Belastung mit Arsen - ein ungelöstes Problem

Seit 2016 gibt es in der EU Grenzwerte für Arsen in Reis und Reisprodukten. Doch noch immer steckt zu viel des giftigen Stoffs im Essen. Abwechslung in der Lebensmittelauswahl löst das Problem nur bedingt.

Arsen-Reiswaffeln

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Reiswaffeln waren lange Zeit so etwas wie der Inbegriff des ökologischen und gesunden Snacks für Kinder. Doch das positive Image ist passe, denn das Getreide ist hoch mit Arsen belastet. Seit 2015 warnt das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) davor, Säuglingen und Kleinkindern jeden Tag Reishaltiges zu geben. Denn das Halbmetall erhöht die Gefahr von Haut-, Lungen-, Leber- und Nierenkrebs. Doch viele Babybreis basieren auf Reis oder Reismehl. Zudem sind Reiswaffeln und Cracker aus dem Korn zum zwischendurch Knabbern beliebt. Nach Berechnungen der Europäischen Lebensmittelbehörde (EFSA) bekommen Kleinkinder so durchschnittlich zwischen 0,61 und 2,09 Mikrogramm je Kilogramm (µg/kg) Körpergewicht an Arsen pro Tag ab. Aber schon ab 0,3 µg/kg Arsen täglicher und lebenslanger Belastung steigt das Krebsrisiko.

Giftiger Naturstoff

Arsen ist überwiegend natürlichen Ursprungs und kommt weltweit in bestimmten Erd- und Gesteinsschichten vor. Wasser schwemmt das Halbmetall aus, sodass es ins Trinkwasser und über die Wurzeln in die Pflanzen gelangt. Eine zusätzliche Umweltbelastung geht auf die Kappe des Menschen. Abgase aus der Kupferverhüttung und Kohleverbrennung enthalten große Mengen Arsen. Auch über Dünger und Pestizide gerät es in die Umwelt. Experten schätzen, dass weltweit mehr als 200 Millionen Menschen Wasser trinken, das mit der Substanz kontaminiert ist. Stark betroffen sind Länder wie Indien, Thailand, Mexiko, Bangladesch und Argentinien.

In Wasser und Reis

Auch hierzulande ist Arsen in bestimmten Gewässern von Thüringen und Nordbayern in großen Mengen zu finden, anderswo sind die Gehalte eher gering. Bei der Trinkwasseraufbereitung filtern die Wasserversorger es allerdings heraus, da sie den Grenzwert von 10 Mikrogramm je Liter einhalten müssen. Es gilt daher als unproblematisch. Anders bei Reis. Trotz der neuen Grenzwerte seit Anfang 2016 (siehe Kasten) mahnt das BfR, nicht jeden Tag reishaltige Gerichte zu essen, um das Krebsrisiko gering zu halten. „Wir Toxikologen haben ein um den Faktor zehn niedrigeres Limit gefordert. Dann wäre jedoch fast der gesamte Reis nicht mehr verkehrsfähig. Die Grenzwerte orientieren sich auch am Machbaren“, sagt die Toxikologin Tanja Schwerdtle von der Universität Potsdam.

Dieser Beitrag ist im UGBforum 4/17 Gute Fette – schlechte Fette erschienen.

Ausgerechnet der nährstoffreiche Vollkornreis und Parboiled Reis sind vergleichsweise hoch belastet. In einer aktuellen Untersuchung im Auftrag des Öko-Test-Magazins fand das Labor in sechs von sieben untersuchten Vollkornreissorten stark erhöhte Werte. Besonders hoch waren die Arsenwerte in den vergangenen Jahren gerade in Reiswaffeln und Reisbrei für Säuglinge. Nach aktuellen Untersuchungen des Institutes für Global Food Security hat sich daran nichts geändert. Fast drei Viertel der Reiscracker, die speziell für Babys vermarktet werden, überschritten den EU-Grenzwert. Schwerdtle mahnt deshalb Abwechslung in der Babykost an, da gerade Babys besonders sensibel hinsichtlich der Krebsentstehung sind. Alternativen zu Reis sind beispielsweise alle anderen Getreide wie Hafer oder Hirse.

Unbelasteter Reis ist Mangelware

Für die Lebensmittelbetriebe sind die neuen Grenzwerte ein Problem. Geeigneter Reis für Säuglinge und Kleinkinder steht nach ihren Aussagen in Europa nicht in ausreichender Menge zur Verfügung. Unternehmen wie Nestlé, Hipp und der europaweit größte Hersteller für Reiswaffeln Sanorice suchen deshalb weltweit nach schadstoffarmer Ernte. Doch Reis aus nahezu allen Herkunftsländern wie Asien, vor allem Bangladesch, den USA, Südamerika und Italien ist immer wieder zu stark kontaminiert. Besonders belastete Ware kam in der Vergangenheit aus China, weiß Schwerdtle. Weil das Land seit langem einen nationalen Arsengrenzwert hat, wurde das stärker belastete Getreide ihres Wissens exportiert. Nur Reis aus Ägypten gilt als wenig belastet.

Traditionelle Zubereitungsmethoden können helfen, den Reis zu entgiften. In Indien kocht man den Reis in der sechsfachen Menge Wasser und gießt den Überstand am Ende ab. Der Chemiker Jörg Feldmann von der schottischen Universität Aberdeen wies nach, dass die indische Methode den Gehalt an Arsen um 35 bis 45 Prozent vermindert. Das kostet allerdings mehr Energie und Nährstoffe gehen verloren.

Grenzen für Arsenaufnahme
Seit dem 1. Januar 2016 gelten in der EU folgende Höchstwerte für anorgansiches Arsen:
  • geschliffener Reis, nicht parboiled (polierter oder weißer Reis): 0,20 mg/kg Frischgewicht
  • parboiled Reis und geschälter Reis: 0,25 mg/kg Frischgewicht
  • Reiskekse, Reiswaffeln, Reiskräcker und Reiskuchen: 0,30 mg/kg Frischgewicht
  • Reis für die Herstellung von Lebensmitteln für Säuglinge und Kleinkinder: 0,10 mg/kg Frischgewicht
  • Trinkwasser 10 µg/kg (seit 2001)

Veränderte Anbaumethoden als Ansatz

Eine andere Möglichkeit, dem Gift zu entgehen, führt auf die Felder der Reisbauern. Philippinische Farmer haben herausgefunden, dass das wechselnde Trockenlegen und Fluten der Plantagen den Arsengehalt in den Körnern deutlich senkt. Denn das Arsen kann nur über die Wurzeln aufgenommen werden, wenn das Feld unter Wasser steht. Wird der Wasserspiegel fünfzehn Zentimeter unter die Erdoberfläche abgesenkt, sobald sich die Körner füllen, sinkt der Arsengehalt um bis zu 90 Prozent. Die Weltgesundheitsorganisation WHO empfiehlt diese Methode, allerdings fallen die Ernten etwas geringer aus.

Über die Sortenwahl kann man den Arsengehalt ebenfalls reduzieren und so rät die WHO dazu, arsenarme Reissorten zu züchten. Oft hängt die Belastung jedoch auch vom Boden ab. Wahrscheinlich sind unterschiedliche Stoffe im Boden der Grund dafür. So deuten Studien daraufhin, dass der Zusatz von Eisen oder siliziumhaltigen Stoffen wie Kieselsäure den Arsengehalt im Reis reduziert. Hier ist noch weitere Forschung nötig.

Weitreichende Maßnahmen notwendig

Das BfR hält bei moderatem Konsum von Reisprodukten eine Gesundheitsgefahr für unwahrscheinlich. Wer sich glutenfrei ernährt und daher vermehrt zu Reisprodukten greift, ist jedoch höher belastet. Eine Studie aus den USA wies bei ihnen eine um 90 Prozent höhere Arsenbelastung im Urin auf als bei Menschen, die nicht auf Gluten im Essen verzichten (müssen).

Toxikologen richten ihr Augenmerk nun auf andere Lebensmittel: Denn auch Fisch und in noch höherem Maße Algen enthalten viel Arsen. Sushi-Liebhaber nehmen deshalb vermutlich sehr große Mengen des giftigen Halbmetalls auf. Welchem Risiko sie sich aussetzen, muss die Forschung dringend klären. Weniger Reis auf dem Speiseplan zu empfehlen, reicht leider nicht aus.

Quelle: Donner S. UGBforum 4/17, S. 202-203