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Wie sinnvoll sind Carnitinpräparate?

Unser Körper synthetisiert L-Carnitin in ausreichenden Mengen selbst. Zusätzlich nehmen wir es über die Nahrung auf. Während eine Einnahme bei einigen Erkrankungen therapeutisch sinnvoll erscheint, ist sie für Gesunde nicht zu empfehlen.

L-Carnitin dient im menschlichen Organismus dazu, langkettige Fettsäuren aus dem Zellplasma in die Mitochondrien zu transportieren. Dort werden sie zur Energiegewinnung oxidiert. Beim Gesunden bildet der Körper L-Carnitin aus den beiden Aminosäuren Lysin und Methionin unter Mithilfe von Vitamin C, Eisen, Vitamin B6 und Niacin dem Bedarf entsprechend selbst. Auch über die Nahrung nehmen wir L-Carnitin auf. In größeren Mengen kommt es aber nur in Fleisch vor. Deshalb nehmen Veganer mit 2 mg pro Tag im Vergleich zu Mischköstlern mit 32 mg sehr viel weniger L-Carnitin auf. Studien zeigen jedoch, dass auch bei carnitinarmer Kost keine Mangelerscheinungen auftreten. L-Carnitin wird im Stoffwechsel nicht vollständig verbraucht, sondern zum Teil in der Niere wieder rückresorbiert. Ein Auffüllen der Körperspeicher, also das Anlegen eines L-Carnitin-Vorrates, ist nicht möglich. Wer seine Zufuhr erhöht, scheidet auch mehr aus.

Störungen in der Biosynthese, bei der Aufnahme oder eine erhöhte Ausscheidung durch Organschäden oder Medikamente können Gründe für einen L-Carnitin-Mangel sein. Auch chronische Krankheiten wie Diabetes mellitus, Herzinsuffizienz und Alzheimer Krankheit können einen Mangel zur Folge haben. In diesen Fällen muss der Arzt entscheiden, ob und wieviel L-Carnitin therapeutisch sinnvoll ist. Bei Nieren- und Herzinsuffizienz kann die Einnahme von L-Carnitin zu einer Verbesserung der Herzfunktion und der körperlichen Leistungsfähigkeit sowie zu weniger Komplikationen bei der Dialyse beitragen. Bei Risiko- schwangerschaften (mit Unterentwicklung des Kindes), Plazentainsuffizienz, Mehrlingsgeburten und Schwangerschaftsdiabetes weisen Studien mit Schwangeren darauf hin, dass eine L-Carnitin-Supplementation positive Effekte auf die fetale Lungenreife und die Frühgeborenensterblichkeit ausübt.

Für gesunde Menschen überflüssig

Bei Gesunden konnten Studien dagegen bisher keine positiven Effekte auf die körperliche Leistungsfähigkeit belegen, weder für die Kurz- noch die Langzeitanwendung von L-Carnitin. Viele Ausdauersportler setzen die Präparate ein, um ihre Leistung zu steigern und Muskelschmerzen zu vermindern. Doch die L-Carnitin-Verluste bei starker körperlicher Belastung sind mengenmäßig so gering, dass sie durch körpereigene Biosynthese und die Nahrung leicht auszugleichen sind. Positive Effekte auf Lactatspiegel, Fettsäurenverbrennung, Sauerstoffverbrauch, Herzfrequenz, Regeneration sowie Muskelschäden und -schmerzen bei Sportlern wurden zwar teilweise beobachtet, der Wirkmechanismus der L-Carnitin-Einnahme konnte aber bisher nicht eindeutig geklärt werden. Möglicherweise erhöht L-Carnitin die Energiebereitstellung aus Fettsäuren, indem es den maximalen Sauerstoffverbrauch anregt und damit den Abbau von Glykogen im Muskel vermindert. Da aber kein nachweisbarer Effekt einer Einnahme auf den L-Carnitin-Gehalt im Muskel belegt ist, wird ein extramuskulärer Wirkungsmechanismus in Betracht gezogen. Denkbar ist, dass L-Carnitin die Zufuhr von biochemischen Stoffen, z. B. Nährstoffen oder Hormonen, und Sauerstoff zum aktiven Muskel verbessert. Hersteller werben zudem damit, dass L-Carnitin hilft, Fettdepots abzubauen. Die wenigen Untersuchungen an Übergewichtigen liefern jedoch keine eindeutigen Ergebnisse.

Schädliche Wirkungen durch die Aufnahme größerer Mengen L-Carnitin konnten bis jetzt nicht nachgewiesen werden. Vermutlich gewöhnt sich der Körper aber an L-Carnitin-Präparate und stellt seine Eigensynthese teilweise oder ganz ein. Eine Substitution ist also nur bei nachgewiesener Störung des L-Carnitin-Stoffwechsels in kontrollierten Mengen sinnvoll und sollte nicht als Selbstmedikation vorgenommen werden.

Stand: 2004