiv entnommen.

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