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Billig-Bio beim Discounter

Bananen für 1,79 Euro das Kilo und ein Ei für 23 Cent - Discounter bieten Bioware zu Dumpingpreisen an. Schaden sie damit dem Biohandel oder kurbelt das günstige Angebot den Absatz ökologischer Produkte an?

Ob Edeka, Real oder Rewe - fast jede große Lebensmittelkette hat Bioprodukte im Programm. Derzeit wird bereits gut ein Drittel aller Biolebensmittel im konventionellen Supermarkt gekauft. Auch die Discounter machen jetzt mit. Damit wollen die Großen der Branche Kundenwünsche befriedigen - sagen sie jedenfalls. Letztendlich geht es ihnen aber darum, das Geschäft mit Bio nicht zu verpassen. Denn während der konventionelle Lebensmittelabsatz stagniert, lassen sich mit Bioprodukten derzeit noch Zuwächse von zehn Prozent und mehr erreichen. Nach Testläufen bietet Aldi Süd jetzt einige Bioprodukte flächendeckend an und Plus hat sein Sortiment an ökologischer Ware seit der Einführung im Jahr 2002 mit 50 Produkten mehr als verdoppelt. Die Rechnung scheint aufzugehen: Mittlerweile werden fast 34 Prozent aller Bioeier über die Discounter vermarktet. Marketingexperten gehen davon aus, dass die anderen Billigsupermärkte bald nachziehen. So hat Lidl Anfang September bereits eine erste Probe-Biowoche gestartet.

Auf Kosten der Bauern?

Der Pressesprecher des größten deutschen Anbauverbandes Bioland, Ralf Alsfeld, steht dem Bio-Engagement der Discounter mit gemischten Gefühlen gegenüber. Zwar trägt das Angebot einerseits zur größeren Verbreitung ökologisch erzeugter Produkte bei: Bio wird für mehr Verbraucher erreichbar. Andererseits machen die strengen Verträge mit den Lebensmittelketten den Erzeugern Probleme. Mehrjährige Laufzeiten über große Mengen und absolute Liefersicherheit sind für Biobauern kaum einzuhalten. Die wenigsten Landwirte verhandeln daher direkt mit den Discountern. Die Geschäfte laufen über Zwischenhändler, die wiederum mehrere Bauern unter Vertrag nehmen. Derzeit erhalten die Landwirte von den Discountern bzw. Handelsorganisationen zwar noch einigermaßen akzeptable Erlöse. Es besteht jedoch die Gefahr, dass die Billigketten die Preise drücken. Bauern, die fast ihre gesamte Produktion an einen Abnehmer verkaufen, bleibt wenig Spielraum zum Verhandeln. Zudem sind die Landwirte auf jeden Fall zur Vertragserfüllung verpflichtet, während die Zwischenhändler auch vom Kauf zurücktreten können. Zwar kommt das in der Praxis kaum vor. Doch im Fall der Fälle geht das Risiko allein zu Lasten der Bauern. Die rot-grüne Bundesregierung begrüßte bislang das Bioangebot der Discounter. Denn nur durch einen höheren Absatz und neue Kundenkreise ließe sich ihrer Meinung nach hierzulande mehr Ökolandbau erreichen. Dies gelingt allerdings nur, wenn die im Discounter abgesetzten Biowaren auch aus Deutschland stammen. Doch Eier, Äpfel und Tomaten beispielsweise sind überwiegend Importware.

Lebensmittel werden verramscht

Beim Angebot der Discounter besteht die Gefahr, dass Lebensmittel zur Billigstware degradiert und regelrecht verramscht werden. Vereinzelt sind Produkte sogar unter dem Einkaufspreis zu haben. Dadurch geraten Supermärkte und Einzelhandelsgeschäfte unter Druck, ihre Preise ebenfalls zu senken. Da sie jedoch ein viel breiteres Sortiment und damit höhere Abwicklungskosten haben, können sie sich das eigentlich gar nicht leisten. Früher oder später bekommen das die Landwirte zu spüren. Durch den geringen Preis für Bio-Milch stehen jetzt schon etliche Biobauern mit dem Rücken zur Wand. Viele kleine Milchviehhalter mussten ihre Betriebe bereits aufgeben. Mithalten können nur Landwirte, die weiter vergrößern und rationalisieren. Auch die Verarbeitung der Lebensmittel wird zunehmend industrialisiert werden. Beides verträgt sich mit der Idee des Ökolandbaus nur schlecht.

Während der Kunde im normalen Supermarkt für Bioprodukte ähnlich viel bezahlt wie im Naturkostladen, muss er im Discounter im Schnitt 30 Prozent weniger hinblättern. Ein sehr eingeschränktes Warenangebot, einfachste Präsentation und wenig Personal machen solche Preise möglich. Wie bei allen Produkten verkauft Aldi auch bei Bio nur, was in großen Mengen nachgefragt wird und gut lagerbar ist. Und das möglichst direkt von der Palette. Was keine Bestseller sind, beispielsweise Essig, Senf oder Vollkornmehl, sucht man vergebens. An Personal wird radikal gespart. Das führt dazu, dass die Kassiererinnen unter hohem Druck stehen. 40 Kunden soll eine Aldi-Verkäuferin in der Stunde abfertigen; bei Lidl müssen mindestens 40 Produkte pro Minute über den Scanner gezogen werden. Ist an den Kassen gerade nicht viel los, steht Waren nachfüllen und Laden putzen an. Viele schaffen das nur mit unbezahlten Überstunden. Betriebsräte, die für bessere Arbeitsbedingungen sorgen könnten, sind bei den Discountern nicht gern gesehen. Märkte wie Lidl, Schlecker und Aldi stehen daher bei der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di auf der schwarzen Liste.

Keine Alternative zum Bioladen

Wer wirklich Bio kaufen will, kommt beim Discounter nicht weit - es sei denn, er will sich von Tiefkühlgemüse, Sojamilch, abgepacktem Käse, Eiern, Bananen, Zwiebeln und Kartoffeln ernähren. Denn viel mehr Bio-Auswahl haben die meisten Billigmärkte nicht zu bieten. Auch regionale Produkte von deutschen Anbauverbänden wie Bioland oder Demeter sucht man vergeblich. Lieferanten von Plus, Aldi & Co. halten sich lieber an die weniger strengen Richtlinien der EU-Öko-Verordnung. So stammt das Biobrot der Discounter in der Regel von Großbäckereien und darf auch Enzyme und synthe-tische Ascorbinsäure enthalten. In der Tierhaltung sind die Vorschriften der EU-Verordnung ebenfalls lockerer als die von Bioland oder Demeter. Klar ist, dass es den Discountern nicht um die Unterstützung der ökologischen Landwirtschaft geht, sondern um den Umsatz.

Um Zeit zu sparen, lohnt sich der Gang zum Discounter jedenfalls nicht. Lange Schlangen an den Kassen, der Charme einer Lagerhalle und gestresste Kassiererinnen verleiden einem das Einkaufen. Kundenberatung ist ohnehin Fehlanzeige. Wer extra einen Aldi-Laden ansteuert, um bei Bioeiern oder Biobananen ein paar Cent zu sparen, bei dem geht die Rechnung aufgrund der hohen Spritpreise ebenfalls nicht auf. Für Kunden, die sowieso beim Disounter einkaufen oder die keine andere Bioquelle in der Nähe haben, ist es jedoch eine gute Möglichgkeit, wenigstens einige Ökolebensmittel zu bekommen. Sicher wird das Angebot auch manche Discounterkunden bewegen, zu Eiern aus artgerechter Tierhaltung oder ungespritzten Äpfeln zu greifen. Unbestritten ist, dass die Ansprüche und damit die Qualität der deutschen Ökoverbände über das EU-Bio-Siegel hinausgehen. Aber wer beim Discounter Bio kauft, setzt trotzdem Signale, das ökologische Qualität gewünscht wird. Wenn die Billigmärkte dann noch aufhören, sich gegenseitig mit Dumpingpreisen zu unterbieten und sie den Landwirten faire Verträge sowie akzeptable Erlöse bieten würden, könnte das Angebot einen wichtigen Impuls für den Ökolandbau darstellen. Nicht zuletzt muss jedoch jeder mit sich und seinem Geldbeutel vereinbaren, ob er das Prinzip Discounter unterstützen will oder nicht.

Quelle: Dittrich, K. UGB-FORUM 5/05, S. 256-257