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Alkohol und Gesundheit: Zum Wohl?

Wer zu oft und zu viel Alkohol trinkt, gefährdet seine Gesundheit und riskiert, abhängig zu werden. Dagegen soll Alkohol in Maßen genossen sogar gesund sein. Tatsächlich aber werden die gesundheitlichen Risiken selbst eines moderaten Alkoholkonsums meist unterschätzt.

© Karel Miragaya/123RF.com

Europa ist beim Alkoholkonsum weltweiter Spitzenreiter. Aktuellen WHO-Daten zufolge trinken die Deutschen ab 15 Jahren 11,8 Liter reinen Alkohol (Ethanol) pro Kopf und Jahr, die Schweizer 10,7 Liter, die Österreicher 10,3 Liter, Männer im Schnitt etwas mehr als doppelt so viel wie Frauen. In Deutschland und Österreich wird der meiste Alkohol in Form von Bier getrunken (54% bzw. 50%), gefolgt von Wein (28% und 36%) und Spirituosen (18% bzw. 14%). In der Schweiz liegt der Wein an erster Stelle (49%), gefolgt von Bier (32%) und Spirituosen (18%). In Deutschland und der Schweiz sind nur etwa 4% der Männer und 7% der Frauen lebenslang abstinent. In Österreich sind es mit 14% der Männer und 22% der Frauen deutlich mehr. Zahlen aus Deutschland zeigen, dass der Alkoholkonsum nach dem Zweiten Weltkrieg mit zunehmendem Wohlstand bis 1980 (in Ostdeutschland bis 1990) anstieg, seitdem allmählich wieder rückläufig ist, sich aber immer noch auf hohem Niveau befindet.

Rasch aufgenommen, langsam abgebaut

Alkohol wird vom Körper rasch und nahezu vollständig aufgenommen. Ein voller Magen verlangsamt die Aufnahme, beschleunigend wirken Zucker, Kohlensäure und Wärme. Bereits nach 1-2 Stunden ist die maximale Blutalkoholkonzentration erreicht. Muskeln, Gehirn und Leber nehmen viel Alkohol auf, Fettgewebe dagegen wenig. Dies ist auch ein Grund dafür, dass Frauen weniger Alkohol vertragen als Männer: Neben dem meist niedrigeren Körpergewicht haben Frauen durchschnittlich mehr Fettgewebe und damit einen geringeren Körperanteil, in dem sich der Alkohol verteilt.

Die Blutalkoholkonzentration (in Promille) lässt sich näherungsweise wie folgt berechnen: Männer: Blutalkoholkonzentration (‰) = Alkoholzufuhr (g) / Körpergewicht (kg) / 0,7 Frauen: Blutalkoholkonzentration (‰) = Alkoholzufuhr (g) / Körpergewicht (kg) / 0,6

Ab 0,2‰ wirkt Alkohol anregend, man fühlt sich freier und zwangloser. Auch der Widerstand gegen weiteren Alkoholkonsum sinkt. Konzentration, Sehvermögen und Bewegungskoordination lassen jedoch bereits nach. Bei etwa 1‰ beginnt das Rauschstadium mit läppisch-heiterer oder aber depressiver Stimmung und den typischen Gleichgewichts- und Sprachstörungen wie Torkeln und Lallen. Ab 2‰ kommt es zu Gedächtnisstörungen und Orientierungsverlust. Bei über 3‰ droht die akute Alkoholvergiftung, die zu Tod durch Atemstillstand führen kann. Der weitaus größte Anteil des aufgenommenen Alkohols wird vom Körper oxidativ abgebaut. Nur wenige Prozent werden unverändert über Lunge, Haut und Urin ausgeschieden. In geringem Umfang wirkt bereits die Magenschleimhaut am Alkoholabbau mit, die Hauptarbeit hat jedoch die Leber zu leisten. Hier stehen dafür unterschiedliche Enzymsysteme zur Verfügung, deren Aktivität teilweise durch Alkohol gesteigert wird. Aus diesem Grund können Personen, die regelmäßig Alkohol trinken, diesen schneller abbauen, werden also nicht so schnell betrunken. Im Durchschnitt können Männer pro Stunde 0,1 g Alkohol und Frauen 0,085 g Alkohol pro Kilogramm Körpergewicht abbauen (siehe Kasten).

Männer: konsumierter Alkohol (in g) / (0,1 g Alkohol/kg Körpergewicht/h x kg Körpergewicht) = xxx h
Frauen: konsumierte Alkohol (in g) / (0,085 g Alkohol/kg Körpergewicht/h x kg Körpergewicht) = xxx h
Beispiel: Ein Mann (75 kg) und eine Frau (60 kg) trinken je einen Viertelliter Wein (entspricht ca. 24 g Alkohol). Beim Mann ist der Alkohol nach gut 3 Stunden abgebaut, bei der Frau erst nach knapp 5 Stunden.

Neben großen individuellen Unterschieden beim Alkoholabbau gibt es auch erhebliche Unterschiede zwischen ethnischen Gruppen, die auf verschiedenen genetischen Varianten der Alkohol abbauenden Enzyme beruhen. Insbesondere im pazifischen Raum sind viele Menschen alkoholintolerant: Bei ihnen ist die Aktivität der Alkohol abbauenden Enzyme gering und folglich führen schon kleine Mengen Alkohol zu Übelkeit, Brechreiz, Hitzegefühl, Schweißausbrüchen, Herzrasen und Schwindel. Am Beispiel der Alkoholintoleranz wird deutlich, dass sowohl Alkohol selbst als auch das Zwischenprodukt beim Alkoholabbau, Acetaldehyd, Zellgifte sind, die dem Körper schaden – und dies nicht nur bei Alkoholintoleranz.

Bestenfalls risikoarm

Die Liste der altbekannten Gefahren eines übermäßigen Alkoholkonsums ist lang: Akute Alkoholvergiftung, Alkoholabhängigkeit, Fettleber und Leberzirrhose, fetales Alkoholsyndrom, erhöhtes Risiko für Bluthochdruck, Schlaganfall, Herzrhythmusstörungen, Herzmuskelerkrankungen, (Verkehrs-)Unfälle mit teilweise tödlichem Ausgang. Einen generellen Grenzwert, unterhalb dessen Alkohol als gesundheitlich unbedenklich erachtet werden kann, gibt es nicht. Unter Fachleuten gilt als risikoarm, wenn gesunde Erwachsene ab 21 Jahren pro Tag nicht mehr als 24 g (Männer) bzw. 12 g (Frauen) Alkohol konsumieren. Das entspricht in etwa einem Viertel- bzw. Achtelliter Wein oder einem großen bzw. kleinen Bier (siehe Tabelle). Außerdem sollte es pro Woche zwei oder mehr alkoholfreie Tage geben, damit Alkohol nicht zur Gewohnheit wird.

Riskante Konsummuster

Als riskant gilt, wenn die genannten Mengen überschritten oder täglich alkoholische Getränke getrunken werden. Nach Zahlen des Epidemiologischen Suchtsurveys war dies 2012 in Deutschland bei 16% der Männer und 13% der Frauen der Fall. Ein ebenfalls riskantes Konsummuster ist das Rauschtrinken (engl. binge drinking), d.h. der Konsum von fünf oder mehr alkoholischen Getränken bei einer Gelegenheit. Im Rahmen des Epidemiologischen Suchtsurveys gaben 47 % der Männer sowie 22 % der Frauen an, im vergangenen Monat mindestens einmal bei einer Gelegenheit fünf oder mehr alkoholische Getränke zu sich genommen zu haben. Beim Rauschtrinken gibt es auffällige Altersunterschiede: Während unter den 18-20 Jährigen fast 60% Rauschtrinken praktizieren, sind es unter den 60-64 Jährigen 23%.

Von Alkoholmissbrauch wird gesprochen, wenn durch einen riskanten Alkoholkonsum psychische, soziale oder körperliche Schäden verursacht oder in Kauf genommen werden. Hierzu gehören Alkohol am Steuer oder Gewalttaten unter Alkoholeinfluss, aber auch finanzielle oder familiäre Probleme infolge Alkoholkonsums. Der Übergang zur Alkoholabhängigkeit ist fließend. Charakteristisch für eine Alkoholabhängigkeit (Sucht) sind erfolglose Versuche, das Trinken zu kontrollieren, die Vernachlässigung persönlicher Interessen und das Auftreten von Entzugserscheinungen (z.B. Schweißausbrüche, Zittern, Unruhe, Schlafstörungen). Alkoholmissbrauch kommt in Deutschland bei rund 1,8 Mio. Menschen vor, 1,6 Mio. sind akut alkoholabhängig. Männer sind mehr als doppelt so häufig betroffen wie Frauen.

Kinder und Jugendliche besonders gefährdet

Jugendliche müssen lernen, mit Alkohol verantwortungs¬voll umzugehen. Allerdings sind sie nicht nur aufgrund ihrer Unerfahrenheit gefährdet, sondern auch, weil ihr Organismus noch nicht ausgereift und daher besonders anfällig ist: Alkohol als starkes Zellgift kann gerade bei Kindern und Jugendlichen gravierende gesundheitliche Schäden, vor allem des Gehirns, verursachen. Aus diesem Grund ist für junge Menschen unter 21 Jahren Alkoholkonsum gesundheitlich immer riskant. Je früher Jugendliche außerdem mit dem Konsum von Alkohol beginnen, desto höher ist ihr Risiko, später häufig und stark Alkohol zu konsumieren und abhängig zu werden. Der von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) im Jahr 2014 durchgeführte Alkoholsurvey liefert aktuelle Zahlen zum Alkoholkon¬sum bei Jugendlichen im Alter von 12 bis 17 Jahren in Deutschland. Demnach hat weniger als jeder Vierte Jugendliche im Alter von 12-15 Jahren in den letzten 30 Tagen vor der Befra¬gung Alkohol getrunken. Bei den 16-17 Jahren alten Jugendlichen waren es deutlich mehr: 68 % der Jungen und 71 % der Mädchen. Weiterhin gaben 15 % der Jungen und 11 % der Mädchen im Alter von 12 bis 17 Jahren an, in den letzten 30 Tagen vor der Befragung mindestens einmal fünf oder mehr alkoholi¬sche Getränke bei einer Gelegenheit getrunken zu haben. Erfreulicherweise sind seit 2007 sowohl die Zahlen der Jugendlichen, die regelmäßig Alkohol konsumieren, als auch der jugendlichen Rauschtrinker rückläufig.

Macht Alkohol dick?

Mehrere Aspekte sprechen dafür, dass mit steigendem Alkoholkonsum das Risiko für eine unerwünschte Gewichtszunahme verbunden ist. Ein Gramm Alkohol liefert 7 kcal (29 kJ), und es ist bekannt, dass Energie aus alkoholischen Getränken meist zusätzlich zur Energie aus fester Nahrung aufgenommen wird. Darüber hinaus regt Alkohol den Appetit an und scheint die Wirkung von Sättigungshormonen zu hemmen. Hinzu kommt, dass während des Alkoholabbaus im Körper gleichzeitig die Fettverbrennung gehemmt und damit die Fettspeicherung begünstigt wird. Studienergebnisse hinsichtlich der Beziehung zwischen Alkoholkonsum und Gewichtszunahme bzw. Übergewicht sind jedoch widersprüchlich. Die Mehrheit spricht eher dafür, dass ein regelmäßiger moderater Alkoholkonsum das Gewicht nicht beeinflusst und sogar vor Übergewicht schützen könnte, insbesondere bei Frauen. Dies ist wahrscheinlich darauf zurückzuführen, dass ein moderater Alkoholkonsum v.a. bei Leuten anzutreffen ist, die körperlich aktiv sind und auf eine ausgewogene Ernährung achten, so dass ihre Energiebilanz langfristig ausgeglichen ist. Dagegen führt binge-drinking häufig zu einem Gewichtsanstieg. Inwiefern dies ursächlich dem Alkohol zuzuschreiben ist oder eher einem Persönlichkeitsmerkmal (binge-drinking ist oft mit binge-eating verknüpft), ist noch ungeklärt. Bezogen auf den Alkoholgehalt ist der Energiegehalt von Bier rund 30 % höher als der von Wein, da Bier zusätzlich eine nennenswerte Menge Kohlenhydrate enthält. Ob jedoch der sog. Bierbauch vom Biertrinken verursacht wird, ist nicht abschließend geklärt. Insbesondere bei einem Bierkonsum unter 500 ml pro Tag sind die Studienergebnisse widersprüchlich. Starke Biertrinker (≥ 500 ml/Tag) entwickelten dagegen langfristig häufiger eine abdominalen Adipositas. Inwiefern alkoholische Getränke wirklich das Gewicht beeinflussen, muss in weiteren Studien untersucht werden, die die Alkoholzufuhr im Kontext verschiedener Lebensstilfaktoren untersuchen und neben der Gesamtalkoholzufuhr auch die Art der Getränke und das Konsummuster erfassen.

Ist Alkohol in Maßen gesund?

Insbesondere Rotwein genießt das Image, in Maßen genossen, vor Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu schützen. Zwei französische Wissenschaftler veröffentlichten 1992 in der hochrangigen medizinischen Fachzeitschrift The Lancet ihre Beobachtungen, dass in Frankreich, verglichen mit anderen westeuropäischen Ländern, weniger Personen an koronarer Herzkrankheit verstarben trotz ähnlich ungesunder Lebensweise mit zu vielen gesättigten Fettsäuren, zu viel Tabak und zu wenig Bewegung. Der Grund für dieses sog. Französische Paradoxon wurde in der in Frankreich verbreiteten Mediterranen Ernährung mit reichlich Gemüse, Obst, Olivenöl und speziell Rotwein vermutet. Seither wurde in vielen epidemiologischen Studien übereinstimmend beschrieben, dass moderate Alkoholtrinker seltener an Herz-Kreislauf-Erkrankungen leiden bzw. sterben und im Durchschnitt länger leben. Bildlich wird die Beziehung mit einer J-förmigen Kurve beschrieben: Personen, die Alkohol in moderaten Mengen trinken, weisen ein niedrigeres Erkrankungsrisiko auf als solche, die keinen Alkohol trinken. Mit zunehmendem Alkoholkonsum steigt die Kurve und damit das Erkrankungsrisiko immer weiter an.

Studienergebnisse nur begrenzt aussagekräftig

Epidemiologische Studien können Beziehungen zwischen Ernährungsfaktoren und Krankheiten zwar beschreiben, aber nicht nachweisen, dass die beobachteten Beziehungen ursächlich sind. Zwar ist bekannt, dass Alkohol einen Anstieg des „guten“ HDL-Cholesterins bewirkt und die Fließeigenschaften des Blutes verbessert, wodurch die positive Wirkung auf Herz und Gefäße erklärt werden könnte. Allerdings sind die Wissenschaftler uneins, ob ein moderater Alkoholkonsum tatsächlich das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen senkt. Manche vermuten, dass es sich nicht um eine ursächliche Beziehung handelt, sondern ein moderater Alkoholkonsum lediglich ein Marker für einen gesunden Lebensstil darstellt und noch unbekannte Störfaktoren die bisherigen Ergebnisse verzerren. In der Tat weisen viele Studien methodische Mängel auf, weshalb ihre Ergebnisse vorsichtig interpretiert werden sollten. Typischerweise ist die Gruppe der Menschen, die lebenslang keinen Alkohol trinken, sehr klein. Daher wurden in vielen Studien auch ehemalige Trinker der Kontrollgruppe zugerechnet. Diese aber könnten augrund einer Erkrankung aufgehört haben, Alkohol zu trinken. Somit wäre eine Kontrollgruppe der Nicht-Trinker, die den Kreis der ehemaligen Trinker einschließt, im Durchschnitt bei schlechterer Gesundheit als die Gruppe der moderaten Trinker. Ein weiterer Schwachpunkt vieler Studien ist die Erfassung der Alkoholzufuhr, die oft nur einmalig mittels Fragebögen erhoben wurde. Aus den Angaben der Studienteilnehmer wird eine durchschnittliche Alkoholzufuhr pro Tag berechnet, die aber keine Aussagen dazu erlaubt, ob jemand regelmäßig wenig oder gelegentlich deutlich zu viel Alkohol trinkt oder sein Trinkverhalten im Verlauf der Zeit ändert. Dabei ist bekannt, dass Rauschtrinker gegenüber moderaten Trinken und Abstinenzlern ein erhöhtes Gesundheitsrisiko haben. Außerdem sind diverse weitere Faktoren bekannt, die den Zusammenhang zwischen Alkohol und Gesundheit verschleiern (z.B. Alter, Geschlecht, Rauchen, sozioökonomischer Status, diverse Ernährungsfaktoren), die aber nicht in allen Studien bei der Datenauswertung angemessen berücksichtigt wurden.

Ist Wein besser als Bier?

Ob Wein gegenüber Bier und Spirituosen eine stärkere Schutzwirkung bietet, wird ebenfalls kontrovers diskutiert. Die Ergebnisse mancher Studien legen nahe, dass der Konsum von Wein, und in einem geringeren Maße der Konsum von Bier, das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen vermindern, während der Konsum von Spirituosen es tendenziell erhöht. Insbesondere Rotwein enthält ein komplexes Gemisch an Polyphenolen, die während der Maischegärung aus den Schalen der Trauben freigesetzt werden und antioxidative, antikarzinogene, anti-entzündliche und blutdrucksenkende Wirkungen haben. Eine in dieser Hinsicht intensiv beforschte Substanz ist das Polyphenol Resveratrol. Eine 2014 publizierte Studie stellte jedoch fest, dass die Menge an Resveratrol, die über die Ernährung einschließlich moderater Mengen Rotwein aufgenommen wird, keinen nennenswerten Effekt auf die Gesundheit hat.

Alles bloß ein Irrtum?

Um eine potenzielle gesundheitsfördernde Wirkung eines moderaten Alkoholkonsums tatsächlich nachzuweisen, müssten randomisierte klinische Studien durchgeführt werden. Diese wären nicht nur sehr aufwendig in der Durchführung, sondern scheiden wegen der Gefahr von Missbrauch und Abhängigkeitsentwicklung nach ethischen Gesichtspunkten aus. Vor diesem Hintergrund sind die Ergebnisse einer 2014 veröffentlichten Studie interessant, die den Alkoholkonsum und das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen von Trägern und Nicht-Trägern einer bestimmten Variante des Gens für die Alkoholdehydrogenase 1B (ADH1B) untersuchte. Alkoholdehydrogenasen sind alkoholabbauende Enzyme und kommen beim Menschen in verschiedenen Formen vor, u.a. ADH1B. Eine Variante des Gens für ADH1B führt dazu, dass die betroffenen Personen auf Alkohol eher mit Hitzewallungen reagieren und daher durchschnittlich weniger Alkohol konsumieren als Nicht-Träger dieser Genvariante. In der genannten Studie tranken Träger der besagten Genvariante im Vergleich zu Nicht-Trägern insgesamt 17 % weniger Alkohol, seltener bis zum Rausch und häufiger auch gar keinen Alkohol. Unabhängig davon, ob sie zur Gruppe der Nicht-Trinker, der moderaten Trinker (<24 g Alkohol/Tag) oder der starken Trinker (≥24 g/Tag) gehörten, wiesen die Träger der Genvariante ein günstigeres Profil von kardiovaskulären Risikofaktoren (z.B. Blutdruck, BMI, Cholesterin-Werte) auf und litten auch seltener an Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Die in epidemiologischen Studien oft gefundene J-förmige Beziehung zwischen Alkoholkonsum und Herz-Kreislauf-Erkrankungen konnte nicht bestätigt werden. Die Autoren der Studie schlussfolgern, dass eine Reduzierung des Alkoholkonsums auch für moderate Trinker günstig für die Gesundheit des Herz-Kreislaufsystems ist und der in epidemiologischen Studien beobachtete Schutzeffekt eines moderaten Alkoholkonsums vermutlich bloß ein Artefakt ist. Gerade weil die potenziellen Vorteile eines moderaten Alkoholkonsums umstritten sind, müssen sie gegen mögliche Gesundheitsrisiken sorgfältig abgewogen werden. Ein erhöhtes Risiko für diverse Krebserkrankungen ist dabei die Hauptsorge.

Fördert Alkohol Krebs?

Bereits Ende der 1980er Jahre stufte die Internationale Agentur für Krebsforschung (International Agency for Research on Cancer, IARC) alkoholische Getränke als Risikofaktor für Tumore von Mundhöhle, Kehlkopf, Rachen, Speiseröhre und Leber ein. Seitdem wiesen die Ergebnisse vieler Studien darauf hin, dass Alkohol auch als Risikofaktor für Brustkrebs bei Frauen und Dickdarmkrebs anzusehen ist, woraufhin 2010 von der IARC auch Dickdarm- und Brustkrebs als alkoholabhängige Krebsarten eingestuft wurden. Weiterhin wird diskutiert, ob Alkohol auch das Risiko für Krebs von Magen, Bauchspeicheldrüse, Lunge und Gallenblase erhöht. Bislang galt vor allem ein hoher Alkoholkonsum über der als risikoarm erachteten Menge als krebsfördernd, insbesondere bei Rauchern. In den letzten Jahren veröffentlichte Studien weisen jedoch zunehmend darauf hin, dass bereits ein leichter bis moderater Alkoholkonsum wohl auch bei Nichtrauchern das Krebsrisiko erhöhen kann.

In der 2009 veröffentlichten „Million Women Study“ wurde bei über 1,2 Millionen Frauen in Großbritannien über einen Zeitraum von über 7 Jahren das Krebsrisiko in Abhängigkeit vom Alkoholkonsum untersucht. Bei Frauen, die Alkohol tranken, stieg mit steigendem Alkoholkonsum das Risiko für Krebs von Mundhöhle, Kehlkopf, Rachen, Speiseröhre, Mastdarm, Leber und Brust sowie insgesamt für alle Krebsarten signifikant an. Als Vergleichsgruppe dienten dabei Frauen, die weniger als 2 alkoholische Getränke pro Woche konsumierten. Demgegenüber hatten Frauen, die 3-6 alkoholische Getränke pro Woche tranken, also eine Menge, die üblicherweise als harmlos angesehen wird, bereits ein statistisch signifikant erhöhtes Krebsrisiko. Aus den Daten schätzten die Autoren die Zahl der dem Alkohol zuzuschreibenden zusätzlichen Krebsneuerkrankungen pro einem zusätzlichen alkoholischem Getränk pro Tag (à ca. 10 g Alkohol). Sie schlussfolgern, dass bereits ein zusätzlicher Drink pro Tag dazu führt, dass von 1000 Frauen bis zum Alter von 75 Jahren zusätzlich 15 an einer der genannten Krebsarten erkranken. Die Ergebnisse der „Million Women Study“ werden bezüglich Brustkrebs von Daten der „Nurses’ Health Study“ gestützt. Frauen, die lediglich 5-9,9 g Alkohol pro Tag tranken (in etwa 3-6 Gläser Wein pro Woche) hatten gegenüber Frauen, die keinen Alkohol tranken, ein um 15% erhöhtes Brustkrebsrisiko.

Daten der „Nurses’ Health Study“ und der „Health Professionals Follow-up Study“ deuten weiterhin darauf hin, dass sich sowohl bei Männern als auch bei Frauen, das Risiko an Krebs allgemein zu erkranken bei moderatem Alkoholkonsum um 2-6 % erhöht, sowohl bei Rauchern als auch bei Nicht-Rauchern. Bei Personen, die mehr als 30 g Alkohol pro Tag tranken, erhöhte sich das Krebsrisiko - wie zu erwarten war - stärker, und zwar stärker bei Rauchern als bei Nicht-Rauchern. Ähnlich wie in den zuvor beschriebenen Studien zeigte sich auch hier, dass Frauen, die Alkohol lediglich moderat konsumierten (5-14,9 g/Tag), bereits ein um 13% erhöhtes Risiko für alkoholabhängige Tumore hatten, was vor allem auf ein erhöhtes Brustkrebsrisiko zurückgeführt werden konnte. Eine 2015 veröffentlichte Meta-Analyse untersuchte den dosisabhängigen Einfluss von Alkohol auf 23 verschiedene Krebsarten, indem die Daten von 572 zuvor veröffentlichten Studien ausgewertet wurden. Demnach erhöhte bereits ein regelmäßiger, leichter Alkoholkonsum (≤12,5 g/Tag) das Risiko für Krebs von Mundhöhle und Rachen um 13 % gegenüber Nicht-Trinkern und gelegentlichen Alkohol-Trinkern, für das Plattenepithelkarzinom der Speiseröhre um 26 % und für Brustkrebs um 4 %. Moderater Alkoholkonsum (hier definiert als 12,6-50 g/Tag) erhöhte das Risiko für Kehlkopfkrebs um 44 % und für Dickdarmkrebs bei Männern um 21 %. Frauen, die Alkohol in moderaten Mengen tranken, hatten dagegen kein signifikant erhöhtes Darmkrebsrisiko.

Wahrscheinlich liegen dem krebsfördernden Effekt von Alkohol mehrere Mechanismen zugrunde, die noch nicht vollständig verstanden sind. Im oberen Verdauungstrakt schädigt Alkohol das Gewebe, mit dem er in Verbindung kommt, und fungiert zusätzlich als Lösungsmittel für Karzinogene, deren Aufnahme so erleichtert wird. Darum erhöht Rauchen in Kombination mit Alkohol das Risiko für Tumore von Mund- und Rachenraum stärker als jeweils Rauchen oder Alkohol alleine. Das giftige Alkoholabbau-Produkt Acetaldehyd schädigt vor allem die Leber und die Gewebe des Mund- und Rachenraums sowie der Speiseröhre. Alkohol beeinträchtigt außerdem die Folsäure-Absorption und begünstigt einen Folat-Mangel, was mit verschiedenen Krebsarten, besonders Darmkrebs, in Verbindung gebracht wird. Ebenso erhöht Alkohol den Östrogenspiegel bei Frauen, was wahrscheinlich Brustkrebs begünstigt. Er beeinträchtigt außerdem das Immunsystem, wodurch Krebszellen häufiger nicht erkannt und vernichtet werden. Weniger ist immer besser Es gibt keine Alkoholmenge, die als sicher im Sinne von nicht gesundheitsschädlich betrachtet werden könnte. Es ist folglich auch nicht ratsam, der Gesundheit zuliebe alkoholische Getränke in Maßen zu trinken oder im Rahmen der Ernährungsberatung zu empfehlen. Zum einen besteht immer die Gefahr des Missbrauchs und der Entwicklung einer Abhängigkeit. Zum anderen wiegt das schon bei moderatem Alkoholkonsum steigende Krebsrisiko möglicherweise das niedrigere Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen auf, sofern letzterer Effekt überhaupt existiert. Kinder und Jugendliche, Schwangere und Stillende sowie Suchtgefährdete sollten gar keinen Alkohol trinken, ebenso Personen, die Medikamente einnehmen müssen, die nicht mit Alkohol verträglich sind. Wer familiär bedingt ein erhöhtes Risiko für bestimmte Krankheiten hat (z.B. Alkoholabhängigkeit, Brustkrebs, Darmkrebs, Herz-Kreislauf-Erkrankungen in jungem Alter) oder wer bereits an einer Erkrankung des Herz- und Gefäßsystems leidet, sollte höchstens sporadisch Alkohol trinken und sich von seinem Arzt beraten lassen.

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