AFA-Algen: Das blaue Wunder?

Als Urnahrung, Wunderwaffe der Natur und grünes Manna wird die blaugrüne Süßwasseralge angepriesen. Mediziner halten jedoch wenig von dem eiweißreichen Nahrungsergänzungsmittel. Was steckt tatsächlich in den kleinen Pillen und Pülverchen?

AFA AFA-Algen

AFA-Alge: ein populäres Nahrungsergänzungsmittel

Bereits seit Jahren ist die AFA-Alge in Nordamerika als Nahrungsergänzungsmittel populär. Auch bei uns schlucken immer mehr Menschen die getrocknete Wasserpflanze, die hierzulande auch als AKFA- oder Alpha-Alge angeboten wird. Die Algen gibt es als Pulver oder zu Pillen gepresst. Mehr Energie, Lebensfreude und Schutz vor zahlreichen Erkrankungen wie Osteoporose, Krebs und Alzheimer sollen die kleinen blau-grünen Tabletten bringen. Auch Allergien, Übergewicht, Hormonstörungen und Schwermetallbelastung lassen sich angeblich erfolgreich behandeln. Und damit ist die Liste der aufgeführten Heilwirkungen bei weitem noch nicht zu Ende.

Nährstoffgehalt der AFA-Alge stark überbewertet

Wissenschaftler betrachten die Sache deutlich nüchterner. Bei den so genannten AFA-Algen handelt es sich um Cyanobakterien, die überwiegend aus Eiweiß bestehen. Anders als Braun- oder Rotalgen wachsen die Bakterien im Süßwasser und enthalten nur wenig Jod. Sie können daher als Nahrungsergänzungsmittel vertrieben werden. Neben etwa 70 Prozent Eiweiß besteht das getrocknete Produkt aus ca. 12-20 Prozent Kohlenhydraten und 2-6 Prozent Fett. Der Rest verteilt sich auf Mineralstoffe, Vitamine und sekundäre Pflanzenstoffe. Die Angaben schwanken je nach Hersteller erheblich. Befürworter heben vor allem den hohen Gehalt an Vitaminen, Mineralstoffen, Fettsäuren, Aminosäuren und Chlorophyll hervor. Da von den getrockneten Bakterien jedoch nicht mehr als 1,5 Gramm am Tag empfohlen werden, ist die absolute Nährstoffaufnahme gering. So enthält eine Scheibe Käse etwa zwanzigmal so viel Calcium wie eine Tagesdosis Algen. Und eine Scheibe Vollkornbrot liefert fast das Hundertfache an Zink. Mit den anderen Mikronährstoffen sieht es ähnlich aus. Die Algen-Vertreiber betonen zwar die hohe Verfügbarkeit der Nährstoffe. Dies macht jedoch die geringen Nährstoffmengen pro Portion nicht wett. Ob AFA-Algen für Vegetarier eine so gute Quelle für Vi-tamin B12 sind, wie die Anbieter behaupten, ist ebenfalls fraglich. Denn Algen enthalten überwiegend eine Form des Vitamins, das für den Menschen nicht nutzbar ist.

AFA - die Facts

Die Aphanizomenon-Flos-Aquae-Alge, abgekürzt AFA, wird ebenso wie Spirulina und Chlorella den Süßwasseralgen zugeordnet. Dabei ist sie eigentlich gar keine Alge, sondern gehört zu den Cyanobakterien. Anders als ihre beiden tropischen Verwandten wird sie nicht gezüchtet, sondern wild aus Gebirgsseen geerntet. In Deutschland erhältliche Präparate stammen aus dem Klamath Lake (Bild links) in Oregon (USA). Die Algen werden abgefischt, anschließend gewaschen, gefiltert und je nach Hersteller sprüh- oder gefriergetrocknet. In den Handel kommen sie entweder als Pulver oder zu Tabletten gepresst. Sie werden überwiegend über das Internet vertrieben, sind aber teilweise auch in Naturkostläden und Reformhäusern erhältlich. Pro hundert Tabletten muss man stolze 25 bis 50 Euro hinlegen. Da täglich drei Tabletten á 0,5 Gramm empfohlen werden, ist mit 0,75 bis 1,50 Euro pro Tag zu rechnen.


AFA-Algen sind kein Heilmittel für überaktive Kinder

Unabhängige, wissenschaftliche Studien über die gesundheitlichen Wirkungen gibt es kaum. Die Algenbefürworter untermauern ihre Behauptungen mit zahlreichen persönlichen Erfahrungsberichten: "Ich gewann unglaubliche Energie und mehr Lebensfreude", schildert eine Anhängerin. "Nach vier Wochen Algeneinnahme", jubelt ein anderer Konsument, "verschwanden meine allergischen Symptome komplett". Besonderes Aufsehen erregt hierzulande der Einsatz bei hyperaktiven Kindern. Innerhalb weniger Wochen sollen sich schulische Leistung und Konzentrationsfähigkeit deutlich verbessern und die Kinder ruhiger und ausgeglichener werden. Die Alge wird daher sogar als Ersatz für das umstrittene Medikament Ritalin gehandelt. Hintergrund für diese Behauptung ist eine Studie aus Nicaragua, die von einem kanadischen Algenvertreiber initiiert wurde. Rund 2000 Grundschüler bekamen sechs Monate lang täglich ein Gramm AFA-Algen. Während dieser Zeit verbesserten sich die schulischen Leistungen erheblich. Eine Studie aus Kanada, die ebenfalls von einem Hersteller finanziert wurde, kommt zu einem ähnlichen Ergebnis.

Als Gründe führen die Befürworter die in den Algen enthaltenen Aminosäuren, Omega-3-Fettsäuren, Mineralstoffe und Vitamine auf. Diese Nährstoffe sollen die Gehirnfunktion anregen und die Botenstoffe im Gehirn regulieren. Tatsächlich spielen zahlreiche Nährstoffe bei der Nervenübertragung und Gehirnentwicklung eine wichtige Rolle. Algen sind jedoch im Vergleich zu Lebensmitteln keine so überragenden Quellen wie die Vertreiber glauben machen. Von der als "Brainfood" hoch gelobten Alpha-Linolensäure kann man mit einem Esslöffel Walnussöl wesentlich mehr aufnehmen als mit einer Tagesration Algen. Weitere Omega-3-Fettsäuren kommen, anders als vielfach behauptet, in AFA-Algen gar nicht vor. Zudem nützen die an der Nervenübertragung beteiligten Nährstoffe nur etwas, wenn ein Mangel vorliegt. Das deutsche Bundesinstitut für gesundheitlichen Verbraucherschutz warnt vor dem Einsatz von AFA-Algen bei Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-Syndrom (ADHS): "Es gibt keinerlei wissenschaftliche Belege für eine therapeutische Wirksamkeit," urteilt die Behörde.

AFA: Gifte aus Algen?

AFA-Algen sind zudem in Verruf gekommen, weil sie potenziell giftige Stoffe enthalten können. Einige Stämme der Cyanobakterien produzieren giftige Microcystine, die zu Übelkeit, Erbrechen, Durchfall, Apathie und bei hoher Aufnahme zu Nerven- und Leberschäden führen können. Eine amerikanische Untersuchung von 1995 stellte fest, dass viele Algenpräparate die tolerierbare Aufnahmemenge (1 ppm/Tag) überschritten. In den hierzulande angebotenen Algenprodukten aus dem Klamath Lake (USA) liegen die Gehalte an den Microcystinen weit unterhalb des Grenzwertes. Seriöse Anbieter lassen die Ware regelmäßig untersuchen. Das Bundesinstitut für gesundheitlichen Verbraucherschutz rät aus Sicherheitsgründen dennoch davon ab, Kindern AFA-Algenprodukte zu verabreichen. Denn Heranwachsende reagieren besonders empfindlich auf das Lebergift.

Ob Algen also wirklich eine Wunderwaffe der Natur sind, bleibt fraglich. Allerdings ist denkbar, dass die enthaltenen bioaktiven Substanzen wie Chlorophyll und Carotinoide positiv auf unsere Gesundheit wirken. In einer kanadischen Studie konnte beispielsweise ein Einfluss auf das Immunsystem beobachtet werden. Nach Einnahme von 1,5 Gramm Algenkonzentrat stellten die Forscher bei den Teilnehmern eine Mobilisierung verschiedener Immunfaktoren im Blut fest. Die Autoren halten es prinzipiell für möglich, dass AFA-Algen ein Potenzial zur Vorbeugung von Virusinfektionen und Krebs haben. Bevor man jedoch sichere Aussagen machen kann, sind noch zahlreiche Forschungen nötig. Einige Vertreiber nutzen diese Situation aus und versprechen das Blaue vom Himmel. Schade, denn dadurch wird eine seriöse Auseinandersetzung mit den Mikrolebewesen erschwert.

Quelle: Dittrich, K.: UGB-Forum 4/2003, S. 212-213