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Empowerment: Das Leben selbst in die Hand nehmen

Empowerment will Menschen dazu befähigen, ihr Leben Schritt für Schritt und dauerhaft zu verändern. Mit der Methode lässt sich in der Gruppen- wie in der Einzelberatung eine neue Sichtweise vermitteln, die zu mehr Selbstbestimmung führt.

Empowerment- Leben

Empowerment wurde vor rund 20 Jahren in den Vereinigten Staaten entwickelt, um Menschen zu einer neuen Lebenshaltung zu motivieren. Leider gibt es keine gute Übersetzung für den Begriff. Wörtlich übersetzt bedeutet es: "Bemächtigung". Da dieser Begriff keine bzw. eher negative Emotionen erzeugt, wird in Deutschland das englische Wort "Empowerment" beibehalten. Unter Empowerment werden zum einen alle Möglichkeiten und Hilfen verstanden, mit denen Menschen Kontrolle über ihr Leben gewinnen und die sie bei der Umsetzung ihrer Ziele unterstützen. Die Methode wird unter anderem in der psychosozialen Arbeit eingesetzt, um den Patienten zu stärken und ihm Vertrauen zu geben, dass er sein Leben wieder selbst gestalten kann. Eine weitere Definition versteht unter Empowerment eine Methode, die individuellen Fähigkeiten und Stärken des Einzelnen sowie seiner Mitmenschen zu mobilisieren, damit alle zusammen kompetenter, freier und verantwortungsvoller denken und handeln können. Vielfach wird Empowerment daher in Seminaren für Führungskräfte vermittelt. Ziel ist hier, die Eigenverantwortlichkeit der Mitarbeiter zu fördern, um ihre Leistungen und damit die Produktivität eines Unternehmens zu verbessern.

Empowerment: Eine neue Lebenseinstellung

Es gibt noch viele weitere Definitionen, doch treffen sie alle nicht wirklich den Kern. So formuliert scheint Empowerment "nur" eine Verbesserung in Richtung Eigenständigkeit, Verantwortung und Entfaltung der Menschen zu sein. Diese Erklärungen verfehlen aber eine zentrale Bedeutung des Begriffs: Empowerment basiert auf einer neuen Lebensphilosophie, einer neuen Sicht des Menschen und seinem Platz in dieser Welt. Das heißt, letztendlich entspricht diese Sichtweise einer neuen Kultur.

Unsere Gesellschaft ist krankhaft damit beschäftigt herauszufinden, was nicht funktioniert und was im Menschen angeblich ungenügend oder sogar fehlerhaft sein könnte. Einen Gärtner würde eine solche Sichtweise dazu verleiten, sich besessen mit der Ausrottung des letzten Unkrauts zu beschäftigen, so dass er darüber das Pflanzen und Pflegen der Blumen gänzlich vernachlässigt.

Empowerment bedeutet dagegen, sich von der Einstellung zu befreien, dass wir fehlerhaft seien und das Leben voller Probleme wäre. Diese Ansicht wird oft schon in frühster Kindheit geprägt. Die Methode lässt das Vertrauen in uns wachsen, dass wir das Leben erschaffen können, nachdem wir uns sehnen. Empowerment basiert auf einer neuen Lebenshaltung, die besagt, dass wir viel stärker, größer und fähiger sind, als wir zu denken wagen, dass wir die Kraft haben uns zu ändern, um mehr Freiheit, Verantwortung und Lebensfreude zu erleben und dass wir die Anderen und die Welt bereichern können.

Einige Leser denken möglicherweise an dieser Stelle: "Alles schön und gut, was aber bedeutet das konkret? Wie komme ich dorthin?" Es ist wichtig, sich zuerst klar zu machen, dass es hier nicht um Management-Techniken oder Übungen in sozialer Kompetenz geht. Vielmehr handelt es sich um einen Paradigma-Wechsel, um eine neue Lebenskultur, die gerade erst entsteht. Unter Paradigma ist ein unbewusster Denkrahmen zu verstehen, der für eine bestimmte Kultur Gültigkeit hat. Und diesen Denkrahmen gilt es zu verändern.

Empowerment: Das Prinzip des freien Willens

Tag für Tag treffen wir, mehr unbewusst als bewusst, Entscheidungen für unser Leben. Ein Empowerment-Prinzip ist, das lieber bewusst und lebensbejahend als unbewusst und leidend zu tun. Um das Prinzip des freien Willens zu üben, gibt es verschiedene Ansätze, die in Empowerment-Workshops trainiert werden können: Übung 1: Die Teilnehmer erstellen zunächst eine Liste, was sie in ihrem Alltag so alles erfüllen sollen und müssen. Anschließend werden alle "Ich soll ..." ersetzt durch "Ich will ..." oder "Ich will nicht mehr ...". "Ich muss ..." wird ersetzt durch "Ich entscheide mich dafür ..." bzw. "Ich entscheide mich dagegen ...".Diese Übung ist ein Schritt in Richtung mehr Selbstbestimmung und Selbstverantwortung. Die Teilnehmer begreifen: "Ich entscheide für mein Leben." Übung 2: Die Teilnehmer stellen sich auf einer Fantasiereise vor, was wäre: "Wenn ich nur noch ein Jahr zu leben hätte ...".Diese Übung hilft zu entdecken, wonach wir uns wirklich sehnen und was wir Tag für Tag verschieben, als ob wir ein zweites Leben im Kofferraum hätten. Sie hilft uns klar zu machen, was uns wirklich wichtig ist und die entsprechenden Prioritäten zu setzen.

Das Prinzip der mentalen Reinigung

Bei diesem Prinzip geht es darum, uns von unseren limitierenden Glauben (limiting beliefs) zu befreien. Darunter sind An- und Einsichten zu verstehen, mit denen man sich selbst Grenzen setzt. So beschränkt man sich selbst häufig mit Ausdrücken wie "Das schaffe ich nie ..."; andere Menschen reduziert man mit Aussagen wie "Männer/Frauen sind so ...". Völlig entmutigend wirkt auch "Man kann sowieso nichts ändern". Diese limitierenden Glauben haben wir in einer Zeit gelernt, als unser kritischer Verstand noch nicht entwickelt war und als wir alles glaubten, was unsere Eltern bzw. Erwachsene uns sagten.

Doch die "limiting beliefs" verhindern unser Wachstum und machen uns unglücklich. Es ist einfach tragisch, wenn wir heute noch darunter leiden, dass wir als Kinder mit ängstlichen, depressiven oder verbitterten Eltern aufgewachsen sind. Nichts ist wichtiger und dringender, als uns von diesen negativen Glauben zu befreien. Dies gelingt z. B. mit folgender Übung: Übung 3: Die Teilnehmer sammeln gemeinsam alle limitierenden Glauben aus ihrem Alltag.

Häufig genannt wird beispielsweise: "Wenn ich es nicht mache, macht es doch niemand." Jeder wählt sich ein paar Sätze aus, die ihm besonders wichtig für sein Leben erscheinen. In kleinen Gruppen werden diese limitierenden Glauben entschärft ("Turnaround"), so dass sie nicht mehr wirken können. Ein Turnaraound zu der obigen Aussage könnte etwa lauten: "Die Erde hat sich 15 Milliarden Jahre ohne mich gedreht".

Empowerment: Das schöpferische Prinzip

Das schöpferische Prinzip beschreibt, wie man sich von Hilflosigkeit und Opferhaltung befreien und sich hin zu Visionen und deren Verwirklichung wenden kann. Es wird ein Weg aufgezeigt, um selbst schöpferisch zu werden. Es geht nicht darum, Probleme zu verleugnen, sondern sie als Herausforderungen zu betrachten mit dem Wissen, dass sie lösbar sind. Kreative Kräfte können mit der so genannten Zukunftswerkstatt freigesetzt werden: Übung 4: Die Zukunftswerkstatt von Robert Jungk und Norbert Müller entwickelt beinhaltet drei Phasen: 1. Die Katharsis-Phase: "Was funktioniert nicht, was ist unbefriedigend, was stört mich bzw. uns?" Die Teilnehmer sammeln alles, was ihnen dazu einfällt. Das kann jeder nur für sich persönlich tun, z. B. auf Karteikärtchen, oder eine Gruppe sammelt ihre Aussagen gemeinsam auf Karten und heftet sie auf Plakatwände.2. Die Visions-Phase: "Wie hätte ich es gerne? Wie wäre es gut? Was sollte entstehen, so dass ich vollständig zufrieden wäre?" In dieser Phase wird wie beim Brainstorming keine Beschränkung von Zeit und Geld berücksichtigt, keine Kritik, kein "Ja, aber ..." zugelassen. Es geht um Visionen.3. Die Verwirklichungs-Phase: Nachdem eine Vision ausgewählt wurde, wird die realistische Umsetzung geplant: "Was sind unsere Ressourcen? Wer kann mit uns kooperieren? Wer kann uns unterstützen? Was werden unsere ersten Schritte sein, was die weiteren?" Auch dieser Schritt kann sowohl in Einzel- als auch in Gruppenarbeit erfolgen.

Sich und die Welt verändern

Empowerment geht weit über die drei Prinzipien und die Übungen, die hier dargestellt sind, hinaus. Es ist eine neue Haltung, eine neue Art in der Welt zu sein. Für jeden persönlich bedeutet das, mehr Selbstbestimmung und Freiheit zu gewinnen, aber auch Verantwortung zu übernehmen und selbst schöpferisch zu werden statt Opfer zu bleiben. Die neue Sichtweise verändert auch den Umgang mit Anderen: Man lernt unterschiedliche Meinungen und Kulturen schätzen und gewinnt neuen Respekt vor seinen Mitmenschen, auch wenn man sie nicht versteht. Man traut sich, ein Zusammenarbeiten anzubieten, scheut sich aber auch nicht vor einer Konfrontation. Im Mittelpunkt steht die so genannte "Win-Win"-Haltung, um neue Lösungen zu finden; das heißt, man verfolgt nur die Ansätze, die den Anderen und einen selbst vollkommen befriedigen.

Schließlich erfährt man, sich als Teil eines größeren Ganzen zu begreifen: Man fühlt sich als aktives, verantwortliches und schöpferisches Mitglied sowohl der Familie, der Gesellschaft als auch der ganzen Erde. Das bedeutet auch eine aktive Teilnahme an der Evolution und birgt die Chance, Mit-Schöpfer zu sein. Wem diese Haltung in Kursen oder Beratungen vermittelt werden kann, der geht mit neuem Mut an seine Probleme heran und meistert sein Leben mit gesundem Selbstbewusstsein.

Quelle: Richter, E.: UGB-Forum 4/00, S. 182-184

Foto: FranziH / pixelio.de


Dieser Beitrag ist dem UGB-Archiv entnommen.

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