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Enzyme: Heimliche Helfer aus dem Genlabor
In deutschen Supermärkten sind nur vereinzelt Produkte mit einem Hinweis auf gentechnisch veränderte Zutaten zu finden. Tatsächlich kommen aber viele Lebensmittel bei ihrer Herstellung mit der umstrittenen Technik in Berührung. Etwa 80 Prozent aller in der Lebensmittelindustrie eingesetzten Enzyme werden mit Hilfe von Gentechnik produziert.
Ohne Enzyme läuft bei der Herstellung von Lebensmitteln so gut wie gar nichts: Enzyme lassen Milch zu Käse gerinnen, lockern Brot oder geben Kakao- und Kaffeebohnen ihren typischen Geschmack. Auch in der Textil- und Papierherstellung, in der Umwelttechnik oder als Waschmittelzusatz finden sie Anwendung. Chemisch gesehen handelt es sich um Eiweißverbindungen, die als Katalysatoren biochemische Reaktionen beschleunigen. Sie bauen Stärke, Fett, Proteine und andere Moleküle ab und neue Stoffe auf. Sie wirken in geringer Menge an genau definierter Stelle. Dies macht sich die Lebensmittelindustrie bereits seit über 100 Jahren zu Nutze. Seitdem es möglich ist, Mikroorganismen mit Hilfe gentechnischer Verfahren zu manipulieren und daraus Enzyme in großen Mengen kostengünstig zu gewinnen, werden sie in immer mehr Produktionsprozessen eingesetzt. In riesigen Tanks, sogenannten Fermentern, werden die kleinen Helfer von eigens für diesen Zweck gezüchteten Mikroorganismen - Bakterien, Hefen oder Pilzen - produziert. Ist der Herstellungsprozess abgeschlossen, werden die Enzyme aus der Nährlösung oder dem Nährsubstrat isoliert, gereinigt und zu Granulaten verarbeitet, die dann von der Lebensmittelindustrie eingesetzt werden.
Auch bei vielen Lebensmittelzusatzstoffen können Gentechniker ihre Hand im Spiel haben. Der Geschmacksverstärker Glutamat, der Süßstoff Aspartam, Zitronensäure, Vitamin C und der Farbstoff Beta-Carotin werden teilweise von gentechnisch veränderten Mikroorganismen hergestellt. Vitamin B12 wird fast ausschließlich auf diese Weise produziert. Gut oder schlecht für die Umwelt?
Für die Industrie liegen die Vorteile gentechnisch erzeugter Enzyme und Zusatzstoffe klar auf der Hand: Mit Hilfe der neuen Technik lassen sich gezielt wirkende Enzyme in großer Menge und in reiner Form herstellen. Oft lösen die industriellen Enzyme aufwendige chemische Prozesse ab, die eine Menge Rohstoffe und Energie benötigen. Dennoch sind Enzyme aus dem Genlabor nicht ohne Risiko für Mensch und Umwelt. Kritiker befürchten, dass veränderte Organismen über Abluft, Abwasser und Abfälle aus den Produktionsanlagen entweichen können. Das ausgediente Nährsubstrat aus den Fermentern beispielsweise gelangt als Dünger auf die Felder. Das Substrat wird zwar erhitzt, um die Mikroorganismen abzutöten. Es ist jedoch nicht auszuschließen, dass dieser Bioschlamm noch lebensfähige Organismen enthält. Diese können sich vermehren und dabei andere Organismen verdrängen oder genetische Informationen auf diese übertragen.
Da durch die Gentechnik vermehrt Enzyme eingesetzt werden, befürchten Verbraucherschützer, dass Allergien zunehmen könnten. Tatsächlich entwickeln Bäcker häufig eine Allergie gegen Enzyme, die in Backmischungen enthalten sind. Die Gefahr für eine Allergie ist besonders hoch, wenn die Haut oder die Schleimhäute mit dem Enzymstaub in Kontakt kommen. Im fertigen Gebäck sind die Enzyme meist gebunden und durch die hohen Backtemperaturen inaktiviert. Auch der Einsatz von Antibiotika-Resistenzen als Marker für eine erfolgreiche Manipulation ist problematisch. Zur Produktion der in Waschmitteln eingesetzten Lipasen beispielsweise wird dem Wirtspilz auch ein Gen für eine Antibiotika-Resistenz eingeschleust. Es ist zu befürchten, dass dadurch die Wirksamkeit von Antibiotika weiter nachlässt. Verbraucherschützer fordern daher eine eindeutige Deklaration von Produkten, die mit Hilfe gentechnischer Verfahren hergestellt wurden.
Kennzeichnung keine Pflicht
Die meisten Enzyme werden als sogenannte technische Hilfsstoffe eingesetzt. Daher mussten sie bislang weder zugelassen noch in der Zutatenliste deklariert werden. Ausnahmen sind Enzyme, die auch im Endprodukt noch Wirkung entfalten, wie die in Eiskrem oder Schokolade enthaltene Invertase oder Lysozym in Käse. Nach den im Juli 2008 vom Europäischen Parlament verabschiedeten Verordnungen zur Verwendung von Zusatzstoffen, Aromen und Enzymen in Lebensmitteln müssen Enzyme künftig zugelassen werden. Auch für die bereits verwendeten Enzyme ist eine nachträgliche Sicherheitsprüfung vorgeschrieben. Gibt es keine Bedenken, werden sie in eine Positivliste aufgenommen. Stoffe, die nicht aufgeführt sind, dürfen künftig nicht mehr verwendet werden. Eine erste Positivliste wird allerdings erst für 2013 erwartet. Werden Zusatzstoffe, Aromen oder Enzyme mit Hilfe gentechnisch veränderter Pilze, Hefen oder Bakterien erzeugt, so muss das allerdings nach wie vor nicht deklariert werden. Nur wenn Zusatzstoffe und Aromen aus gentechnisch veränderten Pflanzen oder Tieren hergestellt werden, beispielsweise Lecithin aus gentechnisch veränderten Sojabohnen, so sind die Produkte, in denen sie enthalten sind, kennzeichnungspflichtig.
"Ohne Gentechnik" oder Bio
Wer Gentechnik in Lebensmitteln aus dem Weg gehen will, muss sich an das Label "Ohne Gentechnik" halten, dass allerdings erst vereinzelt auf Produkten zu sehen ist. Mit dieser freiwilligen Kennzeichnung dürfen Hersteller nur werben, wenn bei verarbeiteten Lebensmitteln keine Zusatzstoffe und Enzyme aus gentechnisch veränderten Mikroorganismen eingesetzt wurden, selbst wenn diese nur als Hilfsstoffe dienen. Auch genveränderte Futtermittel bei tierischen Produkten sind tabu. Mit Bioprodukten liegt man jetzt schon auf der sicheren Seite. Denn hier ist der Einsatz von Gentechnik bei Anbau und Verarbeitung grundsätzlich verboten, dies gilt auch für Enzyme und Zusatzstoffe. Unbeabsichtigte Verunreinigungen können jedoch nicht ausgeschlossen werden.
Quelle: Heblik, D. UGB-Forum 1/09, S. 48-49