Abmelden

Der Zugang zu den Fachinformationen exklusiv für Mitglieder und Abonnenten ist jetzt für Sie freigeschaltet.

Flugtransporte von Lebensmitteln

Erdbeeren, Tomaten, Weintrauben, Spargel – viele Lebensmittel haben bei uns das ganze Jahr Saison. Was davon mit dem Flugzeug oder per Schiff nach Europa gelangt, ist für Verbraucher nicht erkenntlich. Denn bisher gibt es keine Kennzeichnungspflicht für Flugware.

Flugtransport, Oekobilanz, Klimawirksamkeit

Flugtransporte sind besonders klimaschädlich: Pro Kilogramm transportiertem Lebensmittel entstehen bei einem Flugtransport bis zu 170-mal mehr klimawirksame Treibhausgase als bei einem Schiffstransport. Schätzungen ergaben, dass der Anteil der Luftfracht an der Transportleistung (befördertes Gewicht mal der Wegstrecke, Einheit Tonnenkilometer) von Lebensmitteltransporten nach Deutschland nur etwa 0,2 Prozent beträgt. Auf diese entfallen jedoch 10 Prozent aller durch Lebensmitteltransporte ausgestoßenen CO2-Äquivalente. Es gibt somit gute Gründe, Flugware möglichst in den Regalen liegen zu lassen. Doch welche Lebensmitteln werden nun tatsächlich mit dem besonders umweltschädlichen Flugzeug eingeflogen? Eine Untersuchung der Verbraucherzentralen, durchgeführt durch das Institut für alternative und nachhaltige Ernährung in Gießen, brachte Licht ins Dunkel.

Flugware: Statistik mit Lücken

Grundlage der Studie waren die amtlichen Außen­handelsstatistiken Deutschlands und der Europäischen Union. Allerdings sind diese Daten lücken- und fehlerhaft. So ist die Angabe des Transportmittels nur für den sogenannten Extrahandel, also den Handel der EU mit Drittländern, vorgeschrieben. Im Intrahandel, dem Warenverkehr zwischen den Mitgliedsstaaten der Union, ist diese Angabe freiwillig. Entsprechend oft fehlt die Information über das verwendete Transportmittel. Hinzu kommt, dass aus Drittländern eingeführte Ware beim ersten Kontakt mit einer EU-Grenzstelle angemeldet und verzollt werden soll. Werden beispielsweise Mangos aus Brasilien mit dem Schiff nach Rotterdam transportiert, dort auf den Lkw umgeladen und dann nach Deutschland gefahren, gehen die Früchte mit Angabe des Verkehrszweigs Seeverkehr in die Einfuhrstatistik der Niederlande ein. An der holländisch-deutschen Grenze werden die Mangos dann in der Ausfuhrstatistik der Niederlande und der Einfuhrstatistik Deutschlands mit dem Transportweg Straßenverkehr erfasst. Zwar soll auch im Intrahandel das tatsächliche Ursprungsland – hier Brasilien – gemeldet werden. Oft fehlt diese Angabe jedoch, sodass ersatzweise das Versendeland – in unserem Beispiel die Niederlande – eingetragen wird. Aus brasilianischen Schiff-Mangos werden so in der deutschen Außenhandelsstatistik holländische Mangos, die mit dem Lkw zu uns gekommen sind.

Europäische Ware kommt per Lkw

Die meisten Flugimporte aus Übersee mit dem Endziel Deutschland landen vermutlich direkt am Frankfurter Flughafen. Dieser gilt dann als EU-Außengrenze, sodass die eingeflogenen Lebensmittel in der deutschen Extrahandelsstatistik erfasst werden. Dennoch sind die dort dokumentierten Mengen als Untergrenze anzusehen, da auch Flughäfen in anderen EU-Ländern genutzt werden, von denen die Ware dann per Lkw weiter nach Deutschland transportiert wird. Um welche Mengen es sich dabei handelt, geht aus den Statistiken nicht hervor. Bei Lebensmittelimporten, die aus anderen EU-Ländern nach Deutschland gelangen, spielt das Flugzeug hingegen keine Rolle. Erdbeeren aus Spanien oder Tomaten aus Italien kommen praktisch zu 100 Prozent mit dem Lkw zu uns. Das ist vor allem mengenmäßig von Bedeutung, denn Deutschland bezieht 95 Prozent seiner Gemüseimporte und 75 Prozent seiner Obstimporte aus der EU. Bei den deutschen Fischimporten liegt der EU-Anteil bei 60 Prozent. Mit der zunehmenden Überfischung der europäischen Gewässer wächst jedoch die Abhängigkeit von Fischimporten aus Drittländern.

Mindestens 140 Tonnen pro Tag

Lufttransporte sind zwar schnell und zuverlässig, aber relativ teuer. Entsprechend rechnen sich Flugtransporte nur für relativ hochpreisige Lebensmittel, die zudem leicht verderblich sind. So werden beispielsweise nur 0,01 Prozent der direkt importierten Bananen geflogen, während es bei Papayas etwa 92 Prozent sind. Insgesamt gelangten im Jahr 2008 alleine im Extrahandel fast 52.000 Tonnen Lebensmittel per Luftfracht nach Deutschland – mehr als 140 Tonnen pro Tag. An erster Stelle der Flugimporte steht Fisch aus Tansania und anderen afrikanischen Ländern, gefolgt von Gemüse, Obst und Fleisch. Weitere Lebensmittelgruppen spielen als Luftfracht nur eine untergeordnete Rolle. Trotz der beachtlichen absoluten Mengen an Lebensmitteln, die aus Drittländern auf dem Luftweg nach Deutschland kommen, sind die jeweiligen Anteile relativ gering: Beim Fisch sind es vier Prozent der importierten Ware, bei Gemüse fünf, bei Obst weniger als ein und bei Fleisch etwa drei Prozent. Der weitaus größte Teil der Lebensmittelimporte aus Übersee wird per Seeschiff transportiert.

Zusammenfassend hat die Studie der Verbraucherzentralen ergeben, dass folgende Lebensmittel mit hoher Wahrscheinlichkeit eingeflogen werden:

  • frische Fischfilets und frischer Fisch aus afrikanischen Ländern, Sri Lanka und von den Malediven
  • lebende Hummer aus Kanada
  • frische Filets vom Rotbarsch, Goldbarsch und Tiefenbarsch aus Island
  • frische Bohnen aus Ägypten, Kenia und Thailand
  • frischer Spargel aus Peru
  • frisches Gemüse aus Ost- und Westafrika (vor allem Kenia und Ghana), Thailand und der Dominikanischen Republik
  • frische Papayas
  • frische Guaven, Mangos und Mangostane aus Pakistan, Brasilien und Thailand
  • frische Ananas aus afrikanischen Ländern
  • frisches Obst aus Uganda, Ghana und Togo
  • Erdbeeren aus Ägypten, Israel und Südafrika
  • Pferdefleisch aus Kanada

Unterschiede zwischen den Jahreszeiten gibt es kaum. Fisch, Gemüse und Obst sowie Fleisch werden relativ konstant über das ganze Jahr hinweg eingeflogen. Gemüse und Obst der gemäßigten Breiten, wie frische Bohnen, Speisezwiebeln oder Erdbeeren, werden vor allem in den Jahreszeiten mit dem Flugzeug transportiert, in denen europäische Ware noch nicht oder nicht mehr verfügbar ist.
Damit Verbraucher klimaschonend einkaufen können, fordern die Verbraucherzentralen die verbindliche Kennzeichnung von Flugware. Lediglich in Großbritannien und der Schweiz werden eingeflogene Lebensmittel bei einzelnen Handelsunternehmen mit einem Label gekennzeichnet; der Schweizer Bio-Verband BIO Suisse hat Flugware aus seinem Angebot ausgeschlossen. Bis es tatsächlich zu einer Kennzeichnung kommt, bleibt Verbrauchern nur die Möglichkeit, im Laden nachzufragen und „typische“ Flugware im Regal liegen zu lassen. Und wer saisonale und regionale Lebensmittel bevorzugt, zeigt Flugimporten fast automatisch die rote Karte.

Die Studie zu Flugimporten kann hier kostenlos heruntergeladen werden

Quelle: Keller M.: UGB-FORUM 4/11 S. 204-205