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Was ist bei der Ernährung von Frühgeborenen besonders zu beachten?

Frühgeborene benötigen aufgrund ihres niedrigen Körpergewichtes und ihrer unausgereiften Verdauungs- und Stoffwechselfunktionen eine ganz spezifische Nährstoffzufuhr, um sich optimal zu entwickeln. Je nach Reifezustand des Frühgeborenen ist eine Ernährung mit angereicherter Muttermilch oder künstlicher Formulanahrung oral möglich oder eine parenterale Ernährung notwendig.

Von einer Frühgeburt spricht man, wenn die Schwangerschaft mindestens 28 und nicht länger als 37 Wochen dauert. Die Häufigkeit beträgt in Deutschland etwa 4-8 % der Geburten. Überlebensfähig sind Frühgeborene heutzutage meist ab 1000 g Geburtsgewicht. Organe, Verdauungs- und Stoffwechselfunktionen sind noch nicht ausgereift und je nach Alter und Zustand des Kindes in ihrer Funktion stark eingeschränkt. Kinder, die weniger als 32-34 Wochen im Mutterlieb verbracht haben, sind selten fähig zu saugen, zu schlucken und selbstständig zu atmen. Oft ist außerdem die Beweglichkeit und Aufnahmefähigkeit des Verdauungstraktes unzureichend. Teilweise noch fehlende oder zu niedrige Enzymaktivitäten bereiten zusätzlich zu den Schwierigkeiten bei der Nahrungsaufnahme Probleme bei der Verarbeitung der aufgenommenen Nährstoffe. Frühgeborene benötigen daher eine optimal auf ihre Bedürfnisse abgestimmte Zusammensetzung der Nahrung und eine geeignete Ernährungsform, um sich auch außerhalb des Mutterleibes gut zu entwickeln. Die Ernährung des Frühgeborenen richtet sich danach, ob das Kind die Nahrung über den Verdauungstrakt aufnehmen kann und, ob Muttermilch zur Verfügung steht. Mit Muttermilch kann das Kind über die Brust und/oder per Magensonde versorgt werden. Frühgeborenen fehlen die Energievorräte, die es reif geborenen Säuglingen ermöglichen, die unzureichende Energie- und Eiweißzufuhr zu Beginn des Stillens auszugleichen. Daher reichert man heute die Frauenmilch mit speziellen Präparaten, die unter anderem Eiweißhydrolysate und Maltodextrine als Energielieferant enthalten, an.
Ist eine Versorgung mit Muttermilch nicht möglich, stehen Spezialnahrungen zur Verfügung, die per Flasche oder parenteral gegeben werden. Verschiedene Institutionen wie z. B. die Gesellschaft für Neonatologie und Pädiatrische Intensivmedizin (GNPI) oder das Ernährungskomitee der Canadian Paediatric Society (CPS) geben Ernährungsrichtlinien für Frühgeborene heraus, die neben Empfehlungen für Zufuhrmengen und -häufigkeit auch Vorgaben für die Zusammensetzung von Spezialnahrungen und die Vitamin D-, K- und Fluoridprophylaxe enthalten. Welches letzlich die für das einzelne Frügeborene optimale Ernährung ist, muss jedoch der Arzt ganz individuell gemeinsam mit dem Pflegepersonal entscheiden und kontrollieren.

Die Zusammensetzung von Formulanahrungen bzw. Ergänzungsprodukten optimal auf den Nährstoffbedarf von Frühgeborenen abzustimmen, ist schwierig, da man sich nicht wie bei Nahrungen für reif geborene Säuglinge an der Frauenmilch orientieren kann. So ist insbesondere über die optimale Eiweißmenge, Aminosäurenzusammensetzung und in letzter Zeit über die Fettsäurenzusammensetzung intensiv geforscht worden. Für die Berechnung des Eiweißbedarfs von Frühgeborenen orientiert man sich am Eiweißansatz während der fetalen Entwicklung. Daraus ergibt sich ein Eiweißbedarf für Frühgeborene zwischen der 28. und 34. Schwangerschaftswoche von 2,4-3,3 g/kg Körpergewicht. Bei einer Trinkmenge von 150 ml reifer Frauenmilch pro kg Körpergewicht wird nur 1,8 g Eiweiß pro kg Körpergewicht zugeführt. Daher muss die Frauenmilch unter anderem mit Eiweißhydrolysaten auf eine Eiweißzufuhr von 3 g/kg Körpergewicht ergänzt werden.
Frühgeborenen fehlt die Fähigkeit zum Umsatz einzelner Aminosäuren, da die Aktivität der dafür zuständigen Enzyme noch unzureichend ist. So kann es bei oraler und auch parenteraler Ernährung mit Aminosäuremischungen möglich sein, dass einzelne Aminosäuren toxische oder zu niedrige Konzentration erreichen, die z. B. bleibende Störungen in der intellektuellen Entwicklung bewirken können. Histidin aber auch Arginin können in den frühen Lebensphasen nicht ausreichend gebildet werden und gelten daher als semi-essenziell. Auch der Abbau von Aminosäuren kann je nach Reifezustand des Kindes sowie Qualität und Quantität der Formelnahrung durch vermehrte Ammoniakbildung das Frühgeborene gefährden.
Frühgeborene können außerdem nur unzureichend längerkettige, mehrfach ungesättigte Fettsäuren wie Arachidonsäure und Docosahexaensäure, die zur Gehirnentwicklung und für die Sehschärfe erforderlich sind, aus ihren Vorstufen selbst bilden.
Deshalb enthalten heute Frühgeborenennahrungen bezogen auf die Gesamtfettsäuren 1 % Omega-6-Fettsäuren und 0,5 % Omega-3-FS.

Muttermilch bietet auch für Frühgeborene gegenüber einer künstlichen Formulanahrung den Vorteil, dass das Kind spezifische Schutzstoffe für die Entwicklung des Immunsystems erhält. Sie sollte - wenn möglich - daher immer Bestandteil der Ernährung sein.

Literatur:
ARBEITSGEMEINSCHAFT DER WISSENSCHAFTLICHEN MEDIZINISCHEN FACHGESELLSCHAFTEN (Hrsg.): Leitlinien zum rationalen ärztlichen Handeln in der Neonatologie und pädiatrischen Intensivmedizin erstellt von GNPI, 31.03.1999. aus: http://www.uni-duesseldorf.de/WWW/AWMF/II/II pneon.htm vom 14.03.2001
DUNCAN, R. et al.: Teaching files: feeding the premature infant. aus: http://www.neonatology.org/syllabus/feeding.premature.html vom 14.03.2001
HEINE, W.: Wieviel Eiweiß brauchen Frühgeborene? In: Ernährungs-Umschau 42 (2), S. 51-56, 1995
KOLETZKO, B.: Fettzufuhr und Nervensystem. In: Ernährung/Nutrition 18 (6), S. 303-310, 1994
N.N.: Pschyrembel Klinisches Wörterbuch. 258. Auflage. Walter de Gruyter, Berlin, New York 1998
NUTRITION COMMITTEE, CANADIAN PAEDIATRIC SOCIETY (CPS) (Hrsg.): Nutrition needs and feeding of premature infants. 1995, aus: http://www.sps.ca/english/statements/N/n95-01.htm vom 14.03.2001
WACHTEL, U.; HILGARTH, R.: Ernährung und Diätetik in Pädiatrie und Jugendmedizin. Band I: Ernährung. Thieme, Stuttgart 1994

Stand: 2007